Der zoologische Faktor

Von Ochsen, Eseln und Wölfen: Das tierische Bulletin des 10. Bundesligaspieltags. Ausnahmsweise komplett ohne HSV-Witze. Oder?

Vor einigen Spielzeiten berichtete ich über Marder. Damals hatten sie Saison. InThunverbissen sie sich an Spielern. In Almelo flitzte ein Exemplar so gradlinig übers Feld, dass das Tier mit Robin Van Persie verglichen wurde, und einen eigenen Twitter-Account erhielt.

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Viele Monde sind seither vergangen. DeHeraclesSteenmarter ist verschollen. Seit einigen Monaten zwitschert er nicht mehr. Dafür erscheinen neue Tiere auf dem Spielfeld. Zum Beispiel Ochsen. Im Sommer 2014 stellte Löw vier Prachtexemplare in die Abwehr. Ergebnis: Weltmeister. Von Taktikexperten wurde die Ochsenabwehr trotzdem als Notlösung gebrandmarkt. Auch Mustafi, Boateng und Höwedes waren über die Bezeichnung nicht sonderlich begeistert. Hummels schon gar nicht. Aber lassen wir die Namenswitze beiseite („Hahn gegen Adler“). Vergessen wir Hennes, die Borussen-Biene und andere Randerscheinungen des Spielfelds. Es geht um Ernsteres. Nämlich Werbung.

Werber produzieren Tierisches in steter Regelmäßigkeit. Als ihr Höhenflug begann, wurde die Branche als Wurmfortsatz des Kapitalismus gebrandmarkt. Später schwangen sich Agenturen zu Ikonen auf, unter anderem die Freunde von Jung/vonMatt, die auch heute noch ein trojanische Pferd als Zeichen ihrer List vor sich her schieben. Neulich beklagte Jean-Remy von Matt PR-trächtig den Niedergang der Branche. Dass seine Agentur selbst viel tierischen Mist produziert, übersah er dabei geflissentlich. Kürzlich erschein der „Soccer Star Check 2016“ der Division Jung/vonMatt Sports. Geschäftsführer der Division ist übrigens Christoph Metzelder. Als Werkzeug der Eigen-Promotion erfanden sie den Star Check, der schon im Titel wenig Bodenhaftung offenbart, weil er unseren geliebten Fußball als Soccer denunziert.

Nach eigenen Angaben ist dieser Star Check die erste Studie, die das Image und den Markenwert von 50 deutschen Top-Fußballern empirisch ermittelt. Im Zentrum der Erhebung würde ein Algorithmus stehen, der die Assoziationen, Emotionen und die Wahrnehmung von Fußballern analysiert und quantifiziert, so schreiben es die Autoren. Den weiteren pseudowissenschaftlichen Bullshit, der auf schön gestaltetem Pdf verzapft wird, erspare ich uns. Es ist unter anderem davon die Rede, dass Fans den Spielern Stimulusarten zuordnen, in vier Kategorien nämlich Game Style, Personality, Archetypen und Celebrities. Ausgerechnet zur Beschreibung des Game Style mussten unschuldige Tiere herhalten.

Laut Studie besitzt aktuell Jerome Boateng die größte Markenkraft. Als Tiere, die ihm zugeordnet werden, erkennt man Hai, Tiger, Antilope, Bison, Bär, Gorilla, Elefant und Löwe. Aha! Die Viecherei wird im Werbersprech als „Game Style Score“ bezeichnet. Da ich mich wundere, welche Gattung aus dem ganzen Zoo noch fehlt, schaue ich am anderen Ende der Skala nach. Sie wurde im Jahr zuvor von Pierre-Michel Lasogga markiert. (Ich kann nix dafür, ich wollte keine Witze über den HSV machen.) 2015 lautete der Befund über Lasogga: „Löst ein klares Markenbild bei Fans aus, aber leider kein positives.“ Praktisch Wiese 2.0. Lasogga steht nahe an Skorpion, Pinguin, Schimpanse und Esel. Dazu lese ich in der Studie: „Der Spielstil eines Fußballers lässt sich gut anhand von Tier-Charakteristika beschreiben. Wie in der Fabel verkörpern die Tiere menschliche Wahrheiten“. Aha. Als ob die befragten Fußball-Fans besonders fabelsicher wären. Außerdem vermisse ich den Marder. Den Autoren der Studie wünsche ich, dass sie auf dem Nachhauseweg einmal Pierre-Michel Lasogga begegnen. Am besten kurz nach Zwölf in einer dunklen Seitengasse der Reeperbahn. Die Podiumsdiskussion, die sich dabei entwicklen würde, würde ich mir sogar live anschauen.

Wie man mit dem tierischen Potential des Spiels deutlich besser, ja sogar basisdemokratischer umgeht, lernen wir dieser Tage in Russland. Dort wurde online und via TV-Show das WM-Maskottchen vom Publikum gewählt. Katze, Tiger und Wolf standen zur Auswahl. Der Tiger trug Kosmonautenanzug. Der war gleich raus. Mit 52,8% entschieden sich die Russen für den Wolf, der damit weit unterhalb der Zustimmung für Vladimir Putin blieb. Am Stil der drei Kandidatentiere war übrigens klar zu erkennen, dass sie aus der selben Illustratorenfeder stammten. So geht also vorbildliche Demokratie. Wenn alle Kandidaten aus dem selben Stall kommen, bleibt die Wahl harmonisch. Niemand spaltet. Alles bleibt vorbildlich friedlich. So eine russische Maskottchen-Wahlshow ist beispielhaft. Nicht nur für Amerika.