Bürotechnik

Alles nur Schall und Rauch in deutschen Stadien? Keinsfalls. Das prophetischen Bulletin des 16. Spieltags erweitert die Möglichkeiten des Stadionsprechers. Also eher: Schall gegen Rauch.

Neulich im Stadion. Drüben im Gästeblock dampft es. Also her mit der Standard-Durchsage zum Thema Pyrotechnik: „Liebe Fans von (Verein xy einsetzen). Wir bitten Sie, das Abbrennen von Pyrotechnik zu unterlassen. Sie gefährden damit sich und andere Zuschauer.“ Stadionsprecher gegen Ultras: ein glanzloses Null zu Null auf niedrigem Niveau.

Die Ultras

Diese Minderheit aktiver Fans hat viel Gutes zum Stadionerlebnis beigetragen. Dass jedoch Pyrotechnik auch dazugehören soll, das mag keinesfalls einleuchten. Ich stand vor Jahren in Piräus in der Kurve. Zweimal eine Viertelstunde musste das Spiel unterbrochen werden, weil niemand irgendetwas erkennen konnte. Alle zogen sich die Jacken über den Kopf und sassen da, wie nach einem ABC-Alarm in der syrischen Kampfzone. Mehr als 100 gezündete Bengalos hatten ordentlich eingeheizt. Im ganzen Block fan ich niemanden, der daran Spaß hatte, nichts mehr zu sehen Außer denen, die die Dinger gezündet hatten. Ziemlich überflüssige Kinderei, der Rauchschwadenmachismo, finde ich. Anderseits: Es gibt weit Schlimmeres auf dem Platz und auf den Rängen.

Natürlich sind die Dinger heiß wie die Hölle. Aber die schlimmsten Verletzungen durch Pyrotechnik geschehen am Sylvester. In den Stadien passiert vergleichsweise wenig. Außerdem: Wer ins Stadion geht, weiß genau, wo die Bengalos gezündet werden. In einen Ultrablock gerät niemand durch Zufall. Nicht mal auswärts. Darum: Wer sich die Flossen verbrennt, auch wenn er selbst nicht gezündelt hat, hat doch mindestens einen Stellungsfehler begangen. Es sind schlichte Gemüter, die am Rauch ihren Spaß haben. Von diesen Kindern sollte man sich fern halten. Der Stadionbesucher weiß das.

Der Stadionsprecher

Ebenso schlicht verhalten sich die Stadionsprecher. Steigbügelhalter der flachen Rhetorik ist wie so oft der DFB. Im Handbuch für Stadionsprecher und Platzansager finden wir unter Ziffer 3.2.4. Eingriff in den Veranstaltungsverlauf (Pyrotechnik) folgende Anweisungen: „Eine moderative Reaktion des Stadionsprechers ist Pficht. Gerade bei Pyrotechnik ist damit zu rechnen, dass es zu Wiederholungen kommt. Eine Steigerungsmöglichkeit bei der wiederholten Durchsage sollte daher gegeben sein. Bei fortgesetzten Verstößen sollten die drohenden Konsequenzen genannt werden.“

Dankenswerterweise werden auch Musterdurchsagen geliefert. Zum Beispiel: „An die Personen im Block ... (zielgruppengemäße Ansprache / Benennung des betroffenen Bereichs im Stadion), wir wünschen uns einen fairen und sportlichen Verlauf dieses Spiels / dieser Veranstaltung (je nach Zeitpunkt des Vorkommnisses), aber mit Ihrem Verhalten gefährden Sie sich und andere. Darüber hinaus ist Ihr Verhalten unsportlich und kann zum Spielabbruch sowie zu erheblichen Geldstrafen für Ihren Verein führen. Wir bitten Sie deshalb eindringlich, sofort damit aufzuhören. Vielen Dank.“

Höchste Zeit für Alternativen! Darum wurde neulich am Tresen der prophetischen Niederlassung ein Alternativenkatalog erarbeitet, über den es sich lohnt, nachzudenken. Hier nur einige Ideen

- „Ey Junx, was soll denn der Kindergeburtstag? Ihr verbrennt Euch doch. Das macht echt AUA. Lasst doch den Scheiss.“

- „Der Deutsche Fußball-Bund freut sich über das Feuerwerk auf seinem Konto. Die xy-Ultras zahlen heute 10.000 Euro. Der Betrag wird am Ausgang des Blockes Z sofort kassiert. Kreditkarten werden akzeptiert.“

- (Neulich hatten die Werderfans in Stuttgart nur weißen Rauch parat) „Hey, ihr Nasskappen, wo sind den grünen Bengalos, hä?? Gibt’s in ganz Polen keine grüne Bengalos? Warum wohl?“

- „Mensch, was soll denn das? Jetzt muss ich wegen ein paar Ultra-Heinis schon wieder so eine langweilige Stadiondurchsage des DFB ablesen. Muss das sein?“

- „Kinder, Kinder, jetzt macht keinen auf dicke Hose. Sonst werfen wir von außen noch ein paar ordentliche Böller auf Euer Lagerfeuer. Dann kommt aber keiner mehr aus dem Block, der noch beide Ohren dran hat. Ehrenwort.“

Apropos Donnerschlag. An der Spitze unserer prophetischen Liga ist der große Knall erneut ausgeblieben. Max Christian Graeff hat sich offenbar entschieden, das künstlerische Pendant zu Bayern München zu geben. Ich frage mich inzwischen, ob Prophet Graeff etwa schon vor der Saison einen Guardiolo-Taktik-Zettel zugesteckt bekam? Falls doch, muss ich den guten Propheten Graeff allerdings darauf aufmerksam machen, dass ein solcher Zettel durch die gesamte Mannschaft kreisen sollte. So will es Guardiola. Und so gehört es sich auch, gell. Beim nächsten Mal....

Geknallt hat es dafür auf Platz 10. Dort finden wir den Propheten Andreas Gühring. Tatsächlich steht er bei VfB-Heimspielen immer im Stehblock, jedoch in sicherer Entfernung zu den gelegentlich dampfenden VfB-Ultras. Trotz der VFB-Krise hat es Prophet Gühring mal ordentlich krachen lassen. Meine sehr verehrtern Prophetinnen und Propheten, liebe Vorherseher: Plus 86 Plätze. Mitten in der Saison! Wie geht denn das? Mit 96 Punkten und 3 Volltreffern katapultiert sich Prophet Gühring einmal vorbei an den staunenden Propheten, mit einem Schlag hoch auf Platz 10. Ich bin sprachlos. In diesen Fällen hilft nicht mal der Leitfaden des DFB, um die richtigen Worte zu finden.