Ämtertausch

DFB, VfB, ESC - alle stecken tief in der Führungskrise. Wie gut, dass das prophetische Bulletin des 13. Spieltages ansteht. Jetzt lösungsorientiert formuliert im Fachportal für öffentliche Chaostheorie.

So kann’s gehen, wenn man zu spät dran ist. Nichts ist älter als die Bulletin-Gedanken von gestern. Gerade werde ich von mehreren Propheten darauf aufmerksam gemacht, dass mein Lieblingstrainer Alexander Zorniger entlassen wurde. Eine öffentliche Bankrotterklärung des VfB-Vorstands. Endlich mal ein ehrlich Zorniger. Einer der auch das benennt, was nicht funktioniert. Aber soviel Wahrheit vertägt der VfB nicht. Vermutlich hat Zorniger bei seinen Chefs nur einmal nachgefragt, wieso er den ganzen Mist, der beim VfB schon lange kocht, jetzt plötzlich in einer einzigen Vorrunde wegräumen soll. Im Falle meines Vereins für Behämmerte (VfB) könnte man eigentlich zur Tagesordnung übergehen. Trainerentlassung? War was? Normal bleiben. Normal bleiben. Eine Trainerentlassung mehr oder weniger - das wirft einen VfB-Fan doch nicht aus der Bahn. Ich werde zwar nie verstehen, wieso man einer treuen Fan-Gemeinde, von denen man abhängig ist, weil es treue Kunden sind, zumutet, dass sie die eigene personelle Untreue lebenslang tolerieren sollen. So bin ich als Fan gezwungen, immer wieder neue Nasen gut zu finden. Das stresst mich. Und es ist auch nicht meine Art. So geht man nicht mit Menschen um, nicht wenn man Führung als verantwortungsvollen Job begreift, aber egal... ich wollte ja zur Tagesordnung übergehen, darum bestelle ich jetzt nochmal einen Kaffee, bleibe normal, lasse mich weder von Trainerentlassung noch anderen schlimmen Dingen einschüchtern, nein, was ich nicht beeinflussen kann, darüber rege ich mich nicht auf. Ich bleibe normal, das Leben muss weiter gehen in diesen merkwürdigen Zeiten. An allem anderen kann ich sowieso nichts ändern – und an der VfB-Vorstandsetage schon gar nicht. Die befindet sich sowieso seit Jahren auf dem Holzweg. Damit kennen wir uns ja nicht nur in Stuttgart aus, sondern auch in Mannheim.

Dort müssen sie eine andere Umweltverschmutzung schon lange ertragen. „Dieser Weg wird kein leichter sein“, sang der selbsternannte Hilfsguru - und wir alle ahnten, dass der Lothar-Matthäus-des-Soul schon lebenslang mit seinen wirren Gedanken auf einem einzigen Holzweg Gassi ging. Es gibt einige unter den Propheten, die seine Sangeskunst schätzen. Xavier Naidoo, von dem hier die Rede ist, soll angeblich stimmlich recht begabt sein. Mag sein. Ich, der keinen Ton halten kann, vermag es nicht zu beurteilen. Da mag ich nicht richten. Die Malaise mit Naidoo geht schießlich richtig los, wenn er nicht singt. Dann dringt ein verschwurbeltes Gebrabbel aus ihm raus, dagegen ist ein Interview mit Ailton eine geradezu eine intellektuelle Offenbarung. Für alle, die es vor dem ESC-Nominierungsdebakel nicht verfolgt hatten: Naidoo hat vor Monaten unter anderem auf einer Kundgebung gesprochen, bei der sogenannte Reichsbürger ihm applaudierten. Das sind Menschen, die ein wenig esoterisch, ein wenig rechtsextrem und ein wenig krank in der Birne sind. Sie sind sich sicher, dass Deutschland immernoch von Amerikanern besetzt ist – oder wahlweise, dass wir von einer GmbH regiert werden. Vor diesem Ignorantenstadl trat Naidoo auf die Bühne, um zu flöten, dass er mit jedem rede und ja schließlich für die Liebe stehen würde. Gewiß, das hört sich alles nicht sonderlich geordnet an, eher infantil, wie in Kleinkind, das eine eigene Meinung sucht. Dass er diese Suche allerdings in aller Öffentlichkeit durchführt, das ist nicht nur merkwürdig, nein, es ist sogar gefährlich. Für Ohren und Hirn der staunenden Allgemeinheit.

Was hat das mit Fußball zu tun? Nun, nachdem er schon 2006 mit dem Umkleidenkabinenschlager in den Fußball hineingepinkelt hatte, fällt nun sein ESC-Nominierungsdebakel perfekt in die Führungskrise des Fußballs. Die Suche nach den richtigen Sängern für Deutschland ist der nach den richtigen Kickern für Deutschland nicht unähnlich. In beiden Fällen tritt eine scheinbar elitäre Clique auf (NDR, DFB), die offenbar die Autorität mit Löffeln gefressen hat. Während der NDR im Alleingang einen Mannheimer Aushilfsscientologen für Deutschland auf die Bühne schickt, nominiert der DFB einen niedersächsischen Schlagerstar als obersten Repräsentaten. Beide Entscheidungen wurden hart kritisiert. Im Falle des schlimmen Troubadix ist sie schon revidiert worden, im Falle des niedersächsischen Mastgockels Reinhard Grindel steht uns das noch bevor. Um beiden Seiten weitere Peinlichkeiten zu ersparen, schlage ich einen Ämtertausch vor: Naidoo als DFB-Präsident. Grindel auf die ESC-Bühne. So könnte Naidoo endlich Beweise für seine Verschwörungstheorien finden, in der grundkorrupten Welt des Fußballs würde er viele weitere Hinweise finden. Und Reinhardt Grindel würde als Produzent hochwertiger Schlagerkunst endlich so eingesetzt werden, wie es ihm schon lange gebührt. Arnd Zeigler hat das am Sonntag köstlich erkannt. Aber sorry, Arnd, an den Originalgrindel kommst du nicht ran. Leider. Bist halt kein Naidoo. Und das ist auch: gut so.