Dumm wie Brot

Suspendiert! Nun hat es VfL Bochums Kapitän Felix Bastians erwischt. Über den Unsinn des Suspendierens und was das mit dem Wilden Westen zu tun hat.

Felix Bastians war außer sich. Vor drei Wochen, vor dem Spiel des VfL Bochum beim Club in Nürnberg, fühlte sich beim Essen im Mannschaftshotel seine Zunge plötzlich pelzig an. Er leidet an einer schweren Allergie gegen Milchprodukte und kennt dieses Gefühl. Auf seine Frage, ob in seinem Essen etwa Butter enthalten sei, wusste die Bedienung keine Antwort. Hätte eh nichts genützt, denn Bastians spürte bereits die ersten Anzeichen eines anaphylaktischen Schocks, der bei Allergikern unter Umständen auch lebensbedrohlich sein kann. Als er die sportliche Leitung am Nachbartisch über diesen gesundheitlichen Zwischenfall in Kenntnis setzte, fiel seine Reaktion darauf in der Panik sehr unmissverständlich aus: "Brot kann schimmeln! Ihr könnt nichts!" Meint übersetzt: Ihr seid dumm wie Brot'!

Christian Hochstätter junior, Sohn und Praktikant des Bochumer Sportvorstands Hochstätter senior, versicherte Bastians noch, dass es sich nur um Butterersatz gehandelt habe, doch der Körper eines Lebensmittelallergikers lässt sich nicht so leicht täuschen. Schon gar nicht von einem Praktikanten. Und hat einer der Spieler eine ernsthafte Allergie auf bestimmte Nahrungsmittel, sollte man die Menü-Auswahl möglichst keinem Anfänger überlassen. Bastians hat die Allergie ja nicht erst seit gestern. Der Bochumer Kapitän hat den kleinen Butter-Anschlag auf sein Leben gut überstanden und entschuldigte sich nach der ersten Aufregung umgehend für seine harschen Worte. Alles wieder in Butter? Nö, genutzt hat's nichts. Bastians ist als gestandener Innenverteidiger alles andere als ein Milchbubi und hätte sich bestimmt auch mit pelziger Zunge als Kapitän und Vorbild in den Kampf gegen die Clubberer geschmissen. Durfte er aber nicht. Ein Christian Hochstätter lässt sich nicht mit Brot vergleichen. Nürnberg gewann 3-1!

Bochums Trainer Ismail Atalan, der erst zu Saisonbeginn von den Sportfreunden Lotte an die Ruhr gekommen war, widersetzte sich in der Woche danach Hochstätters Order, Felix Bastians bereits für das wichtige Spiel gegen Ingolstadt zu suspendieren. Eine charakterstarke Weigerung, aber mit Folgen. Vor ein paar Tagen entließ Hochstätter kurzerhand den Trainer und setzte mit dreiwöchiger Verzögerung endlich die geforderte Suspendierung des Kapitäns Bastians für zwei Wochen durch. Atalans Entlassung war ob der durchwachsenen Leistungen seiner Truppe zwar nur noch eine Frage der Zeit, kam in Tateinheit mit der Suspendierung Bastians jedoch überraschend. RevierSport kommentierte danach: "Was man sich beim VfL so alles leisten zu können glaubt, ist abenteuerlich. Und der unnötige Zwist zwischen Sportvorstand Christian Hochstätter und Abwehr-Routinier Felix Bastians erinnert schon fast an den Wilden Westen. Rauchende Colts an der Castroper Straße."

Wilder Westen trifft beim Suspendieren den Nagel auf dem Kopf. Das lateinische Wort "suspendieren" bedeutet wortwörtlich ins Deutsche übersetzt "aufhängen". Handball-Torhüter und Eishockeyspieler kennen das lateinische Wort bestens. Mit einem Suspensorium, zu Deutsch: Sackschutz, hängen sie ihre Familienjuwelen etwas höher und bringen sie so in Sicherheit. Das Aufhängen war ja die ultimative Strafe im Wilden Westen, für Viehdiebstahl und sonstige Ungezogenheiten. Bei der Disziplinierung vorlauter Fußballer verliert das Wort aber jeden Schrecken und erinnert eher daran, dass ein ungezogener Schüler zur Strafe vom Lehrer in die Ecke gestellt wird. Und dabei mussten schon schlimmere Worte gefallen sein als "Dumm wie Brot". Einen Fußballer wegen solcher verbaler Kinkerlitzchen zu suspendieren, ist dagegen tatsächlich das brotdümmste, was ein Sportvorstand wie Hochstätter in so einer Situation tun kann. Er schwächt das eigene, nun auch noch Trainer-lose Team an der empfindlichsten Abwehrstelle und der ohnehin überflüssige Disziplinierungsversuch wird dazu das genaue Gegenteil bewirken.

Wie albern Hochstätters Suspendierungs-Aktion aus arbeitsrechtlicher Sicht ist, wird ihm Felix Bastians Anwalt sicherlich in diesen Tagen erklären. Fußballer sind nun mal keine Leibeigenen sondern so etwas wie Angestellte, wenn auch verdammt gut bezahlt. Und im ganz normalen Arbeitsleben muss für die Suspendierung, auch Freistellung genannt, als Ultima Ratio zur Disziplinierung schon etwas Erhebliches wiederholt vorgefallen sein und das zuvor bereits durch diverse Abmahnungen sanktioniert. Als man vor Saisonbeginn, ein paar Kilometer weiter in Lüdenscheid-Nord, den wechselwilligen Ousmane Dembelé wegen Schwänzen des Trainings zur Strafe "aufgehängt" hatte, sprach Dr. Frank Rybak, Anwalt der Spielergewerkschaft VdV dazu im Kicker-Interview deutliche Worte...

"Eine Suspendierung muss immer begründet sein. Das ist nur dann der Fall, wenn schutzwürdige Belange des Arbeitgebers das Beschäftigungsinteresse des Spielers überwiegen. ... Als Beispiele für so etwas gelten eine "erhebliche Gefährdung für die Ordnung des Betriebes" oder die "Gefahr einer schwerwiegenden Vertragsverletzung". Wer das angekratzte Ego des Sportdirektors Hochstätter zu den "schutzwürdigen Belangen des Arbeitgebers" zählen möchte, soll die Suspendierung Bastians gern befürworten. Die Fans des VfL Bochum stellen sich vermutlich eher die Frage, ob nicht umgekehrt der gekränkte Hochstätter mit der Suspendierung des Kapitäns und Abwehrchefs die "schutzwürdigen Belange" seines Arbeitgebers berührt und für eine "erhebliche Gefährdung der Ordnung des Betriebes" gesorgt hat. Schließlich lautet das Betriebsziel: "Aufstieg!"

Und wie im wilden Fußballwesten üblich, werden die Bochum-Fans bei anhaltendem Misserfolg schon sehr bald auch Hochstätters Suspendierung fordern. Sowas kommt von sowas, ganz nach dem Motto des Clint Eastwood-Westerns: "Hang 'em high!"