Jung, listig siegt

Konzepttrainer sind das heiße Ding. Die Konzeptliga der Propheten hat das natürlich vorhergesehen. Aber der nächste Trend lauert bereits. Jetzt im Konzeptbulletin des 1. Bundesligaspieltags.
Domenico Tedesco wird am zwölften Spieltag entlassen. Könnte ja passieren. Auf Schalke kann man nichts ausschließen. Hoch wie runter geht's dort so schnell wie ein abgefälschter Heber, der in einer Bogenlampe über Fährmann ins Kreuzeck fliegt - und damit die Niederlagenserie komplettiert. So war es bisher. In dieser Saison wird alles anders. Behaupten jedenfalls die Schalker. Lobpreisend auf der königsblauen Wolke.
Von außen betrachtet ist die Methode Tedesco äußerst spektakulär. Er brüskiert Höwedes, die Institution. Ignoriert Embolo, das Wunderkind. Muss Burgstaller ersetzen, den Goalgetter. Bringt Goretzka in Halbzeit zwei, das Mastermind. So kann man sich auch in den Mittelpunkt stellen. In dem man eine Mannschaft stellt, bei der die Experten aus den Latschen kippen. Was dann allerdings eine schwache Nummer ist: Wenn man so tut, als wäre man als Trainer unschuldig am Erfolg. Natürlich weiß jeder, dass das Gegenteil richtig ist: Der Sieg gegen Leipzig war der Methode Tedesco entsprungen. Es war der Fußballflüsterer, der Bullenentzauberer, der Schalkeverzauberer. Mag sein, dass sein ursprünglicher Matchplan nicht funktioniert hatte. Das Universalgenie zeigt sich in der Improvisation. Diese Erkenntnis gilt allerdings nur bis zur nächsten Niederlage.
Auch außerhalb von Gelsenkirchen sind junge unkonventionelle Typen voll im Trend. Sie sprechen als diktierten sie den neuesten Trainerleitfaden, lassen Riesenscreens an Trainingsplätzen aufstellen und haben den Vorteil, noch bei keinem anderen Klub nennenswert gescheitert zu sein. Man kann es nur begrüßen: Stefan Effenberg und Lothar Matthäus nerven nur noch als Experten. Da gehören sie hin. Matthäus’ formidable Redewendung „Wäre, wäre, Fahrradkette“ hätte ja niemand gehört, wenn er auf der Trainerbank sitzen würde. Wie gut, dass er ein sky-Mikrofon an seinem Kragen klemmt. Deshalb muss man nicht gleich sky schauen. Social Media erledigt den Dienst. Über Matthäus lachen, ohne unter ihm leiden zu müssen. Klasse!
Derweil sind ein Drittel der begehrtesten Schleudersitze Deutschlands mit jungen Fußball-Pädagogen besetzt. Alexander Nouri, Sandro Schwarz, Julian Nagelsmann, Domenico Tedesco, Hannes Wolf und Manuel Baum. Wer keine Ölmilliarden oder Dieselmillionen in der Kasse hat, muss eben mit anderen Mitteln versuchen, einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu erhaschen. Junge Trainer mit neuen Ideen sind eine extrem plausible Strategie. Schließlich stimmt es: Das eigene fußballanalytische Auge schult man besser als Trainer von Jugendmannschaften - und nicht auf der Ersatzbank eines überflüssigen Länderspiels gegen San Marino. Die jungen Trainer haben ihre Karriere von Anfang an aufs Trainersein ausgerichtet. Das zahlt sich aus.
Schade nur, dass es auch Opfer gibt: Was macht Uwe Rapolder? Wo ist Mike Büskens? Fehlt nicht Bruno Labbadia? Was macht eigentlich Rudi Bommer? Und Horst Ehrmanntraut, der alte Zocker, gibt’s den noch? Wo ist eigentlich Frank Pagelsdorf abgeblieben? Aktuell scheint es, als ob Erfahrung nichts mehr zählen würde. Die Luhukay-Entlassung letztes Jahr in Stuttgart war insofern symptomatisch. Der schnauzbärige Holländer entpuppte sich bei den Schwaben als allzu holzkopfig. Beim ersten Anzeichen von Misserfolg war’s bereits vorbei. Seine Entlassung war symptomatisch. Nagelsmann folgte Stevens. Baum folgte Schuster. Nouri folgte Skripnik. Nicht alle Vorgänger waren erfahren, aber es fehlte ihnen jeder konzepttrainerische Ansatz.
Wo ein Trend ist, steht der Gegentrend bereits in den Startlöchern. In der zweiten Liga kann man ihn beobachten. In Düsseldorf trainiert Friedhelm Funkel, in Kaiserslautern coacht Norbert Meier, auf St.Pauli steht Olaf Janßen an der Seitenlinie, auch kein Jungspund. Und wer ist überraschend Tabellenführer? Arminia Bielefeld mit Trainer Jeff Saibene, ein Herr mittleren Alters mit Vokuhila-Anklängen in der Frisur, der in keine Schublade passen will. Kein Konzepttrainer, gewiss nicht. Aber einer, gerade aus einer typischen Zweitligamannschaft mehr herausholt als eigentlich drin ist. Ich gebe zu: Ich würde mich freuen, wenn Bielefeld aufsteigen würde. Es könnte eine Initialzündung sein. Und meine persönliche Hoffnung, dass Horst Ehrmanntraut mal wieder einen Trainerjob erhält, würde neue Nahrung bekommen.