Geschichtenmaschine.

Fußball sei eine Geschichtenmaschine, behauptet Christoph Biermann. Das prophetische Bulletin des 14. Spieltags liefert Argumentationhilfen aus Südbaden.

„Fußball ist eine Produktionsmaschine von Geschichten“, stellt Christoph Biermann in einem Interview fest. Er muss es wissen. Persönlich halte ich Biermann für einen der wichtigsten Fußball-Autoren zwischen Elbe und Isar. „Wenn Du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen“, kündigte er schon vor Jahren auf einem Buchtitel an. Seine Besprechung der „Fußball-Matrix“ ist bis heute die beste Lektüre, wenn man sich über die Analyse des Geschehens auf dem Platz informieren möchte. Sein neuestes Werk hat Biermann während einer Heimreise verfasst. Er stöberte den Fußballgeschichten zwischen Herne und Essen, zwischen Oberhausen und Dortmund nach. „Wenn wir von Fußball träumen“, so der Titel, enthält wichtige Erkenntnisse. Es erklärt, warum der Fußball etwas so Übergreifendes geworden ist, warum uns der Fußball in zunehmendem Maße in Beschlag nimmt. All dies erklärt Biermann am Beispiel des Ruhrgebietes. Tatsächlich ein Heimspiel für den Fan des VfL Bochum und von Westfalia Herne. „Fußball füllt Lücken auf“, resumiert Biermann und meint damit, dass Fußball im strukturschwierigen Ruhrgebiet Identifikationslücken zu schüttet. Er ersetzt die verlorenengegangene Grubenromantik, die das Ruhrgebiet gefühlt zusammengehalten hat. Eine Romantik, bei der man schon von weitem erkennt, wie wenig schön sie war, wie staubig, wie freudlos bisweilen tödlich sie damals war.

Biermanns Erkenntnisse sind auch fußballerisch bemerkenswert. Er entzaubert beispielsweise den typischen Malocherfußball. In den Zeiten, in denen der Ruhrgebietsfußball erfolgreich war, stellt Biermann fest, wurde Fußball nicht gearbeitet, sondern in bewundernswerter Feinsinnigkeit gespielt. Schalker Kreisel ist das Stichwort. Das war keine Maloche, es handelte sich um hohe Kunst. Auch relativiert er den Aufstieg des Ruhrgebietsfußballs, in dem analysiert, dass man mit der Kumpelkameradschaft allein keine Spiele gewinnen konnte. Nur ein Beispiel von vielen, das Biermann anführt: Rot-Weiß Essen. Die Glanzzeit der Rotweißen, so Biermann, wurde nicht zuletzt durch die selbstlosen Gaben des Industriellen Melches ermöglicht. Der Abstieg der Essener begann, als die milden Melches-Gaben langsam knapper wurden. Biermann ist sich zu schade, RW Essen mit 1899 Hoffenheim zu vergleichen, weil man die Person Dietmar Hopp in vielen Dimensionen mit einem Melches von damals vergleichen kann. Was sich in der Kurzfassung so anhört, als wäre es möglicherweise weit hergeholt, gewinnt im glänzend recherchierten Buch doch deutlich an Plausibilität. Es ergeht meine dringende Lesempfehlung für Christoph Biermanns „Wenn wir von Fußball träumen“

Tatsächlich muss man vor den Autoren aus dem Ruhrgebiet den Hut ziehen. Frank Goosen, übrigens auch Bochum-Fan, lange Zeit sogar Mitglied des Aufsichtsrates des VfL, ist auf andere Art und Weise genau so lesenswert wie Biermann. Fachleute, die in der tristen Castroper Straße wohnen, halten seine letztgültige Ruhrgebietserkenntnis „Woanders ist auch Scheisse“ für die Quintessenz der Ruhr-Mentalität. Deutlich abraten möchte ich von der Lektüre eines gewissen Ben Redelings. Er bleibt literarisch wie inhaltlich doch deutlich hinter Biermann und Goosen zurück. Muss man nicht gelesen haben. Für Ruhr-Insider auch ganz nett: „111 Fußball-Orte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“ vom Kees Jaratz und Frank Baade. Baade kennt man als Blogger. Als Trainer Baade betreibt er einen feinen Blog, aus dem auch ich immer wieder schöne Insidergeschichten herauslesen kann.

Das Ruhrgebiet, so scheint es, ist fußballhistorisch glänzend aufgearbeitet. Im Falle meiner Heimat bin ich mir nicht so sicher. Also machte ich mich auf, auch einige Geschichten aufzuspüren. Das Freitagsabendspiel Dortmund gegen Hoffenheim konnte ich deshalb nicht verfolgen, weil ich zu Gast war, bei der langen Filmnacht des SV Heimbach in Südbaden. Baden ist zwar nicht ganz meine Heimat, aber wir in unserem Bundesland sind ja tolerant. Es gibt keine baden-Württemberger. Es gibt Badener und Schwaben. Aber inzwischen geht man friedlich miteinander um. Wenn nicht gerade ein Derby ansteht. Die Information, dass man in Heimbach viele Jahre auf einem Sportplatz spielten durfte, auf dem einen Telegraphenmasten stand, hatte mich neugierig gemacht.

Der Vorstand des SV Heimbach, Bruno Trenkle, erwähnte in seiner Eröffnungsrede sogar, dass ich mit meiner Neugier die Planungen einer langen Vereinsfilmnacht intensiviert hatte. Ich stand im Publikum und bin fast ein wenig rot anlgelaufen, vor Rührung. Im prall gefüllten Gemeindesaal des Dorfes konnte ich mich mit den Zeitzeugen Fritz Groß und Werner Disch unterhalten. Eine Art Podiumsdiskussion der besonderen Art, vor der verammelten Führungsspitze des SVH. Und tatsächlich: Bis Ende der 50er Jahre stand auf dem Sportplatz am See ein Telegraphenmast zwischen Strafraum und Mittellinie. Die Heimbacher Legenden Groß und Disch hatten noch einige Spielzeiten um den Mast gespielt. Es war eine große Freude für mich, mit den Beiden zu sprechen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich es trotzdem nicht zur Gewohnheit machen möchte, meine naseweisen Fragen in aller Öffentlichkeit zu stellen.

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Schlimmste Befürchtungen, etwa diejenige, dass TV Südbaden live meine Moderationsperformance live übertagen würde, bestätigten zum Glück nicht. Dankenswerterweise waren die Heimbacher sogar so freundlich für die Zeit meines Auftrittes zu ignorieren, dass ich einen schwäbischen Akzent besitze und eine schwäbische Murmeltruppe in der Vorwoche gegen Freiburg gewonnen hatte. Ich darf also alle Propheten, denen ich die überraschende Konstellation des Abends geschildert hatte, auf diesem Weg beruhigen. Tatsächlich kam mein Rechercheabend ohne größere Blamagen oder andere Merkwürdigkeiten aus – wenn man von den gezeigten Foto-Dokumenten des Heimbacher Schlachtfestes oder des Ballermann-Ausfluges der ersten Mannschaft absieht. Nachvollziehbarerweise hatte ich kein gesteigertes Interesse an diesen Fotografien. Stolz und glücklich bin ich jedoch die drei einzigen historischen Aufnahmen zu besitzen, die den legendären Telegraphenmasten zeigen. Ob es wohl im sagenumwobenen Ruhrgebiet einen Platz gegeben hat, der über eine vergleichbare Eigenart verfügte?

Hier meine Trophäe. Heimbacher Sportplatz am See, vermutlich aufgenommen im Jahr 1956.

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Aus der Geschichte schnell zurück in die ebenso aufgregende Gegenwart. Hier befindet sich die Tabellenführung in der Prophetenliga fest in der nordischer Hand. Der Bremer Andreas Wilkens, Gründervater und Schöpfer dieser Plattform, hat mit großem Verve die Tabellenführung übernommen. Wilkens demonstriert unter anderem, dass es nicht schädlich ist, wenn man sich bei Borussia Dortmund etwas vertan hat. Wilkens sah sie auf Meisterkurs – und führt trotzdem die prophetische Tabelle an. Wilkens Stärke ist zweifellos das Mittelfeld, also die Region von der die Experten schon lange behaupten, dass sich dort die Prophetenliga entscheidet. Siebter Frankfurt, Achter Hoffenheim, Neunter Mainz, Zehnter Augsburg, usw. – Wilkens Prophezeiung ist vor allem im Mittelfeld sehr nahe an der aktuellen Wahrheit. Ein absolut verdienter Tabellenführer in dieser Phase der Saison. Mit stattlichen 6 Punkten führt er plötzlich vor Prophet Peter Brenner, dem einzigen Süd-Vertreter unter den Top 4, die von Marvin Burmester und Jo Schulze vervollständigt werden, beide im Norden geboren, aber beide aufs Feinste und teilweise schon seit langem im Süden akklimatisiert.

Tatsächlich lohnt sich ein genauer Blick auf die prophetische Tabelle, auch in den mittleren und unteren Rängen. Die Verschiebungen sind teilweise dramatisch. Nicht wenige Propheten haben fast die halbe Tabelle übersprungen, viele nach oben, manche leider nach unten. Obwohl das Meisterrennen in der Bundesliga entschieden scheint, bleibt die Liga durch die Propheten-Tabelle extrem spannend. Ich freue mich darüber besonders. Schließlich wurde die Liga der Propheten unter anderem als Produktionsmaschine von Geschichten gegründet. Und ich denke doch, dass dieser strategische Plan ziemlich aufging. Das darf man vor allem heute feststellen, heute am Tag, an dem das Mastermind der Plattform die Tabellenführung übernommen hat.

Ach, und hier noch die Zugaben:

Alt, aber immer wieder aktuell (Danke an Prophet Kupfi Rath)

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Sehr sehenwerte Foto-Galerie auf 11Freunde

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