Die Krise der Gegenwart.

Nein, mit diesem philosophischen Titel ist nicht gemeint, dass der Bulletinschreiber einen Bad-Hair-Day erwischt hat. Was wirklich dahinter steckt, darüber informiert das prophetische Bulletin des 29. Spieltags auf dem Portal für die wichtigen Fragen der Zeit.

Hat eigentlich jemand mitbekommen, was an diesem Spieltag in den Stadien los war? Ich frage das nicht, weil die Mannschaft, die unten stehen, verloren haben, und die die in der Mitte oder oben stehen, prompt gewonnen. Ich frage das, weil unter der Woche erstmal Klopp ging, und vor einigen Stunden die allseits erwartete Meldung kam, dass Tuchel Schwarz-Gelb übernimmt. Und dann ging ja nicht nur Klopp, der alten haartransplantierten Schönling. Auch die Bayern müssen auf einen Ewighübschen verzichten. Im Duell der Beaus gewann der junge Guardiola gegen den bereits etwas vorgerückten Müller mit Wohlfahrt. Und alle Welt fragt sich: Wie geht es weiter? Mit Dortmund, mit Tuchel und mit den verletzten Bayern?

Es war eine Woche, die symptomatisch war. Wen interessiert schon die Gegenwart auf dem Platz? Nächste Saison, die Zukunft, was kommen wird, darüber wird berichtet, in den Medien, in der FAZ, SZ und Welt, darüber wird diskutiert im intellektuell deutlich tiefergelegten Fußballstammtisch und auf sky90, und nächste Woche in allen Büros, in denen nur ein Kollege sitzt, der sich für Fußball interessiert. Also überall. Auch das Dortmunder Fachforum „Dortmunderisch“ meldet sich zu Wort und formulierte den gut gemeinten Rat: „Tuchel kommt getz also nach uns hin! Da muss dann abba für im Sommer nowatt am Namen dran woll? Sonn Dortmunderischen Spoiler weiße! Wie wärs mit Tuchelowski?“ Dass der BVB einen schönen Heimsieg einfuhr gegen Paderborn, war ihnen derweil völlig egal. Halten wir also fest: die Gegenwart steckt in einer Formkrise. Nur die Zukunft interessiert. Und die beginnt frühstens in der nächsten Saison.

Im Prinzip ist es die erste Ableitung der Herbergerischen Erkenntnis, wonach die Leute nur deshalb zum Fußballspiel gegen, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Im Fußball hat das Futur II die Herrschaft übernommen. Die Leute schauen und lesen über Fußball, nicht weil sie an dieser Saison interessiert sind, sondern weil sie bereits wissen wollen, wie die nächste ausgeht. Dabei wäre es doch gar nicht so verkehrt, in die Vergangenheit zu schauen, wenn man wissen will, wie die Zukunft wird. Beispiel HSV. Beispiel VfB. Immer wieder kommen dieselben Trainer. Dem Vernehmen nach sorgen sich die Hamburger Spieler bereits mehr um ihre Frauen und Freundinnen als um den Klassenerhalt. In Stuttgart hat man derlei Sorgen nicht. Zorniger ist erstmal kein Name, der für große Attraktivität steht. Im Gegenteil. Nach dem die Fans schon immer zorniger werden, finden viele, sollte auch mal der Trainer nachziehen. Und das ist auch: Gut so. Aus Sicht des VfB. In den bisherigen Kommentaren zum neuen Trainer ist mir bisher allerdings die Bedeutung des namensgebenden Zorns etwas zu kurz gekommen zu sein. In letztgültiger Richtigkeit hat ihn, den Zorn, Günter Schramm schon vor Jahren erklärt. Man kann Schramm in seiner Vollkommenheit nichts hinzufügen, außer dieses Video.

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Bemerkenswert an der Gegenwart, und um die Aufbereitung dieser fühlt sich das Bulletin schließlich verpflichtet, ist vor allem die prophetische Tabelle. Denn zutreffend ist auch folgendes: All die genannten Instanzen, FAZ, taz, SZ, Gott, die Welt, Doppelpass und sky90 kümmern sich zwar rührend um die Zukunft und behaupten, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen, aber geht von all denen einer mal in die Fehleranalyse? Niemand. Nein, würden sich die dortigen Experten etwas genauer festlegen, sie würden nur überprüfbar und würden ihren Expertenstatus aufs Äußerste gefährden. Darum, so meine abschließende These, sind die Propheten in ihrer Gesamtheit, aber auch jeder Einzelne, diesen selbsternannten Gescheitschwätzern himmelhoch überlegen. Weil sie sich stellen, weil sie eine Überprüfung ihrer Vorhersage zulassen, sogar: weil sie damit zugeben, dass man sich trotz großer Expertise auch einmal täuschen kann. Das ist groß, aller Ehren wert und kann nicht lange genug lobend besungen werden. Was allerdings für manche überraschend kommt: In der prophetischen Tabelle hat Goerg Graß plötzlich die Führung übernommen. Und wie! 120 Punkte hat er auf seinem Konto, weil er von den paar Veränderungen, die in der Bundesligatabelle statt fanden ausahmslos profitieren konnte. Dagegen hat der von mir kürzlich so hoch eingeschätzte Prophet Marvin Burmester überraschenderweise einige Punkte eingebüßt, vor ihm rangiert noch Jens Nauer neu auf Platz 2. Was auffällig ist: Die Zahl der Volltreffer ist durch die gesamte Tabelle hindurch relativ mager. Auf einmal, gegen Ende der Saison, werden die Zahlen an dieser Stelle verschwindent klein. Warum nur? Ich muss zugeben. Ich habe keine Ahnung. Man sieht daran: Die Gegenwart steckt in einer Krise.