Der Fan als Kunde

Geht nicht, gibt's nicht. Das scheint das Motto der Fußball-Marketing-Fritzen zu sein. Je absurder die Fan-Artikel, desto besser laufen die Geschäfte.
Wer wissen will, wie es um die Fan-Basis eines Vereins bestellt ist, der werfe einen tiefen Blick in den dazugehörigen Fan-Shop. Da gibt es vieles zu entdecken, das Rückschlüsse auf die potenziellen Käufer zulässt. Früher, sagen wir mal vor so ungefähr 20 Jahren, gaben sich die treuen Anhänger noch mit Trikot, Schal und Mütze zufrieden. Heute scheinen dagegen die Fan-Shops der Bundesligisten mit dem Angebot von Amazon konkurrieren zu wollen. Mit einem Riesenangebot von Billigprodukten, die sich mit dem offiziellen Vereinslogo versehen für sehr teures Geld verkaufen lassen. Der Fan ist für die Vereine längst zum Kunden geworden. Und manche dieser Fan-Artikel sind so absurd, dass man sich fragt ob der Verein seine Fans für bescheuert hält, oder ob diese es wirklich sind und das ganze Zeug freiwillig kaufen.
Ein wohlmeinender Mensch schenkte mir vor Jahren mal eine Schalke-Zahnbürste. Praktisch zumindest, dachte ich, aber ich hielt diese damals für ein äußerst seltenes Einzelstück und habe sie daher bis heute nicht benutzt. Heute bin ich froh, dass es kein Schalke-Klodeckel oder keine Schalke-Bratpfanne war. Meine Frau hatte sich irgendwann mit der kleinen Zahnbürste im Regal arrangiert, mit einem Klodeckel hätte sich das nicht so harmonisch gefügt. Da hätte ich ihr noch soviel Schalke-Schokolade und Schalke-Sekt zur Besänftigung anbieten können. Auch nicht eine Tüte blau-weißer Fruchtgummi Marke "Erwin", die im Schalke-Shop gerade unter den Top-Angeboten zum Muttertag neben dem Sekt, einem doch sehr tief ausgeschnittenen "Heimtrikot Damen" sowie einem Schalke-Labello und einer Schalke-Müsli-Schale für Schalke-Mütter feil geboten wird. Ein gestrickter Klorollenhut für die Hutablage im Auto vervollständigt das Muttertags-Angebot. Na da wird sich die Schalke-Mutti aber freuen.
Die überragende Mehrheit der Artikel in den Bundesligisten-Fan-Shops ist jedoch ohnehin eher auf den männlichen Fan zugeschnitten. Nahezu alle Artikel des Haushalts- und Freizeitbedarfs sind mit einem Logo des Vereins versehen zu haben. Dazu gehören etwa auch Sofa-Überzüge, auf denen die Sitzschalen des Stadions in Originalgröße aufgedruckt sind, Grillschürzen, selbstredend auch Tassen und Gläser in allen Größen und Formen, dazu Papierkörbe, Mülleimer, Aschenbecher oder auch Eiskratzer sowie Feuerzeuge und natürlich Bieröffner, Gummistiefel, Badelatschen und so weiter. Sogar Gartenzwerge im Trikot sind dabei. Was Mann halt so braucht, oder auch nicht. Doch das zu unterscheiden, fällt Männern oft nicht leicht. Und genau darin besteht das Geschäftsprinzip des Fan-Shop-Handels. Der männliche Fan ist, wenn es um seinen Lieblingsverein geht, nie um ein öffentlich zur Schau getragenes Statement zur Vereinstreue verlegen. Mit einem Auto-Aufkleber fängt es an und bei der Vereins-Bettwäsche, die bei einer Erfolgsserie des Vereins selbstverständlich nicht gewaschen werden darf, hört es auf. Denn spätestens dann halten ihn selbst die gewogensten Mitmenschen für komplett meschugge.
Doch die Fußball-Vermarkter haben auf diese Übersättigung längst mit neuen, äußerst perfiden Geschäftsstrategien reagiert. Sie bieten mittlerweile auch zahlreiche Produkte für eine Zielgruppe an, die sich gegen das aufoktroyierte Tragen und Nutzen von Fan-Artikeln nicht wehren kann: Babies und Hunde. Der FC Bayern etwa bietet unter der Rubrik Baby-Bekleidung gleich 45 Artikel von teils auserlesener Hässlichkeit an. Dazu gehören etwa der Baby-Body "Lederhose" bzw. "Dirndl", die Strampler "Mein erstes Trikot" und "Neuzugang" sowie diverse weitere, mit Micky-Mäusen bedruckte Baby-Modesünden. Dazu gibt es eine Abteilung mit dem merkwürdigen Namen Baby-Zubehör, in der neben einer Schnullerauswahl und Schlabberlätzen auch eine Nuckelflasche in Form eines Bierkruges samt Henkel zu finden ist. Die etwas kleinere Abteilung Hunde-Zubehör bietet mit "Mia san mia" bedruckte Halsbänder und Leinen, nicht zu vergessen den Bayern-Hundenapf und ein Hunde-Halstuch in Bayern-Karo-Optik. Ich frage mich zwar, seit wann Hunde eigentlich Halstücher tragen, doch das gibt es tatsächlich.
Der neben dem FC Bayern unbestrittene Marktführer im Fan-Marketing, Borussia Dortmund, hat selbstverständlich auch ein Hunde-Halstuch im Angebot. Die Babies sind mit zahlreichen Artikeln ebenfalls gut versorgt, die schwarzgelbe Optik kommt dabei etwas gefälliger daher als die bayrische Disney-Deko und das absolute Highlight ist die kleine Baby-Schildmütze mit der Aufschrift "Pöhlerchen". Da kann wohl kein frisch gebackener BVB-Papi Nein dazu sagen. Die Dortmunder gehen in Sachen Zielgruppenerweiterung sogar noch weiter als die Bayern. Sie haben auch die Generation 70 plus im Visier und zwar mit einem Fan-Rollator. Kein Witz, den gibt es wirklich. Die Herstellerfirma schreibt auf ihrer Homepage: Der Fan-Rollator ist ein im BVB-Design gestalteter TOPRO Troja-Premium-Rollator, der ab sofort im gut sortierten Sanitätsfachhandel erhältlich ist.
Thomas Appel, Geschäftsführer der Firma erklärt dort etwas verschwurbelt weiter: „Wir unterstützen diese Idee, denn sie trägt in besonderer Weise dazu bei, den Rollator zu entstigmatisieren. Es wird immer normaler, in der Öffentlichkeit mit einem Rollator unterwegs zu sein, denn immer mehr Menschen werden immer älter, bleiben dabei aber unternehmungslustig und interessiert. Ein Rollator unterstützt sie dabei hervorragend – zum Beispiel auch im Stadion beim Spiel des Lieblingsvereins!" Voll normal und entstigmatisierend. Es geht ja nicht ums Geld. Der schwarzgelbe 'Borussen-Rentnerporsche' ist für schlappe 399 Euro zu bekommen. Eine Ausweitung des Angebots für Rollatoren der Fans anderer Vereine ist in Arbeit. Der HSV ist da bereits etwas voraus. Das Fan-Dasein kann in Hamburg auch six-feet-under weitergehen. Nix mit, bis das der Tod euch scheidet. Mit einem speziell dafür designten HSV-Fan-Sarg. Kostenpunkt: 1500 Euro. Und dazu bietet der HSV angeblich in der Nähe des Volkspark-Stadions für Mitglieder und verdiente Fans sogar Grabstätten auf einem "HSV-Friedhof" an. Sollte am Saison-Ende beim HSV die Stadion-Uhr abgeschaltet werden müssen, könnte das für einen unverhofften Geschäfts-Boom und Platzmangel sorgen. Doch Vorsorge ist alles. Wie heißt es so schön in der Werbung eines Bestattungsunternehmens an der Haupttribüne bei Union Berlin: Warte nicht bis zum Schlusspfiff!