Überall kann Schottland sein.

Wer sind die ersten Anwärter auf den Ehrentitel "die Schotten Deutschlands"? Überraschenderweise nicht die Schwaben.

In Britannien fiel das Sommerloch ins Wasser. Nicht das Wetter ist gemeint, sondern das große Thema Schottland. Vielleicht werden wir United Kingdom bald mit Klein-Britannien übersetzen. Das debattierfreudige Rock-Volk hat das Sommerloch final ausgefüllt. In anderen Jahren schaute ein schlangenähnliches Ungetüm aus dem Sommerloch Ness, unscharf und verschwommen zwar, trotzdem seiten- und auflagenfüllend. In diesem Jahr haben sich die Schotten dem englischen Monster gewidmet. Team Buckingham gegen Team Schottland. mag es auch als Schnapsidee angefangen haben, nächsten Donnerstag wird’s ernst: Sie stimmen tatsächlich über ihre Unabhängigkeit ab.

Fußballersich kann uns dies allerdings kalt lassen. Schon lange spielen sie in ihrer eigenen Liga. Auch das Nationalteam kämpft seit Gründung der FiFA unter den ureigenen Farben. Auf dem Platz wird alles bleiben wie es ist. Es scheint mir allerdings interessant, welche Vorbildfunktion von den Schotten ausgeht. Damit meine ich nicht Gibraltar, Färoer oder andere Kleinstaaten, die nur Österreich gefährlich werden können. Ich meine beispielsweise die Katalanen. Pep Guardiola hatte sich im Sommer auf einer entsprechenden Kundgebung sehen lassen. Fußballerisch würde diese Unabhängigkeit manches verändern. Mit Katalonien, bei dem ich mir nie merken kann, ob es nicht doch Katalanien heißt, würde eine neue Macht entstehen. Mit einem starken Nationalteam, aber einer gähnend langweiligen Liga. Barca. Pause. Dann lange nix. Hauptkonkurrent wäre Español Barcelona. Doch im Falle der Unabhängigkeit scheint es fraglich, ob der zweite Verein aus Barcelona überhaupt noch tragbar wäre. Vermutlich sollte er umfirmieren. Die kata-dingsda Liga wäre doch arg unattraktiv. Was wiederum das große Barca ins Mark treffen würde. Ausverkauft wäre das Nuo Camp selten.

Troye Zuschauer.

Beim FC Bayern macht man sich derlei Sorgen nicht. Dort werden dauerkartenbesitzenden Zuschauer schon jetzt mit rigider Gewalt ins Stadion gezwungen. Wer mehr als acht Mal fehlt pro Saison, muss mit Kartenentzug für die nächste Spielzeit rechnen. Am gepflegten Ballbesitzfußball kann es nicht liegen, dass der Besuch zu wünschen übrig lässt. Am Erfolg auch nicht. Aufschluss erhielt ich von meiner Verwandtschaft. Mein Vetter ist Bayern-Fan. (Im Grunde ein schlimmer Satz, nicht wahr?) Trotzdem reden wir miteinander. Er behauptet, die Stimmung in der Allianz Arena wäre schlechter als in anderen Stadien. Weniger euphorisch. Eher wie Oper. Es ist sicherlich ein Unterschied, ob man zum Fußball geht - und sich im Falle eines Sieges freut. Oder ob man hingeht - und im Falle eines Sieges mit dem Achseln zuckt, weil man kein anderes Ergebnis erwartet hatte. Wie Oper, da weiß das Publikum auch schon vorher, was beim Schlussvorhang passiert. Dass Bayern ein Bundesliga-Heimspiel verliert, passiert so oft, wie Nessi im Strafraum von Manuel Neuer auftaucht. Kann man auch zu Hause bleiben, denkt sich vielleicht mancher Bayern-Fan. Als VfB-Dauerkartenbesitzer liegt die Idee des Zu-Hause-Blieben übrigens auch sehr nahe, das möchte ich nicht verschweigen, wenn auch aus anderem Grund. Aber man geht trotzdem hin, weil man auf die Ausnahme von der Regel hofft. (Sie tritt nie ein). In München muss man die Ausnahme von der Regel fürchten (Sie tritt gar nie ein.)

Dass treue Vereinsmitgliedern, die weniger treue Dauerkartenbesitzer sind, nun mit Kartenentzug bestraft werden, das sorgt nicht nur in München für Wirbel. Laut AGB dürfen die Münchner das, obwohl manche Rechtsanwälte das anderes sehen. In der Presse wird der Fall eines Aschaffenburger Jungen zitiert. Er sei von klein auf ein glühender Bayern-Fan, wird geschrieben. Hätte er von seinen Eltern geerbt, die Bayern-Liebe. Von denen wurde er jahrelang alle 14 Tage mit ins Stadion genommen. Immer. Immer. Jahr um Jahr wurde die Dauerkarte im Sinne der Bayern verwendet. Bis auf die letzte Saison. Da stand der Filius vor dem Schulabschluss, und weil’s um die Zukunft ging, gab es Wichtigeres als der Besuch der 300 km entfernten Arena. Das Fall sollte wohl exemplarisch darstellen, wie herzlos ein solcher Karten-Entzug sei. Wie tragisch das Schicksal dahinter sein kann.

Vor-schulische Kenntnisse.

Ich gebe zu: Mein Herz wurde nicht berührt. Überhaupt nicht. Ich meine: Bayern-Fan wird man freiwillig. Auch in jungen Jahren. Wenn man weiß, was Bayern ist, weiß man auch, wo München liegt. Dafür braucht man keinen Erdkundeunterricht. Das ist schon vor der ersten Klasse bekannt. Ich will damit sagen: Der junge Aschaffenburger ist im Sinne der Fanfrage absolut mündig gewesen. Mein Mitleid hält sich auch deshalb in Grenzen, weil er es auch dem Schulhof immer schon leichter gehabt hat. In diesem Alter sind Siege das einzige Argument. Nichts anderes zählt. Ätschbätsch. Dafür haben es auswärtige Bayernfans beim Stadionbesuch etwas schwerer. Was diesen Punkt betrifft, vertrete ich einen altmodische Haltung: Wer Fußballfan wird, so meine ich, sollte vor der eigenen Haustüre anfangen. Dieser Grundsatz mag zwar altmodisch sein, aber edel. Support your own Club, da sind sich sogar Engländer und Schotten einig. Wer meint, er müsse sein fußballerisches Herz einige hundert Kilometer weg werfen, muss eben die Konsequenzen tragen. Natürlich kann man prinzipiell nichts dagegen sagen, wenn jemand unseren Mia-san-Vorzeigeklub unterstützt. Aber Mitleid für Dauerkartenentzug gibt’s eben auch nicht. Wenn ich Glück habe, ernte ich dafür sogar Applaus der Bayern-Fans unter den Propheten.

So scheint es eine Frage der Zeit, wann Bayern darauf kommt, dass eine Unabhängigkeit für den Freistaat eine zeitgemäße Maßnahme wäre. Wirksam nicht nur gegen das Smmerloch. Freistaat - das sagt doch bereits das Wort! Wer genau hinschaut, entdeckt in der Maut-Debatte den heimlichen Vorboten des Freiheitsstrebens. Doch ich gebe zu, mit der Zeit fand ich die Daily-Maut-Soap arg monothematisch. So 'ne echte Unabhängigkeitsdebatte, das wär’s doch! Politisch würd sich soviel gar nicht ändern. Die CSU macht sowieso was sie will – also meistens andersrum als die sogenannte Muttipartei. Wie bei den Schotten würde ein großer Teil des Isarstaates ein unabhängiges Bayern mit Schuhplattler beklatschen. Praktisch angeborener Reflex. Auch aus Restdeutschland würde kein nennenswerter Widerstand kommen. Und auch fußballerisch würde vieles beim Alten bleiben. Aus dem sport1-Doppelpass weiß ich, dass die Bayern sowieso in einer eigenen Liga spielen. Nicht nur am Stammtisch, auch in der Allianz-Arena würde sich wenig ändern. Bayern gewinnt. Nur dem Rest der Liga käme ein Spiel abhanden. Punktemäßig wäre das nicht so schlimm. Übrigens: Drei Klassen tiefer war es der bayrische Fußballverband, der die Reform der Regionalligen ins Rollen gebracht hatte. Sie wollten endlich wieder eine eigene Bayernliga. Ich will damit sagen: Die fußballerischen Unabhängigkeitstendenzen sind durchaus vorhanden. Und auch der bayrische Nationaltrainer Pep Guardiola scheint sich mit Unabhängigkeitsfragen auszukennen.

Was mich betrifft, möchte ich klar betonen: Ich bleibe entschlossener Verfechter der deutsch-bayrischen Einheit. Und ich bin auch bereit, den Preis dafür zu zahlen: 6 Punkte pro Saison. Regelmäßig. Schließlich denke ich nicht nur an München, sondern auch an Nürnberg, Augsburg sowie die Propheten Peter Brenner, Uli Bayer, Jens Kossian, Thomas Bruker, Markus Hammann und Alexander Grullini. Diese Plattform angewiesen auf Menschen, die wissen, wie sich ein Triple-Sieg anfühlt.

Was ist eigentlich das Gegenteil von Sommerloch? Die Propheten-Tabelle!

Prophetische Tendenzen.

Wie üblich am Beginn der Saison geht es drunter und drüber. Doch ich denke: Ganz schön langsam, nach dem dritten Spieltag, kann man erste Tendenzen ablesen. Trends, die eine kleine Chancen haben, den Spieltag zu überleben. Von oben grüßt Lee Kienle. Dem Rock-Experten aus dem Stuttgarter Vorort Plieningen kommt seine Aversion gegen den VfB zu Gute. Diesen hat er glatt auf den letzten Platz gesetzt - und liegt damit dicht an der Wahrheit. Auch Schalke hat der bekennende Radikal-Prophet durchaus realistisch eingeschätzt. Platz 17 für die Königsblauen – dieses Direkt-Abstiegsduo muss man erst mal so tippen. Die Belohnung: Platz 1 in der prophetischen Tabelle am 3. Spieltag. Auch wenn mancher Prophet einwenden mag, dass sich das noch verändern wird. Für diesen Einwand zahle ich einige Euro ins virtuelle Phrasenschwein. Vize-Prophet am 3. Spieltag ist Niklas Borrelli. Das freut mich besonders, das darf ich zugeben. In der letzten Saison war Niklas schon dabei, allerdings als familiärer Berater von Peter Hein. Ich fürchtete schon, dass Prophet Hein zu wenig auf seinen Berater gehört hatte. Das scheint sich nun zu bewahrheiten. Den vorläufigen Platz 2 gönne ich Prophet Borrelli von Herzen. Ich stelle fest: Peter Hein rangiert auf Platz 64. Eine Feststellung mit Verfallsdatum. Kein Kommentar. Nicht, dass ich falsch verstanden werde.

Platz 3 nimmt Martin Treek ein. Prophet Treek, der Paderborn-Fan. Mir scheint, er hat die perfekte Welle erwischt. Ich könnte neidisch werden. Nein, ich BIN neidisch. Schließlich will ich noch Platz 4 besonders würdigen. Prophet Peter Brenner, aufrechter Bayern-Fan in andersdenkender Familie, hat nicht nur den 2:0-Sieg gegen den VfB als Rückenwind, sondern auch eine ambitionierte Propheten-Platzierung. Als Bulletinschreiber verneige ich mich besonders tief. Und gratulierte herzlich zum tollen Ergebnis am Wochenende. Falls jemand ein leises Knirschen vernimmt, es sind nicht meine Zähne.

Schließlich möchte ich mich bei Bremern und Leverkusenern entschuldig, für die schlimmste Themenauslassung des Jahres. Der Kick letzten Freitag war legendär. Ich freue mich für beide Mannschaften und für jeden, der das Spiel gesehen hat. Und ganz zum Schluß noch eine positive Bemerkung zum VfB (echt!). Das Stadionlied Troy von den Fanta4 ist die erste korrekte Marketingmaßnahme dieser Kampagne. So kann man den altwürttembergischen Mist tatsächlich ertragen. Weiter so.