Die Zukunft des Fußballs

Ein Blick in die Zukunft des Fußballs oder auf das, was von ihm in Zukunft noch übrig bleiben wird...

"Wir schreiben das Jahr 2026, Sternzeit 95884,06, das Eröffnungsspiel der WM 2026 findet heute am 12. Juni in Montreal, Kanada, statt. Gemeinsam mit den USA und Mexiko hatte Kanada bei der Vergabe der WM einst den Zuschlag bekommen. Mexiko stieg nach einem Jahr bereits wieder aus, da dem Land die Finanzierung unmöglich erschien. Das war weise vorausgedacht, denn die Mexikaner waren damals wie heute nicht dazu in der Lage, die Raten für ihre bereits 2018 fertig gestellte, 480 Milliarden Dollar teure und rund 14 Meter hohe Grenzmauer an die USA zu zahlen. Aber das ist ein anderes Thema."

Dieser Log-Bucheintrag beamt uns in eine Zukunft, die ich mir nicht so recht vorzustellen vermag. Beim Eröffnungsspiel der WM 2026 erwarte ich vermutlich sehnsüchtig das nahende Rentenalter, falls ich dann überhaupt noch unter den Lebenden weile. Sollte das so sein, weiß ich eines schon heute gewiss: Ich werde keines dieser WM-Spiele auch nur mit dem Arsch angucken. Der langsame Tod des klassischen Fußballs wird bereits vier Jahre vorher seinen Anfang genommen haben, bei der WM 2022 in Katar, die als erste Fußball-WM fast ohne Fans in die Geschichte eingehen wird. Doch bleiben wir in der Gegenwart.

Die Fifa rechnet aktuell für die nächstjährige WM 2018 in Russland mit einem Erlös von etwa 3,3 Milliarden Euro. Fifa-Päsident Infantino erhofft sich durch die Aufstockung der Teilnehmer auf 48 Länder im Jahr 2026 dann eine Steigerung des Erlöses um weitere etwa 650 Millionen Euro. Dieser Glaube an das grenzenlose Wachstum wird den Sport zerstören. Der Fußball lebt von seinen Fans und vor allem von ihrem Geld, das sie bereit sind, für ihren Lieblingssport auszugeben. Ich wage die Prognose, dass sie sich bereits nach der Russland-WM in Scharen entsetzt diesem Zirkus verweigern werden, spätestens jedoch nach der WM in Katar. Das ist auch eine Generationen-Frage.

Die Zukunft des Fußballs liegt als Zielgruppe 2026 in den Händen der Fans, die heute der Teenager-Generation der E-Kids angehören. Werden sie bereit sein, Geld dafür zu bezahlen und nach Kanada oder sonst wohin fliegen, um ihr Land im Wettstreit gegen Trinidad oder Thailand bei einer WM anzuschauen? Oder auch nur im Fernsehen? Werden sie überhaupt in irgendein Stadion gehen? Die E-Kids werden den Teufel tun. Fußball gucken im Stadion wird dann so etwas von 2016 sein! Schon heute spielen viele E-Kids Fußball viel lieber mit einer Spielkonsole als sich selbst auf dem Platz abzurackern oder anderen dabei zuzuschauen. Kein Wunder, denn das Erfolgserlebnis beim Torschuss wird elektronisch garantiert. Es gibt bereits E-Sport-Events im Internet und auch im TV, bei denen der virtuelle Fußball pro Spiel mehr Zuschauer bzw. E-Sportler interessiert als jemals bei einer gesamten WM Spiele live im Stadion angeschaut haben.

Die ältere Fan-Generation gruselt sich davor, doch die Zukunft des Fußballs liegt offensichtlich im E-Sport. Auf Schalke und in Wolfsburg gibt es bereits E-Sport-Mannschaften, die mit einem Computerspiel an Meisterschaften teilnehmen, national in Europa und weltweit. Ohne Witz, es werden bei solchen Turnieren Preisgelder in siebenstelliger Höhe ausgelobt und die Vereine verpflichten E-Fußballer mit Profi-Verträgen, so wie im echten Fußball-Leben. Die veranstalten sogar Autogramm-Stunden für ihre Fans. Da sich damit mittlerweile auch Geld verdienen lässt, werden andere Vereine sehr bald folgen. Das deutsche E-Sport-Unternehmen Turtle Entertainment veranstaltet dazu etwa im "echten" Fußball-Stadion der Frankfurter Eintracht häufig Events mit mehreren Zehntausend Besuchern, die auf Leinwänden die Spielkunst der E-Sportprofis mitverfolgen. Echt krass, würde mein Neffe vermutlich sagen, wenn er das Fifa-Computerspiel nicht selbst absolut cool finden würde.

Die Umsätze bei der Vermarktung des E-Sports schicken sich gerade an, den Handball-, den Basketball- und den Eishockey-Sport hinter sich zu lassen. Aktuell sind es laut einer Studie von Deloitte in Deutschland bereits 50 Millionen Euro beim E-Sport und bei einem schnellen Wachstum von 30 Prozent jährlich sollen es 2020 bereits etwa 130 Millionen sein. Sky und Sport1 haben bereits auf den Trend reagiert und übertragen E-Sport-Turniere schon live. Noch umsonst, doch wenn dafür Gebühren fällig werden sollten, dann werden die Umsätze durch die Decke gehen. Das Potenzial ist riesig. Wer Geld risikolos anlegen möchte, ist in dieser Branche goldrichtig (Provisionen für diesen Investment-Tipp werden dankend angenommen).

Was kann der "echte" Fußball tun, um diesem Trend entgegenzusteuern? Und er muss was tun. Irgendwann wird es den E-Kids ja egal sein, ob sie mit ihrer Konsole gerade Thomas Müller und Mario Götze über den virtuellen Rasen schicken oder irgendeinen realitätsfernen Fantasie-Charakter, der etwas interessanter daherkommt. Goalinator, Torminator und Defenderos oder so, könnten diese vielleicht heißen. Die Spielzeugindustrie würde Hurra schreien. Die einzige Chance besteht vermutlich darin, den klassischen Fußball etwas aufzupimpen und für die junge Generation interessanter zu machen. Mit so etwas wie einer Hybrid-Version von virtuell und echt. Die technischen Möglichkeiten im Bereich Virtual Reality sind ja bereits vorhanden. Es mangelt nur noch an der Konnektivität der echten Fußballer. Doch auch das ließe sich mit ein paar Chip-Implantierungen, Ohrmuschel-Antennen und etwas subkutaner Verkabelung wahrscheinlich schnell beheben. Letztere fiele bei den vielen Tätowierungen ja ohnehin kaum auf.

Man stelle sich vor: Alle Fußballer auf dem Feld sind miteinander vernetzt. So wie bei den Einparkhilfen eines Autos scannen Sensoren in Trikot, Stutzen und Schuhen in Echtzeit die komplette Umgebung ab, die Position eines jeden Spielers und die des Balles sowieso. Wie beim Schwarmverhalten der Fische, möglich durch ihr Seitenlinienorgan, weiß jeder Spieler immer genau, wo sich die anderen Spieler befinden und was sie tun oder wohin sie gerade unterwegs sind. Auch wenn er sie gerade nicht sieht. Hat bei einem Spieler der Sensor am Fuß den Ball am selbigen registriert, bekommt der Fußballer im Bruchteil einer Sekunde die Daten und Koordinaten für den optimalen Pass oder Schuss auf eine Virtual-Reality-Kontaktlinse geschickt, mit denen er Zieloptik-unterstützt seinen Schussfuß einjustieren kann. So macht er kaum noch Fehler. Will man diese komplett vermeiden, kann man die Spieler sogar in den Auto-Fußballer-Modus schalten. So vermeidet man Fouls und Handspiele vollständig. Verletzungen ebenso. Auch wenn das Spiel so dann nach dem Anstoß etwas einseitig verlaufen wird, man spart sich den Schiedsrichter und auch die Wett-Mafia wird es begrüßen.

Für die E-Sportler wird zusätzlich eine Bonus-Funktion eingebaut. Sie dürfen das echte Spiel bei Szenen mit ruhendem Ball, wie etwa bei einem Freistoß, Eckball oder Elfmeter, selbst von ihrer Konsole und von daheim aus beeinflussen. Gegen entsprechendes Entgelt. Dazu wird bei allen Spielern die komplette Beinmuskulatur mit Reizelektroden versehen, die es dank einer ausgeklügelten Software-Steuerung problemlos möglich machen, alle Spieler und deren Muskelfunktionen komplett fernzusteuern. Also so etwas wie E-Sport mit echten Fußballern oder ein Tippkick-Kicker ohne Stange im Schädel. Im Auto-Fußballer-Modus könnte man mit Replay sogar die Zeitlupenwiederholung live auf dem Platz machen. Dazu müsste man das Spiel zwar unterbrechen, doch das bringt andererseits kostbare Werbeminuten.

Allein der Lizenzverkauf von Ausrüstungen zum Fußballer-Aufpimpen und entsprechende Service-Verträge dürften der Fifa neben der entsprechenden Vermarktung insgesamt mehrere hundert Milliarden Euro jährlich einbringen. Und die kann man dann ganz innovativ etwa in die Entwicklung eines völlig neuen Systems investieren, das vollkommen auf menschliche Fußballer verzichtet und das Spielfeld komplett in ein Holo-Deck verwandelt. Und danach auch noch die Tribünen samt Zuschauern und dann... Game over! Beam me up, Scottie! Mir ist schlecht...

Ich kann nur hoffen, dass der Infantino diese Zeilen nicht liest. Die sind bei der Fifa so bekloppt und machen das irgendwann wirklich.