Die Hollywood-Liga

Bayern ist Meister. Derweilen demontiert sich die Konkurrenz. Die Anderen klauen sich gegenseitig die Punkte. Doch neben dem Spielfeld besteht Hoffnung. Das prophetische Bulletin des 21. Spieltags würdigt den Unterhaltungswert.
Die Bundesliga ist ein einfacher Wettbewerb. 18 Mannschaften jagen 34 Spieltage lang einer Schale hinterher - und schon zur Halbzeit haben die Bayern gewonnen. Trotzdem ist Bayern-Bashing voll bäh. Weil: Die haben sich diesen Vorsprung schließlich verdient. Blablabla. Stattdessen ist es in Mode gekommen, die verzweifelten Konkurrenten zu bashen. Europapokalversager, die Inkonstanten, die Möchtegerngroßen. Weil: Stellt sich einfach zu doof an, diese versammelte Konkurrenz. Übersehen wird: Chancengleichheit gibt's schon lange nicht mehr. In der Kicker-Branche scheisst der Teufel auf den größten Haufen. Vollautomatisch. Wenn man diesen Haufen mit Rotlicht bestrahlt, sieht er aus wie die aufgeblasene Untertasse in Fröttmaning. Aber ich wollte sachlich bleiben.
Tatsache ist: In der Bundesliga kann nur einer Meister werden. Egal, mit welcher Menge fremdem Geldes die Liga in Zukunft aufgeblasen würde: die Anderen streiten um die Plätze 2 bis 18. Gerüchten zufolge soll die DFL schon eine Schale für den Vize planen. Vizekusen ist gerade Zweiter - wäre ein würdiger erster Vizetitel-Träger.
Was bleibt dem Rest der Liga? Wer auf dem Spielfeld nicht an die Bayern ran kommt, versucht es eben außerhalb. Aktuell mischt fast jeder mit. Tatsächlich hat jeder Verein eigens einen Nebenfeldschauplatz eröffnet, der ihm Schlagzeilen sichert und dafür sorgt, dass bei Doppelpass und Wontorra nach der rituellen Bayern-Stunde auch noch andere Themen verhandelt werden. Die Logik ist bestechend: Schließlich gründet die Vormachtstellung der Bayern auf der sogenannten FC-Hollywood-Phase rund um die Achtziger Jahre. Noch ist nicht raus, wer in dieser Saison den stärksten Hollywood-Faktor besitzt. Die Bayern sind es nicht. Stattdessen ist die Konkurrenz dicht besetzt. Alles dabei: von Wirtschaftskrimi über Liebesdrama bis zur billigen Schmierenkomödie. Ein Überblick:
Hamburger SV
Zuerst genannt, weil traditionell krisenstark im Ausdruck. Hat was von Mafia-Serie. Immer, wenn man sich gerade an einen Darsteller gewöhnt hat, wird er umgebracht. Der aktuelle Höhepunkt: Ein Putschversuch gegen die sportliche Führung. Extrem fantasievoller Handlungsstrang. Feinstes Profitheater. Muss man erst mal so abwechslungsreich hinbekommen über die vielen Jahre der Bundesligazugehörigkeit.
VfB Stuttgart
Der HSV des Südens. Hut ab vor dem Kollegen Bernhard, der die Vertreibung des Wolfs im letzten Bulletin prophezeit hatte. Doch die weiteren Wendungen hätte niemand erahnen können. Das Laienschauspiel der größenwahnsinnigen Vollidioten (Sorry, das ist Reschke-Sprech) ist ohne Beispiel. Absurde Selbstdemontage. Noch heute fehlen mir die Worte. Gut, dass es den vertikalpass gibt. Meine Leseempfehlung: Schrotty und Captain Kork. Klasse Blogbeitrag von Andreas Zweigle und Prophet Sebastian Rose. Nominiert in der Kategorie "Perlen aus Scheisse". Kannst Du Dir nicht ausdenken.
Mainz 05
Laientheater vor leeren Rängen. Wenig Publikum. Schneller Vorstandswechsel. Miese Stimmung. Warum man gegen Trainer und Manager einen Shitstorm entfacht, habe ich zwar nicht verstanden. Aber Schlagzeilen hat's gegeben. Reife Leistung. Palaver ohne Grund. Ob's schon für Hollywood reicht, liegt im Auge des Betrachters.
Eintracht Frankfurt
Wenn sportlich keine Krise in Sicht ist, muss man eben das Genre wechseln. Die Diskussion, ob AfD- und Eintracht-Mitgliedschaft sich vertragen, spielt deutlich ins ernste Fach. Darum ganz im Ernst: Schade, dass der Appell des Eintracht-Präsis, die Anderen mögen sich seiner Haltung anschließen, überwiegend verpufft. Man muss aber Verständnis aufbringen. Die Anderen sind mit ihrem eigenen Niederniveautheater voll ausgelastet.
Schalke 04
Hoppla! Wie kann das sein? Schalke bleibt still. Aber egal, um Königsblau braucht man sich schauspieltechnisch keine Sorgen zu machen. Verlieren sie nochmal, haben wir bereits die erste Aufführung einer Trainerdiskussion.
Werder Bremen
Wie man ohne Not einen Trainer beim Amtsantritt demontiert, konnte man neulich auf der Bremer Kabarettbühne bestaunen. Starke Darbietung vom routinierten Bremer Ex-Kicker-Ensemble. Ein zarter SM-Thriller. Apropos: Wer trainiert gerade Werder II? Diesen Herren sollten sich Propheten genau anschauen.
RB Leipzig
Typisch Rangnick. Die üblichen Skandalthemen sind nicht die Sache des Professors. Weil es keinen Verein gibt, der streiten kann, wird selbst der Sturm im Wasserglas vom Chef übernommen. Ansatzlos fährt er seiner Scoutingabteilung ins Genick, weil die Blödel nicht schnell genug auf Halstenbergs Verletzung reagierten. Sowas aber auch. Hollywood für Fußballtaktiker. Da müssen Köpfe rollen!
VfL Wolfsburg
Auch so geht's. In Wolfsburg wird der große Bluff dem Eigentümer überlassen. Gegen die VW-Story könnte keine Fußballgeschichte anstinken.
Borussia Dortmund
Stöger für Bosz. Batshuayi für Aubameyang. Beide Wechsel geschehen unter hoher Anteilnahme auf großer Bühne. Begleitet vom Horrorfilm der Vorstellung, dass die guten Zeiten für Schwarz-Gelb erstmal vorüber sind. Hollywood auf Dortmunderisch. Aber anderswo wär ja auch Scheiße.
Hertha BSC
Zum Beispiel in Berlin. Dort ist das größte Problem jedoch das Stadion. Die Zuschauer sitzen so weit weg, dass sie nur wenig mitbekommen. Nichts vom Spielfeld. Wenig von den Nebenschauplätzen. Vom Hollywood-Faktor ist Hertha nur B-Movie. Eben so wie Dardai spielen lässt. Es gibt Spannenderes.
TSG Hoffenheim
Der verlorene Sohn Part I - XI. starring: Sandro Wagner, bald auch: Mark Uth, Kerim Demirbay, Nadjem Amiri und Julian Nagelsmann. Landflucht kann auch eine Tragödie sein.
Hannover 96
Wer hätte gedacht, dass sich die Zukunft der Liga in Hannover entscheiden würde? Präsi Kind hat zwar den Übernahmeantrag für die 50+1-Ausnahmeregelung vorerst zurückgezogen. Er dürfte damit einer Niederlage im letzten Moment von der Schippe gesprungen sein. Doch wer dievKommerzialisierungsschraube im Blick hat weiß, dass der 96-Präsi nur die Werkzeuge wechselt. In Christian Seifert weiß er einen Freund im Geiste an wichtigster Stelle. Bleibt spannend an der Leine.
Borussia Mönchengladbach
Gladbach ist aktuell einer der wenigen Clubs mit dürftigem Hollywood-Faktor. Die Fohlen haben Grippe. Vorne im Sturm geht wenig. Allein aus Hazards starkem Ego könnte ein veritables Ein-Mann-Stück werden. Ansonsten bleibt Gladbach so langweilig wie Interviews mit Dieter Hecking. Ausbaufähig.
1. FC Köln
Traditionell bester Hollywood-Faktor in Kölle. Nicht nur am Rosenmontag. Nur drei Punkte bis tief in die Vorrunde hinein forderten Manager- und Trainerwechsel. Und jetzt wo der Hoffnungsschimmer leuchtet, rebellieren die Fans. Vier Tage vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund adressierte der Fan-Dachverband Südkurve 1. FC Köln ein offenes Schreiben an den Vereinsvorstand. Die Fans bangen offenbar um ihr Image als schwierigste Fans der Liga. Doch die Oscar-Jury beruhigt: Keine Zweifel notwendig.
FC Augsburg
Puh... Hollywoodtechnisch sind die Augsburger das Sorgenkind der Liga. Sportlich läuft's wie geschmiert. Die Mannschaft ist intakt. Das Umfeld bleibt ruhig. Die bittere Wahrheit: Von der Augsburger Puppenkiste bis Hollywood ist ein langer, steiniger Weg.
SC Freiburg
Oscar-Nominierung für den besten Hauptdarsteller: Christian Streich. Mega-Performance - auch wenn er mit dieser sprachlichen Ausdrucksweise nur wenig anfangen kann, wie diese kurze Szene beweist.
Wer nach Hollywood-Gesichtspunkten die Nase am feinsten gepudert hat, möchte ich an dieser Stelle nicht entscheiden. Die Fans sind sich sicher: Dümmer als der eigene Verein geht's kaum. Wie groß die Verzweiflung ist lässt sich an den Bayern erkennen, wo selbst das Jupp-Flehen des Herrn Hoeneß keinen interessiert. Thomas Müller meinte zurecht, das würde nur passieren, dass die Presse was zum Schreiben hat. Aber unter uns: Interessiert das wirklich? Was Hollywood betrifft, wurden die Bayern bereits mehrfach überholt.