Fußball-Zeitreise #40Jahre

An diesem Wochenende empfängt Borussia Dortmund den FC Bayern München. Das Dauer-Duell dieser Rivalen ist nun seit genau 40 Jahren ununterbrochen einer der Höhepunkte in jeder Saison. Und so fing alles an...

Es war einmal vor 40 Jahren, in den Siebzigern, in der Bundesliga. Borussia Mönchengladbachs Fohlenelf und die Bayern aus München dominierten weitgehend die Konkurrenz, bis dann am Ende des Jahrzehnts mit dem 1. FC Köln und dem HSV auch mal andere Vereine zum Zuge kamen. Der BVB spielte damals noch keine große Rolle. Er stieg erst 1976 nach vier Jahren Zweitklassigkeit wieder in die Bundesliga auf. Doch er macht seither dem Dauerrivalen FC Bayern das Leben schwer. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Und mit einem turbulenten Spiel am 2. Oktober 1976 fing alles an.

Auf dem Papier war das damals eine klare Sache. Der Aufsteiger aus Dortmund galt als Außenseiter, mit einigen Nobodys im Team, deren Namen erst später zu größerer Berühmtheit gelangen sollten. Vorneweg der Anstreicher aus Essen, Otto Rehhagel, der zu Saisonbeginn als Trainer verpflichtet wurde, nachdem er sich zuvor in Bremen und Berlin seine ersten Sporen verdient hatte. In der Abwehr war der gebürtige Münchner Helmut Nerlinger gesetzt, dessen in Dortmund geborener Sohn Christian später beim FC Bayern München dem Namen Nerlinger alle Ehre machte. Dazu sind die langzeitaktiven Manni Burgsmüller und Mirko Votava zu nennen. Burgsmüller, ein ausgebufftes Schlitzohr im Sturm, beendete seine Karriere erst 1990 im Alter von 40 Jahren bei Werder Bremen. 1996 holte er dann seine Kick-Stiefel wieder raus und hängte noch sechs Jahre als Kicker im American Football für Rheinfire dran. Mirko Votava machte erst 1998 im Alter von 42 Jahren Schluss, als Spielertrainer beim VfB Oldenburg. Votava hält zudem den Rekord als ältester Torschütze in der Bundesliga, mit seinem 1:2-Anschlusstreffer für Werder Bremen, erzielt 1996, im Spiel beim VfB Stuttgart. Damals war er exakt 40 Jahre, drei Monate und 29 Tage alt.

Die meisten heutigen Bundesliga-Profis haben dann in dem Alter vermutlich schon 'ne künstliche Hüfte und das zweite Dschungelcamp hinter sich. Neben diesen Legenden war 1976 etwa auch der Holländer Willi "Ente" Lippens bei Dortmund aktiv, jedoch bei besagtem Spiel verletzt. Dazu der Österreicher Bernd Krauss, der als Trainer weitaus bekannter wurde. Nicht zu vergessen Lothar Huber, der dem BVB noch heute als Platzwart die Treue hält und vorn im Sturm als Knipser, der dreimalige Nationalspieler Erwin Kostedde, der damals mit seinen 30 Jahren einer der Top-Torjäger der Liga war. Nach einigen Jahren im Ausland verschlug es ihn mit 35 Jahren dann noch zu Werder Bremen, wo er, wie auch Burgsmüller und Votava im fortgeschrittenen Alter, wieder auf seinen Trainer Otto Rehhagel traf. Bremen war also damals schon so etwas wie ein Gnadenhof für alternde Fußballstars. Bremens Manager Rudi Assauer kommentierte Kosteddes Transfer mit den Worten: "Bei uns braucht der Kostedde nicht mehr zu laufen, es genügt, wenn er im gegnerischen Strafraum steht und mit seinem Hintern noch Tore macht."

Zu den Spielern der Bayern im Jahr 1976 gibt es nicht allzu viel zu sagen, was selbst die jüngsten Fußball-Fans heute nicht schon längst wüssten. Jede Menge Weltmeister von 1974 waren dabei und dazu ein blutjunger Karl-Heinz Rummenigge, dessen Karriere in diesem Jahr so richtig Fahrt aufnahm. Bei den 74er-Weltmeistern Maier, Beckenbauer, Schwarzenbeck und Müller zeichnete sich dagegen bereits das Ende ihrer Karriere ab. Beckenbauer ging ein Jahr später zum Geld verdienen nach New York, nur wenig später gaben Sepp Maier und Gerd Müller auf. Einzig Katsche Schwarzenbeck hielt bis 1981 durch. Der beinharte Verteidiger, "halb Mensch, halb Stier" wie ihn mal ein holländischer Journalist beschrieb, eröffnete danach ein Schreibwarengeschäft und beim FC Bayern wurde ein umfassender Generationswechsel eingeläutet.

Doch zurück zum Spiel. Die Schwarz-Gelben liefen in ihren Traditionsfarben auf und das Trikot zierte das Logo ihres Sponsors "Samson", ein holländischer Produzent von Feinschnitt-Tabak für Selbstgedrehte. Für den wurde sogar das offizielle Vereinslogo geändert, mit dem Samson-Löwen im Zentrum. Und aufs offizielle Mannschaftsfoto musste der Löwe auch und zwar in echt, mit Zähnen und allem drum und dran. Sicherheitshalber haben sie einen ganz kleinen Löwen genommen und der Torhüter Horst Bertram musste ihn mit seinen Torwarthandschuhen im Zaum halten. Gemessen an der unlängst inszenierten Aufregung über die beiden Roten Bullen im Logo von RB Leipzig, an der auch Dortmunds Präsi Aki Watzke nicht ganz unbeteiligt war, war die Sponsoren-Werbung im Vereins-Logo damals nicht groß der Rede wert. Selbstgedrehte Samson-Zigaretten waren allgemein und auch bei den Fußballern vermutlich etwa so populär, wie heute die Red-Bull-Brause. Cool eben. Watzke hat das vielleicht einfach vergessen. Und ob er 1976 mit einer Selbstgedrehten bei diesem Spitzenspiel zugeschaut hat, weiß nur er selbst. Auf jeden Fall hätte er daheim um Erlaubnis fragen müssen. Er war ja zu der Zeit gerade mal 17 Jahre alt.

Auf Bayerns Trikots mit den drei Streifen prangte der "adidas"-Schriftzug. Den hätte es nicht unbedingt gebraucht. Die drei Adidas-Streifen allein wurden 1976 bereits weltweit als Marken-Synonym angesehen. Großen Anteil daran hatten auch die WM 1974 sowie die zwei Jahre zuvor abgehaltenen Olympischen Spiele in München. Der Adidas-Gründer, Adolf "Adi" Dassler starb 1978 in Herzogenaurach, an der Geburtsstätte aller Adidas-Produkte sowie auch aller Produkte der Sportmarke "Puma", die Adis älterer Bruder Rudolf gegründet hatte. Da war mächtig was los, in diesem sportlichen, mittelfränkischen Kaff, in dem auch Lothar Matthäus geboren wurde. Aber den lassen wir lieber mal außen vor, um den Glanz dieser Sportmetropole nicht unnötig zu trüben.

In Sachen Sportbekleidung ganz unten rum hat sich in den letzten vierzig Jahren nicht viel geändert. Die Klassiker der Marke Adidas, sind heute noch beliebt. Auf dem Fußballplatz und auch dahinter. Das Modell Adidas "Samba" ist seit den fünfziger Jahren einer der Top-Seller und er wird auch heute bei der Hipster-Generation oder älteren Berufsjugendlichen, gern mit Punk-Hintergrund, noch sehr nachgefragt. Nur, dass man den Samba früher Turnschuh nannte und er heute nur noch Sneaker heißt. Die klassischen Adidas-Sporttaschen haben einen ähnlichen Wandel durchgemacht. Früher transportierten die praktischen, leicht zu reinigenden Umhängetaschen aus Kunststoff die verschwitzten Trainingsklamotten und heute sind sie ein begehrtes Mode-Accessoire, als Handtasche, mit reichlich Platz für allerhand Damen-Gerümpel, das so manche junge Frau von Welt heutzutage jederzeit und unverzichtbar mit sich führt.

Vor 40 Jahren war auch noch die Zeit, in der man sich weder in Dortmund noch in München allzu viele Gedanken über Spielsysteme machte. So nur mit Libero, Vorstopper, Läufern, Außen und zentralem Mittelstürmer usw. Raumdeckung gab's auch noch nicht, geschweige denn Vierer- und Dreierketten oder hängende Spitzen und Doppelsechser. Was nicht heißt, dass man in den Siebzigern nicht bereits über Modernisierungen nachgedacht hätte. Wie etwa das kollektive Verteidigen, bei dem auch der Stürmerreihe Pflichten in der Abwehrarbeit übertragen wurden. Was Spieler wie Gerd Müller naturgemäß eher nicht so dolle fanden. Das Spiel wurde allerorts nach dem Vorbild der erfolgreichen Gladbacher Fohlen immer laufintensiver und auch schneller. Neue, athletischere Spielertypen waren gefragt und die traditionelle Trainergeneration á la Sepp Herberger oder Helmut Schön und ihre Methoden hatten ausgedient. Dettmar Cramer, der 1976/77 die Münchener Bayern trainierte, wurde damals Fußball-Professor genannt und vom Kicker-Magazin zum Trainer des Jahres 1976 auserkoren. Seine ruhige und analytisch-nachdenkliche Art stieß in der Liga auf wenig Gegenliebe. Fast so wie bei Ralf Rangnick, dem der Boulevard ebenso geringschätzig vor einigen Jahren einen Professorentitel verliehen hatte. Der gebürtige Dortmunder Cramer verließ die Bayern 1977 als amtierender Europapokal- und Weltpokalsieger-Trainer aber auch eben nur als Vize-Meister. In München bedeutete das: Erfolglos auf ganzer Linie. Danach gings mit dem Verein zur Strafe erst mal steil bergab, bis auf Platz 12 am Ende der Saison 77/78. Ob's vielleicht an Bayerns neuem Trainer Gyula Lóránt gelegen hat? Wohl kaum. Der war auch so ein Reformer, der zuvor bei Eintracht Frankfurt und dann bei Bayern als Pionier versuchte, die Raumdeckung einzuführen. Zumindest in München resultierte das in der bis heute schlechtesten Tabellenplatzierung aller Zeiten und sie wurde erst Mal wieder ad acta gelegt, die Raumdeckung, so wie die Personalie Lóránt.

Dettmar Cramer war vor und nach seiner Zeit bei Bayern vor allem im Ausland als Trainer sehr erfolgreich, was ihm zwei echte Honorarprofessoren-Titel eintrug, dazu den Orden des Heiligen Schatzes dritter Klasse des japanischen Kaisers sowie die Häuptlingswürde ehrenhalber bei dem Mohikanern und den Sioux. Traumhafte Karriere. Damals waren die Trainer noch Respektpersonen und nicht "die Mülleimer von allen", wie Bruno Labbadia es 2012 mal auf den Punkt brachte. An dem besagten Tag vor 40 Jahren haben diese Auszeichnungen Chief Cramer nicht weitergeholfen: das Westfalenstadion war mit anwesenden 53.800 Kohlestaub-geschwärzten und ziemlich respektlosen Bleichgesichtern ausverkauft. Die gelbe Wand stand damals schon als 12. Mann. Das Kriegsgeheul war selbst in Bochum noch zu hören, erzählen Zeitzeugen glaubhaft. Und seither haben die Bayern immer wacklige Knie, wenn sie dorthin müssen.

Wer wissen will, wie das Spiel genau lief, der schaue sich diese Zusammenfassung an: http://bit.ly/2f42jS2 Und genieße etwas aus der Zeit, als es noch ganz unwichtig war, ob ein Spieler sich neue Tattoos zugelegt oder ob seine Freundin einen schönen Popo hat. Eine Zeit, als die Sportberichterstattung im Fernsehen tatsächlich noch eine solche war. Der Höhepunkt: das Doppel-Flugkopfballtor in der Schlussminute.