Der Gipfel.

Das Gipfeltreffen im deutschen Fußball fand beim MTV Stuttgart statt. Für die Propheten war ich als einer von 150 Gästen dabei. Ich setzte mich dekorativ links neben das Salatbuffet. Mein Erlebnisbericht unter dem Motto "Einer fiel vom Podium" jetzt im prophetischen Bulletin des 30. Spieltags.

Ausnahmsweise freut sich sogar ein Schalke-Fan, wenn Dortmund gewinnt. Unserem Tabellendreißigsten Michael Zirn hat jeder der drei Treffer einen Riesenspaß bereitet. Der FC Bayern hat unser Land gespalten. Es gibt wenige, die den Bayern mit völliger Neutralität gegenüber stehen. Bayern polarisiert. Entweder man ist Fan oder fantastisch froh, dass sie auch verlieren können. Selten hat über eine Null-zu-Drei-Niederlage eine solch einhellige Freude geherrscht. Für Schwarz-Gelb kam der Sieg zur rechten Zeit, für Fans der anderen Vereine war es der fehlende Beweis, dass ein Spiel noch nicht entschieden ist, wenn Bayern mit der ersten Mannschaft aufläuft. Und für die Bayern war es eine Niederlage, die man verschmerzen konnte – und jeder der Verantwortlichen hat sich insgeheim gedacht, dass es eine Warnschuss zur rechten Zeit war. Gesagt hat es keiner. Noch ist nicht sicher, ob alle die Warung gehört haben. Trotzdem: Alle waren irgendwie glücklich. Klasse!

Für die Bayern gilt es erst, wenn es gegen Real geht. Dortmund hat das bereits denkbar knapp vermasselt. Bayern kann es noch packen, aber auch nur, wenn sie die taktischen Vorgaben auf dem Platz umsetzen. Nicht die von Guardiola. Unser Tabellenzweiunddreißigster Dada Fuchs prophezeite bereits schon vor der Saison, dass Bayern und Guardiola nicht so richtig zusammen passen. HSV-Fan Dittsche hatte bereits letzte Woche ein ultimatives Rezept entwickelt, wie man Real knacken kann. Ronaldo stoppen, das ist das Stichwort.

Ungleich interessanter als das Gipfeltreffen Bayern gegen Dortmund fand ich persönlich das Gipfeltreffen der Fußball-Literaten am Sonntagmorgen. Damit meine ich nicht den Sport1-Doppelpass, sondern eine Veranstaltung, die es tatsächlich geschafft hat, mich am Sonntagmorgen um 11 Uhr vor die Türe zu locken. In Stuttgart wurde zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Lust und Last über Fußball zu schreiben“ geladen. Als prophetischer Bulletinschreiber war der Besuch ein Muss – und ein Will. Das Podium war in der Tat hochkarätig besetzt. Jo Bauer, Nils Havemann, Ronald Reng, Axel Hacke, Thomas Hitzlsperger und Claus Melchior sassen wie die Hühner auf der Stange hinter ihren Mikrophonen. Hitzlsperger muss man nicht mehr vorstellen. Axel Hacke wahrscheinlich auch nicht, er ist neben Harald Martenstein vielleicht der beste Kolumnist, den Deutschland zu bieten hat. Ronald Reng muss man auch nicht vorstellen, aber ich will es trotzdem tun: Seine Fußballbücher zählen ebenfalls zum Besten, was das Genre zu bieten hat. Er hat im "Traumtorhüter" Lars Leese portraitiert, hat ein Buch über Robert Enke geschrieben und jüngst die Geschichte der Bundesliga anhand des Lebens von Heinz Höher nachgezeichnet. Es ist zu Recht von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur als „Buch des Jahres“ gekürt worden. Für alle Bücher von Hacke und Reng gilt meine wohlmeinende Lese-Empfehlung.

Nils Havemann, das darf gerne erläutert werden, ist Bayern-Fan und nähert sich der Fußball-Geschichte aus wissenschaftlicher Sicht. Das ist nur was für Menschen, die eine Fußball-Macke haben. Ich habe seine Bundesliga-Geschichte, die sich vor allem mit politischen, wirtschaftlichen und medialen Rahmenbedingungen befasst mit großem Erkenntnisgewinn gelesen. Am den Außenseiten des Podiums waren Claus Melchior und Job Bauer gesetzt. Job Bauer kulmniert für die Stuttgarter Nachrichten unser beschauliches Stadtgeschehen, er macht das für hiesige Verhältnisse überaus ordentlich, mit leichtem Hang zur Heroisierung der Stuttgarter Kickers. Claus Melchior gehört ins Team des tödlichen Passes, dem klassischen Fußball-Fanzine Deutschlands - einer Veröffentlichung, die bald ihr 20-jähriges Jubiläum feiert, was für eine ballesterisches Hobby-Projekt durchaus erstaunlich ist.

Wie sich diese Runde versammelt hat, war durchaus etwas skurril und im Grunde unwürdig: im Vereinsheim des MTV Stuttgart. Links neben dem Salatbuffet. Tatsächlich strömten immer wieder Mittagsgäste von der Terrassenbewirtschaftung ans grüne Buffet, das in 5 Meter Entfernung vom Podium aufgebaut war. Die anderen ca. 150 Gäste lauschten derweil den Ausführungen der gut aufgelegten Diskutanten. Kurz bevor Moderator Stefan Siller die Runde eröffnete, gab es bereits einen Knalleffekt. Linksaußen Claus Melchior stürzte mit Stuhl und großem Entsetzen seitlich vom Podium. Ich glaube, ich muss mir die nächste Ausgabe vom „Tödlichen Pass“ besorgen, ich könnte mir vorstellen, dass er es mit feiner Selbstironie kommentieren wird. Schlimmeres passierte nicht. Man muss ja besonders vorsichtig sein, wenn man seit fast zwei Jahrzehnten ein Magazin herausgibt, das bereits im Titel verspricht, es wäre tödlich. Melchior überlebte.

Ich gebe zu, ich verfolgte die Runde mit großem Vergnügen. Wirklich Neues gelernt habe ich nicht. Aber für jemanden wie mich, mit einer ordentlichen Fußball-Macke ausgestattet, war es grandios, die Besten der Besten der Fußballschreiber beim charmanten Debattieren zu verfolgen. Die journalistische Berichterstattung der Diskussion hat die Stuttgarter Zeitung parat. Ich nutzte derweil die wenigen Durchhänger um mich darüber zu wundern, wie man eine Veranstaltungsreihe „Litspaz“ nennen kann. Die feine Podiumsdiskussion ist tatsächlich als Bestandteil der Veranstaltungsreihe Litspaz angekündigt worden. Lautmalerisch erinnert mich das eher an „Hirnfurz“. Und ein solcher ist die Benamsung auch. Litspaz soll dabei die Abkürzung von „Literaturspazierung“ sein. Man muss ein vergeistigter Literat sein, um sowas gut zu finden. „Wie ich beim Litspaz in den Salat stürzte“ “ würde ich gerne Claus Melchior als Überschrift vorschlagen.

Gerne würde ich eine solche Podiumsdiskussion auch mit unseren prophetischen Experten veranstalten. Irgendein Salatbuffet wird sich finden in Deutschland, neben dem wir uns dekorativ platzieren können. Ob die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur großzügig das Sponsoring übernehmen würde, das sollte noch zu klären sein. Wenn wir nach momentanem Erleuchtungsstand die Diskutanten nominieren, würden auf dem Podium folgende Propheten sitzen: Oliver Schneider, Matthias Wimpff, Tim Bandisch, Tobias Hufnagl, meine Wenigkeit und Jacqueline Häcker. Damit hätten wir sogar eine Frau an Bord, das würde unser Podium auf Erfreulichste von der Männerrunde unterscheiden, die beim MTV angetreten war. Allerdings sollte man den prophetischen Auswahlschlüssel nochmals diskutieren. Weil ich die Propheten größtenteils kenne, fände ich eine Podiumsdiskussion mit Michl Luz, Martin Idler, Ellen Läpple, David Wimpff, Claus Paal und Peter Hein überaus reizvoll. Prophet Luz würde die Lage karikieren. Martin Idler könnte mit Vergleichen zum Radsport dienen. Ellen Läpple weiß sowieso überall zu überzeugen, wo Sie auftritt. David Wimpff gibt als ehemaliger Spieler den fachkundigen Hitzlsperger. Claus Paal würde die Lage sportpolitisch einordnen und Peter Hein könnte als Apotheker einige Aspekte des Dopings beleuchten. Moderation hätte Brigitte Lösch, als Vize des Baden-Württembergischen Landtages sollte sie Kummer gewöhnt sein.

In diesem Sinne rufe ich den veranstaltenden Litspazenhirnen zu: Das einzig wahre Gremium des deutschen Fußballsportes formiert sich auf der Insider-Plattform www.propheten-der-liga.de. Es ist die einzige Expertenrunde, die vorne, hinten und in der Mitte mit durchwegs überdurchschnittlicher Kompetenz besetzt ist. Ihr Applaus ist angebracht, meine Damen und Herren.