Eibar.

Während die Presse schon die großen Krisen kommen sieht, kümmere ich mich das, was bleibt: Die schönen Geschichten aus den kleinen Klubs, beispielsweise Paderborn, Eibar und Freiburger FC.

Nicht nur Prophet Hannes Krauß-Caesar entwickelte während des Warmlaufens zur Liga eine gewisse Sympathie für den SC Paderborn 07. Ich schließe mich an. Der Verein hat zwar einen potenten Präsidenten und Sponsor, einen Herr Finke, der ein gleichnamiges Möbelhaus betreibt, trotzdem gehört der SCP nicht in die Reihe der neureichen Geld-Vereine. Im Gegenteil. Was Finke investiert, übersteigt keinen durchschnittlichen Drittliga-Etat. Paderborn ist ein echter Kleiner, ein Winzling, ungefähr das Gegenteil von Hoffenheim. Die haben vor kurzem einen Footbonauten eingerichtet, also eine futuristische Ballmaschine, die eine eigene Turnhalle braucht. In Paderborn trainiert man auf der Pader-Kampfbahn, einem Rasenplatz in der Nähe der Innenstadt. Die Spieler parken auf der Aschenbahn des Sportplatzes – oder nehmen ein Pader-Knöllchen in Kauf, weil sie den Kleinwagen in einer kleinen Innenstadtgasse abstellen. Die Trainingsausrüstung steht in einer alten Garage. Für die Kosten des Hoffenheimer Footbonauten bestreitet Paderborn eine ganze Bundesligaspielzeit. Pader-Trainer André Breitenreiter spricht im Zusammenhang mit seiner Mannschaft vom krassesten Außenseiter der Liga-Geschichte. Persönlich finde ich, dass er ein klein wenig übertreibt. Tasmania Berlin ist damals mehr aus sportpolitischen Gründen in die Liga gerutscht. Paderborn hat sich rein sportlich qualifiziert. Trotzdem stimmt das mit dem Außenseiter. Ich will ja auch keine Paderkorinthen kacken.

Darum freue ich mich besonders, dass auch die Propheten die neue Außenseiter-Anerkennung spiegeln. Zwei unserer Neuzugänge sind bekennende Pader-Fans: Martin Treek, Inhaber einer ACADEMY-Fahrschule in Bad Driburg hat schon immer zum SCP gehalten. Aber auch zu S04. Nein, das ist kein Konflikt. Hätte er schon vor 30 Jahren ahnen können, dass sich seine beiden Lieblinge eines Tages auf höchster Ebene begegnen? Sicherlich nicht. Im Moment stehen sogar seine lieben Paderborner vor seinen lieben Schalker. Welch eine Premiere! Dem zweiten bekennenden Paderborner geht es wohl ähnlich. Der Stuttgarter Matthias Berzel besitzt Paderborner Wurzeln, hat sich aber brav in Stuttgart eingefunden. Für welche Seite er die Daumen drückt, wenn der VfB gegen Paderborn spielt, das habe ich ihn allerdings nicht gefragt.

SD Eibar

Wer jetzt meint, Paderborn sei ein selten krasser Außenseiter in einer starken Liga, den bitte ich seinen Blick nach Spanien zu richten. Dort kickt, das steht erst seit dieser Woche fest, ein Verein namens SD Eibar in der Primera Division. Darüber freue ich mich fast noch mehr als über Paderborn. Ich erinnere mich gerne an ein ausführliches Groundhopping mit dem Propheten Cyrus Kathmann. Vor genau zehn Jahren tourten wir durch Spanien. Themenurlaub „Fußball und Wein“. Unsere erste Station war Terrassa, und irgendwie stellte sich Terrassa als großer Etikettenschwindel heraus. Es war nicht drin, was draufsteht. Terrassa, könnte man meinen, das hat viele positive Assoziationen, da sitzt man doch gern mal auf der Terrassa und gönnt sich ein Gläschen Wein in der untergehenden katalanischen Abendsonne, während man von fern das leise Rauschen des Meeres vernimmt. Und weil’s so schön rauschend ist, trinkt man noch eins mehr. Damit es besser rauscht.

Von wegen. Terrassa liegt am anderen Ende der Romantik-Scala. Eine triste Trabantenstadt im Speckgürtel von Barcelona. Entstanden in der Zeit, als jeder Spanier dachte, man müsse nur genau Appartements besitzen, dann wird man das Leben schon rumkriegen. Passend zur traurigen Architektur, gab es kaltes Wasser von oben, trübe war es schon vorher, jetzt zog auch noch ein schneidender Wind von den Hügeln herab. Die Zeit vor dem Zweitliga-Spiel vertrieben wir uns im hässlichsten Einkaufscenter, das wir je gesehen hatte, wenn man das Leonberger Leo-Center ausnimmt. Aber all das sollte sich lohnen, schließlich befand sich direkt gegenüber das Stadion, wo bald das Zweitligaspiel CD Terrassa gegen SD Eibar steigen sollte.

Wir erwarteten prickelnde Atmosphäre und ein heißes Match, das gewiss viele Fans aus Spaniens Norden anlocken würde. Es waren dann keine 1.000 Zuschauer. Fans davon vielleicht 100. 85 aus Terrassa und 15 aus Eibar. Es schüttete und zog so hundserbärmlich, dass uns die Hand am Schirm erfror. Wir standen in der Kurve der 15 Eibar-Fans. Also 17 Menschen in der gesamten Kurve. Ein Stimmungshooligan kämpfte allein gegen Regen und Tristesse an. Mit Slippers stand er hinter dem Tor in einer großen Pfütze und schlug ausdauernd mit der flachen Hand auf die Werbebande. Er war der einzige, dem der Regen nichts anhaben konnte. Die Ein-Mann-Stimmungsmaschine kämpfte gegen den Untergang. Aus sicherer Pfütze heraus. Doch vergebens: Eibar verlor mit 2:1. Seither sind wir Eibar-Fans.

Eibar, das brachten wir später in Erfahrung, ist ein winziges Kaff auf halber Strecke zwischen San Sebastian und Bilbao. Sein hervorstechendes architektonisches Merkmal ist die Autobahn, die die beiden baskischen Großstädte verbindet. Eibar war mehr als 15 Jahre Stammgast der Segunda, der zweiten spanischen Liga. Eine Leistung für ein Dorf, das gerade mal 27.000 Einwohner hat. Dann stieg Eibar ab. Selbst Prophet Kathmann verlor seine Basken aus den Augen. Plötzlich, letztes Jahr, entdecken wir Eibar wieder in der Segunda. Und jetzt der Aufstieg in die Primera, als Tabellenerster, trotz des geringsten Etats aller Segunda-Clubs (3,9 Mio.). Für den kleinen Dorfplatz hat die Liga eine Sondergenehmigung erteilt. Das Stadion fasst jetzt, mit zusätzlichen Stahlrohrtribünen, immerhin 6500 Plätze. Das Problem waren die Sicherheiten, die für die Primera hinterlegt werden mussten. Mit einer Art Crowdfunding wurden die Gelder zusammengetragen. Jetzt ist fast jeder aus Eibar am Klub beteiligt. Der Klub hat das geforderte Mindestvermögen von 2,1 Mio gestemmt.

Im virtuellen Außenseiterduell zwischen Eibar und Paderborn steht es inzwischen 1:0 für Eibar. Die Basken gewannen ihr Auftaktspiel im winzigen Stadion gegen den Lokal-Rivalen Real Sociedad San Sebastian mit 1:0. Eine Sensation! Real Sociedad spielte letztes Jahr immerhin Championsleague. Paderborn muss aufgrund eines dussligen Elfmeters in der letzten Minute der Nachspielzeit noch den Ausgleich gegen Mainz hinnehmen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Persönlich schätze ich die Pader-Chancen besser ein als die von Eibar. Am nächsten Spieltag muss Paderborn nach Hamburg. Eibar spielt bei Athletico Madrid. Mir scheint, Madrid könnte der schwerere Gegner sein.

Freiburger FC

Wenn man die Linie der kleinen Kult-Klubs von Eibar über Paderborn direkt ins Süddeutsche verlängert, landet man mitten in Freiburg. Nicht beim SC, sondern beim FFC, wohlgemerkt. Den gibt’s noch – und wie! Der deutsche Meister von 1907 spielt wieder in der Oberliga Baden-Württemberg. Im Sommer gelang der Aufstieg. Am Wochenende wurde der erste Punkt erkämpft, im Heimspiel gegen den favorisierten FV Ravensburg. Den vielleicht besten Kenner des FFC haben wir in dieser Saison unter den Propheten: Andreas Klein. Dem großen Altmeister FFC ist nur noch ein kleines Häuflein treu geblieben, irgendwann in den 80er-Jahren hat er entscheidend Boden verloren gegenüber dem aufstrebenden SC Freiburg. Prophet Andreas Klein hielt seinem FFC die Treue, und das ist gut so, Andreas arbeitet als Sportjournalist und schrieb auch in der Zeit, als es ganz schleicht um den FFC stand, munter gegen die Bedeutungslosigkeit des FFC an. Langsam wird sein Wirken belohnt: Oberliga, das ist aus FFC-Sicht ein Pfund. Ich drücke die Daumen, dass die Klasse gehalten werden kann. Auf den Freiburger Fußball-Experten traf ich bei Recherche im Walfisch, der kürzlich erwähnten Kult-Kneipe in der Freiburger Schwarzwaldstraße. Ich freute mich sehr, als ich ihn letzten Freitag unter den Propheten entdeckte. Und bereits am ersten Spieltag führt er die Tabelle an. Klasse! Herzlichen Glückwunsch zum Senkrechtstart, lieber Andreas Klein. Liebe Grüße in das Maul des Walfischs.