China-Syndrom

Die Propheten-Liga geht in wenigen Wochen wieder an den Start. Höchste Zeit für frische Nachrichten zur Fußballlage der Nation. Heute mal aus China...

Ausgerechnet China. Wer hätte das gedacht. Früher waren Italien, Spanien und England für geldgeile Profis das Ziel der Träume, nun ist es China. Vor kurzem haben sie dort den berühmten Reissack, für den sich seit jeher keine Sau interessierte, mit jede Menge Geld gefüllt und siehe da, plötzlich steht das Reich der Mitte im Rampenlicht des Transfermarktes. Die Umrechnung von Euro in Renminbi Yuan und umgekehrt beherrschen Sport-Direktoren und Spielerberater heute völlig easy, obwohl sie noch vor einem Jahr garantiert nicht Mal wussten, wie die chinesische Währung heißt, geschweige denn, wie man sie buchstabiert. Da klingelt die Kasse ordentlich, denn die Chinesen machen keine halben Sachen.

Der mit 29 Jahren nicht mehr allzu jugendliche Torjäger Anthony Modeste vom Effzeh Köln wechselt nun deshalb in Kürze für die (Kölner) Rekordsumme von 35 Millionen Euro zum chinesischen Erstliga-Club Tianjin Quanjian. Der Transfer-Erlös, den Sportdirektor Jörg Schmadtke nun vermutlich in jüngere Spieler zu investieren gedenkt, hört sich mit 267 Millionen in Renminbi gleich noch viel imposanter an. Herrn Modeste ist dieser Wechsel im Herbst seiner Karriere keinesfalls zu verdenken. Für seinen Vertrag bis 2020 erhält er in China schließlich ein Gehalt von 10 Millionen Euro. Netto versteht sich. Das nimmt man in dem Alter doch gerne mit. Dafür müsste er als Geißbock ja locker doppelt so lang die Spielfelder der Bundesliga abgrasen. Sein Nachname bedeutet übrigens aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt schlicht "bescheiden". Was nun in diesem Zusammenhang ja leider nicht allzu gut passt.

Aber Bescheidenheit war ja im Fußball noch nie eine Zier, denn weiter kommt man bekanntlich ohne ihr, wie der Berliner es auszudrücken pflegt. Die Gier auf das Geld, das sich dort in fernen Osten offensichtlich in sagenhaften Mengen verdienen lässt, hat auch den Deutschen Fußball Bund bereits erfasst. Kasper Rørsted, der Vorstandsvorsitzende von Adidas, dem Hauptsponsor des DFB, hatte laut der "Süddeutschen Zeitung" jüngst mal den kühnen Vorschlag gemacht, "aus Kostengründen" das DFB-Pokalfinale doch einfach Mal nach Shanghai zu verlegen. Man könne es ja schließlich auch im Fernsehen und Internet anschauen. Zack, und schon war die Shit-Storm-Kacke am dampfen. Was ein bisschen so wirkte, als habe sich der dänische Drei-Streifen-Elefant Rørsted mit seinem Vorschlag in einen chinesischen Porzellan-Laden verirrt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als durchaus ernst gemeintes Anliegen. So wie zuvor auch die von ihm lauthals geforderte Abschaffung der 50+1-Regel in Deutschland. Schließlich zahlt Adidas Berichten zufolge bis 2022 jährlich über 65 Millionen Euro an den DFB und es ist deshalb mehr als wahrscheinlich, dass der keineswegs dumme Rørsted mit dieser Schnapsidee nicht in die Öffentlichkeit gegangen ist, ohne diese zuvor mit DFB-Präsident Grindel bereits schon mal erörtert zu haben.

Der vom gerade überstandenen Helene-Fischer-Desaster noch etwas angeschlagen wirkende DFB Präsident Reinhard Grindel sprach hinterher von einem Missverständnis. Das DFB-Pokalfinale bleibe selbstverständlich in Berlin und es sei ja dort im Olympia-Stadion, im "deutschen Wembley längst ein Mythos". Seine Wortwahl zeigt dabei, dass er nicht verstanden hat, worum es geht. Diese denkmalgeschützte Berliner Bruchbude aus dem dritten Reich ernsthaft mit dem englischen National-Stadion Wembley zu vergleichen - ganz egal, ob das alte oder das neue Wembley-Stadion gemeint ist - das ist schon kühn, doch obendrein das Pokalfinale an diesem Ort als Mythos zu verklären, das ist dreist. Das DFB-Pokal-Finale fand von 1952 bis 1985 und bereits zuvor ebenso der "Tschammer-Pokal" der Nazis immer an unterschiedlichsten Orten statt. Es geht den Fans nicht um irgendeinen Mythos oder Ort, sondern um den Affront, dass im Fußballsport anscheined nun wirklich alles zum Höchstpreis an profitorientierte Konzerne verhökert weden soll. Zudem gibt sich der DFB seit geraumer Zeit große Mühe, die Bedeutung dieses bei den Fans zwar sehr beliebten aber für den DFB sehr kostenträchtigen Wettbewerbs möglichst weit herunterzuspielen und allfällige Kosten in der Provinz an die Amateurvereine zu delegieren. Ein überzeugender Beleg für das Desinteresse ist nicht zuletzt Helene Fischers jüngster Halbzeitauftritt im Pokalfinale. Zum Davonlaufen. Und vermutlich hat Grindel diese Wembley-Mythos-Formulierung mutmaßlich erst im Wikepedia-Eintrag zum DFB-Pokal für sich entdeckt, in dem sie ebenfalls und ähnlich verwendet wird. Vermutlich weil er sich dort zunächst mal sachkundig machen musste, worüber er eigentlich spricht.

Das ist ja verständlich. Der ehemalige Journalist und CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel ist ja schließlich noch relativ neu im DFB-Geschäft. Erst 2013 wurde er dort Schatzmeister des Präsidiums und blieb es, bis er 2016 den glücklos agierenden Niersbach als DFB-Präsident ablöste. Am Deal des DFB mit dem Hauptsponsor Adidas 2016 dürfte Grindel nicht ganz unbeteiligt gewesen. Mit Geld kennt er sich als Schatzmeister ja aus. Und die Steigerung von zuvor 25 Millionen jährlich auf über 65 Millionen kann sich ja auch durchaus sehen lassen. Klar ist dabei aber, das Adidas dieses Geld nicht ohne eine zuvor vereinbarte, entsprechende Gegenleistung zahlt. Womit wir wieder bei den Chinesen wären. Der etwas verunglückte Hinweis auf ein mögliches DFB-Pokalfinale in Shanghai kam ja nicht von ungefähr. China ist zurzeit noch ein Fußball-Entwicklungsland, doch der potenzielle Markt für Fußballsport-Artikel dort ist gigantisch. Es geht in diesem Geschäft weltweit heute bereits um viele Milliarden Euro Umsatz im Jahr und die Marktführer Adidas und Nike buhlen um jedes Geschäft. China boomt! Shanghai, Shanghai, wir fahren nach Shanghai!

Und der DFB lässt sich dabei sehr bereitwillig vor den Karren spannen. Das gefällt nicht jedem Fußball-Fan. Beim Shanghai-Pokalfinale hat der DFB gerade noch einmal die Kurve gekriegt, doch wie erklären die hohen Fußball-Herren den Fans bitteschön den allerneuesten China-Kracher? Es soll zukünftig ein Team aus chinesischen Jung-Nationalspielern auf Betreiben des DFB am Spielbetrieb in der Regionalliga Südwest teilnehmen. Und ganz zufällig heißt der Hauptsponsor der chinesischen Nationalmannschaft - richtig, Adidas. Da fehlen einem die Worte. Nicht so dem DFB, der dieses Ansinnen wortreich mit einem Akt der selbstlosen Entwicklungshilfe in Sachen Fußball begründet. Angeblich vereinbart auf Betreiben der Bundesregierung, zur deutsch-chinesischen Kooperation im Sport. Man fragt sich schon, für wie bescheuert der DFB die Fußball-Fans eigentlich hält. Es gibt ja mittlerweile kaum noch einen Bundesliga-Verein, der nicht einen eigenen Marketing-Beauftragten für Ostasien unter Vertrag hat. Das begreift mittlerweile auch der Dümmste: Es geht um große Geschäfte und viel, viel Geld, aber keineswegs um den Fußballsport und am allerwenigsten um die, die diesen Sport mehr als alles lieben, die Fans. Fragt sich nur, wie lange noch?

Die chinesische Regierung schaut dem Treiben der in China von Großkonzernen betriebenen Fußball-Clubs beim Geld verdienen und vor allem beim Geld ausgeben, was durch die Absetzbarkeit solcher Ausgaben dem Geld verdienen gleich kommt, jetzt bereits genau auf die Finger. Zukünftig muss in China nämlich ein Club wie Tianjin Quanjian, falls er noch einen Modeste kaufen will, zusätzlich zu den 35 Millionen Euro als Kaufpreis, exakt weitere 35 Millionen an den Fußballverband berappen, damit dieser das Geld in die Talentförderung an der Basis stecken kann. Ähnliches gilt für die Gehälter. Mit dieser genialen Idee dürfte sich der chinesische Transfersummen-Wahnsinn bereits in kürzester Zeit erledigt haben. Falls Reinhard Grindel zukünftig neben Helene Fischer hören, mit Adidas verhandeln und korrupte FIFA-Präsidenten unterstützen mal etwas wirklich Sinnvolles tun möchte, sollte er sich bei der FIFA bitteschön für die weltweite Einführung dieser chinesischen Transfersummenbremse zur gleichzeitigen Unterstützung des Amateurfußballsports einsetzen. Wenn der DFB so wie bisher weitermacht, steht nämlich die unaufhaltsame Kernschmelze der Fußballfanbasis unmittelbar und schon sehr bald bevor.