Der letzte Schrei: Die Hauptpreise der prophetischen Saison 14/15

Trommelwirbel. Die Hauptpreise sind eingetroffen. Einige halbsatirische Diagnosen zur Lage der Fußball-Nation mögen die Spannung erhöhen.

Absolute Saure-Gurken-Zeit für Sportberichterstatter, dieser Januar. Was aber auch bedeutet, dass sich jeder Fußballschaffende genau überlegen sollte, was er von sich gibt. Eine unbedachte Äußerung - und schon wird sie wochenlang breit getreten. Schlagzeilen sind eben Mangelware. Und dann auch noch der Ballon d'Or. Die Wahl zum Fußballer des Jahres ist im Grunde an Überflüssigkeit nicht mehr zu überbieten. Dieser bemühte FiFA-Selbstinszenierungsversuch namens „Ballon d’Or“ hat in den letzten 10 Jahren hierzulande niemanden interessiert. Wir Deutschen bekommen schon bei der Aussprache des Ballodor ein rotes Näschen, weil wir uns nie sicher sind, ob wir den Ballon hinten wie wie Hallo, Umgangston oder Balkong aussprechen sollen. In so fern dürfte Manuel Neuer glücklich sein, nur Dritter geworden zu sein. Dann muss er die hässliche Trophäe weder tragen noch aussprechen. Und trotzdem: Beschäftigungslose Sportberichterstatter hatten im Goldenen Ball ein Thema, womit sie es sich ersparen konnten, zwei Twitter-Nachrichten von Lukas Podolski auf ganze Kommentarspalten lang zu ziehen.

Selbst die schrecklichen Ereignisse von Paris konnten den Balkong d’Or nicht aus den Sportseiten verdrängen. Islam und Fußball – was in deutschen Kreisklassen passiert und integriert, das wäre gewiss berichtenswert. Aber das Einzige, worüber in diesem Zusammenhang berichtet wird, ist ein bedeutungsloses Trainingslager in Antalya. Ist ja auch Islam dort, wenigstens ein bißchen. Fußballberichterstatter tun sich schon immer schwer über die Seitenlinie hinausblicken. Für völkerverbindende und religionsübergreifende Maßnahmen ist sowieso die FiFA zuständig. Und der fällt nur eine Maßnahme ein: völkerübergreifende Korruption.

Lachen mit Matthias Sammer.

Wenigstens funktioniert der deutsche Sonderbeauftragte für Satire: Matthias Sammer, der bei Bayern nur so viel zu sagen hat, weil er aus seinen kompliziert gebauten Sätzen keinen Ausweg mehr findet, hat ausnahmesweise kurz und prägnant formuliert, dass es ihm gar nicht gepaßt hat, wie Lewandowski ausgerechnet Cristiano Ronaldo bei der Abstimmung zum Ballo d’Or gewählt hat – und nicht etwa Mannschaftskamerad Neuer. Respekt für diesen hochnotwitzigen Beitrag, lieber Matthias Sammer! In Zeiten, in denen ganz Mitteleuropa über das hohe Gut der Meinungsfreiheit diskutiert, bekräftigt Sammer die altbairische Meinungstradition, die da lautet: „Corpsgeist geht vor Meinungsfreiheit“. So geht man mit mündigen Mitarbeitern um, immer ein Spässeken auf den Lippen, der Sammer.

Deutschland sucht den Superstar.

Doch zurück zum guten Umgangston d’Or. Hier präsentiere ich eine weitere steile These: Wir sind Weltmeister geworden, weil wir eben keine Superstars in unseren Reihen haben. Nicht mal ein gesunder Schweinsteiger wäre ein Superstar. Ein Kroos, ein Götze, ein Özil oder ein anderer. Keine Chance auf Superstar. Deutschland sucht keine Superstars. Das ist bei RTL schon eine Lüge, und auf dem Fußballplatz gleich elfmal. Junge Fußballer bekommen die Starallüren aberzogen. Im Sinne der Mannschaft. Das mag man bedauern. Aber es ist Tatsache. Erinnern wir uns überhaupt an deutsche Superstars auf dem Rasen – oder wenigstens an Typen, die das Zeug dazu hatten? Nun, viele sind es nicht: Mario Basler, Ansgar Brinkmann, Lothar Matthäus, Stefan Effenberg, Bernd Schuster oder Kobra Wegmann wären auf meiner kurzen Vorschlagsliste. Sie konnten Spiele alleine entscheiden. Zwar nur wenn die Sonne günstig stand, aber immerhin. Doch allein der Versuch, das Schicksal der Mannschaft in die eigene Hand zu nehmen, lässt tief blicken. Den weißen Brasilianer ausgenommen, sind alle nicht die hellsten. Ergo: Intelligente Spieler entwickeln keine Superstar-Allüren. Sie spielen mannschaftsdienlich. Sie wollen nicht herausragen. Und das wiederum, ist der Grund, warum Jogi Löw Weltmeister geworden ist. Weil er intelligente Spieler hatte. Und keine Superstars.

Cristiano Ronaldo, Messi und Zlatan Ibrahimovic sind Superstars. Ja, genau das will ich damit gesagt haben...

Und falls ein Bundesligaspieler das Zeug hätte, superstargleich ein Spiel alleine zu entscheiden, dann werfen wir ihn besser raus. So geschehen in Gladbach, wo Systemtrainer Favre den einzig wahren Superstar, den wir in den letzten 10 Jahren in der Bundesliga bewundern durften, vor der Saison nach Mexico entsorgt hat. Juan Arango! Der große, der wundervolle, der unwiderstehliche Arango. Eigentlich ein Superstar. Doch für Favre untragbar. Zu Recht. Seine genialischen Momente nach vorne machen eben nur 10 von 90 Minuten eines Spieles aus. Von den anderen 80 Minuten, in denen Arango eigentlich mit den Favre-Ketten verschieben müsste, kriegt der Schweizer Trainer graue Haare. Drum zaubert Arango jetzt in Mexico. Irgendwie logisch. Aber auch unendlich schade. Irgendwie.

Wie gut, dass es das Bulletin gibt. In diesem Rahmen kann ich, kurz bevor ich den Hauptpreis ausloben werde, an den guten Arango-Superstar erinnern. Arango! Ich finde den nächsten adidas WM Ball sollte man nach ihm benennen. Nach dem "Jabulani" und dem "Brazuca" wäre ein "Arango" ein würdiger Nachfolger. Hier sein wundervolles Tor, welches er in Mexico einfach so erzielt hat. Aus dem September des letzten Jahres.

Die Hauptpreise: der letzte Schrei.

Nun aber schnell zum Hauptpreis der prophetischen Saison 14/15. Es ist ein Preis, der im Grunde unbezahlbar ist: ein Tor eines Superstars zur eigenen Verfügung! Also genau dieser Spielergattung, die in Deutschland nahezu ausgestorben ist. Genau: Die Preisträger erhalten in diesem Jahr ein Tor von Lionel Messi! Messi! Messi! Messi! Messi! Messi!

Messi!

Zugegeben, beim Balkong d'Or ist er nur Zweiter geworden. Aber er ist und bleibt der Größte. Er wirbelt durch Abwehrreihen, wie einst das Wuslon über den Bildschirm. Ein Großer. Ein ganz Großer.

Dementsprechend scheint ein Tor des Größten gerade ausreichend um den Saisongrößten aller Propheten zu ehren. Man kann das Tor übrigens genau dann einsetzen, wenn man es braucht. Also keine hässliche Trophäe. Nein, ees ist ein Preis, den man wirklich brauchen kann. Wer träumt von uns nicht davon, einen Messi dabei zu haben, der ein Tor genau in dem Moment erzielt, wenn man gerade hinten liegt und jetzt unbedingt einen genialen Moment von Lionel Messi gebrauchen kann. Diese Tor von Messi gibts als Preis. Zum Anfassen und Mitnehmen. Inklusive aller Verwertungsrechte. Weltweit. Zeitlich unbegrenzt. Buy-out und all das Zeugs inklusive. Im praktsichen Taschenformat.

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Ich freue mich jetzt schon auf die Siegerehrung. Ich bin mir sicher, zu diesem Anlass werden zahlreiche Messi-Tore fallen.

Wie inzwischen üblich noch einige abschließende Bemerkungen:

- Die Hauptpreise gibt es in Deutschland nicht mehr käuflich zu erwerben. Es sei denn, es erreicht ein weiterer argentinischer Container seinen Bestimmungsort Freiburg. Dort in der Fußballer-, äh, Fußgängerzone residiert der feine Laden dontcryforme. Er importiert kultige Fußballschuhe, deren Design in den 40er Jahren entworfen wurde. Meine Empfehlung. Auch Original argentinisches Quilmes-Bier gibt es dort.www.dontcryforme.deEr importiert auch Messi-Tore. Als Daumenkino.

- Die Version des "Schrei", den ich oben als Motto-Bild des Bulletins eingeklinkt habe, klaute ich bei meinem Freund Jan Zalonier. Ein fußballbegeisterter Illustrator aus der Schweiz, den ich in der Bierkurve der Winterthurer Schützenwiese kennen gelernt habe. Meine Empfehlung: www.spacerobot.ch

- Und weil man dieser Tage unbedingt Witze machen sollte, die ums Thema Religion kreisen, hier der Beweis, dass der Fußballgott ein Dortmunder ist.

- Hier etwas Harmloses, für alle Kreaturen, die keine Marder sind.

- Gerade hat ein Lieblingsturnier so mancher Propheten begonnen, der Afrika-Cup. Was aber nicht bedeuten soll, dass man den Asien-Cup, der passenderweise in Australien ausgetragen wird, einfach so vergessen soll. Eine besondere Höchstleistung gelang Tim Cahill. Ziemlich präzise, dieser Schuß.

- Und zuletzt nochmal Messi. Kaum schreib ich über ihn, erzielt er einen Hattrick. Hier alle Tore auf einer Seite.