Das Ende

Herzlichen Glückwunsch dem Propheten der Woche: Axel Hacke. Er hat das Ende der Bayern korrekt vorausgesagt. Oder etwa doch nicht?
Wer den Propheten der Woche küren will, kommt an Axel Hacke nicht vorbei. Seine feine Kolumne erscheint im Magazin der Süddeutschen Zeitung. Niveaublatt. In der morgendlichen Lesemappe der Bayernbosse hat es nichts zu suchen. Hacke philosophierte in seinem jüngsten Text schon vor der legendären PK, was wohl wäre, wenn es mit dem FC Bayern mal so richtig abwärts ginge, also (und ab jetzt zitiere ich) "weiter abwärts ginge, richtig runter, rutschrutschrutsch? Auch das römische Reich ging eines Tages unter, auch mit der Ming-Dynastie ging es dahin, auch die Maya verschwanden vom Globus. Also: Trainerwechsel ohne Wirkung, Sponsoren ziehen sich zurück, Platz 16, Relegation gegen den HSV, Niederlage, Abstieg, Apokalypse, kein Rat, nirgends. Hoeneß weint, Stoiber ringt nach Worten, allgemeines Anhalten des Atems. Selbstausziehung der Lederhosen. Der Vereinslyriker schmiedet Ode an das Scheitern. Klubversammlung beschließt Selbstauflösung, weil: FC Bayern, der nicht siegt entspricht nicht dem Vereinszweck." Soweit Axel Hacke, erschienen am Morgen vor der legendären PK. Gratulation. So aktuelle Prophetie war selten.
Am Freitagvormittag sprach sich also rum, dass die Bayernbosse eine wichtige PK geben. In Stuttgart hoffte man inständig, sie wollten bekannt geben, dass die Bayern den Starkaderplaner Reschke in einer Handstreichaktion zurückholten. Doch der "schlaue Herr Reschke" war nur kurz Gegenstand der aufgeblasenen Erregung. Es ging um Grundsätzliches. Beispielsweise die Würde des Menschen. Nicht um die des Menschen Bernat, und nicht die des Menschen Özil. Nee, nur um die der Bayern. Denn so ist das im Populismus. Wenn die AfD von Wohlstand spricht, meint sie auch nicht die Flüchtlinge. Aber lassen wir das. Es erscheint billig, den verzapften Säbenerblödsinn mit zynischen Sprüchen zu kontern. Man ertappt sich dabei, dass man die Witzfiguren des königlich bayrischen Fußballgerichts ernst nimmt.
Fest steht: In einer halben Stunde hat sich Bayern wirkungsvoller blamiert als mit einer 0:10-Niederlage gegen den FC Pipinsried im Pokal. Noch mehr blamiert als der VfB Stuttgart mit einer 0:4-Niederlage gegen Dortmund. Dieser erste Schritt zur Selbstzerstörung des Bayernmythos hatte nicht einmal Axel Hacke auf der Rechnung. Und nicht, dass mir jemand vorwirft, meine persönliche Bayernabneigung würde mir die Urteilsfähigkeit verstellen. Auch Bayernfans wenden sich ab. Und zwar dauerhaft, wie hier zu lesen ist.
Kein Wunder. Ganz Deutschland lacht über die Gesetzesauslegung von Schmuggler Rummenigge und Steuerhinterzieher Hoeneß. Darum macht jetzt auch das Bulletin einen Haken an die hanebüchene Angelegenheit und konzentriert sich auf die Kernkompetenz der Zukunftsforschung. Hier fällt die Prognose leicht, dass der Sport1-Doppelpass ihre Talkrunden ab sofort täglich einberuft. Einziges Thema: Bayernbayernbayern. Alles abgreifen, solange es noch jemanden interessiert. Nichts Neues. Neu dagegen die Wiederauferstehung der unkaputtbaren Spielfreude des BVB. Dauerhaftes Aktienhoch im Schwarzgelb, während Bayern auf der nächsten PK den neuen Premiumsponsor Heckler[&]Koch vorstellt. Also erneute bayrische PK. Anwalt beruft sich auf die Unschuldsvermutung für die Waffenschmiede. Hoeneß verteidigt: Der neue Sponsor würde prima zum Portfolio mit den anderen Gönnern aus dem Mittleren Osten passen. Unterdessen verschwindet sky-Reporter Uli Köhler. Er hatte auf der letzten Bayern-PK hörbar gehustet. Seine Leiche wird wenig später in der Isar gefunden. Seehofer wird im Bundeskanzleramt einbestellt. Das BKA reisst die Ermittlungen an sich.
Herbstmeister wird unter dessen Werder Bremen. Doch der übliche Bayernreflex greift ins Leere. Kohfeldt, Claasen und Kruse lehnen hochdotierte Angebote aus München ab, weil sie keine Lust haben, in Kriegsgebieten zu spielen. An der Weser wird ab sofort nur noch unter hohen Sicherheitsvorkehrungen trainiert. Das auswärtige Amt spricht eine Reisewarnung für die Säbener Straße aus. Hoeneß beruft eine PK ein, auf der Neuzugang CR7 vorgestellt wird. 300 Mio. Plus 600 Mio. für seine Leibwache. Bayern-Konto leer. Doch der Portugiese findet in München keinen guten Frisör und kann seine Leistung nicht abrufen. Gladbach wird Meister. An der Leiche von Uli Köhler werden Fingerabdrücke von Brazzo gefunden. Hoeneß ruft seinen Freund Seehofer an, der die Sache gedeckt hatte. In Berlin regiert seit kurzem schwarz-grün. Seehofer ebenfalls am Ende. Danach trifft am Tegernsee eine Lieferung des neuen Premiumsponsors ein. Seehofer und Hoeneß verabreden sich am Sofa, an dem einst Philipp Lahm und Jessi Wellmer geplaudert hatten. Die Wolken hängen tief. Sie drehen sich um - und marschieren los. Das Ende. In der Bundesliga herrscht Chancengleichheit.
Was vorgestern noch absurd gewesen wäre... heute kann man sich nicht mehr sicher sein. Lieber Axel Hacke: Prophetisches Duell angenommen?