Keine Nebenhandlungen.

Schnörkellos. Gradlinig. Nichts ist spannender als die Propheten-Tabelle. Voll konzentriert: das prophetische Bulletin des 31. Spieltags.

Diese Geschichte braucht keine Nebenhandlungen. Die prophetische Liga ist auf den letzten Metern so spannend, da ist er doch völlig wurscht, ob Guardiola die Hose reißt, das Austria-Maskottchen sternhagelbesoffen vom Platz getragen werden muss oder eine Fußball-Babyschwemme einsetzt, präzise 9 Monate nach dem wir Weltmeister geworden sind. Also, weg mit den dekorativen Nebenthemen. Rein ins Vergnügen der ultraspannenden Liga der Propheten.

Dem bisherigen Tabellenführer Georg Graß hat der Spieltag einige Punkte gekostet. Sein Abstand ist geschmolzen wie die VfB-Hoffnungen auf den Klassenerhalt. Der bisherige Spitzenprophet litt arg unter der Verbesserung von Hamburg und Paderborn. Beide hatte er als Fix-Absteiger prophezeit, beide haben sich vorläufig nach oben verabschiedet. Das kostete unseren Tabellenführer die Punkte. Auch die Europa-Ambitionen des SV Werder sind nicht nach dem prophetischen Geschmack des Georg Graß gewesen. Während er zuvor noch eine Werder-Punktlandung verzeichnete, sind ihm jetzt die Bremer zu weit nach oben gerutscht. Folge: Georg Graß weist nur noch einen Volltreffer auf. Recht wenig für so eine starke Punktzahl. Aber nach einer ungeschriebenen Propheten-Logik ist das auch extrem ausbaufähig.

Wer hat davon prophitiert? Allen voran Jens Nauer, der in seinem Profil „Bremen“, „Sachbearbeiter“ und „Senator für Inneres und Sport“ eingetragen hat. Da muss ich schon sagen: Lieber Jens, wer so roentgenmäßig ins Innere des Bremer Sports schauen kann, der ist schon zu beneiden. Den SV Werder hat er auf Platz 8 eingeordnet. Das ist nur ein Platz neben der Wahrheit, und möglicherweise tun ihm die Bremer noch den Gefallen sich brav auf der Acht einzureihen. Aber andererseits: Vielleicht ahnt Prophet Nauer ja auch, dass der SV Werder nach Europa will, und freut sich sogar darüber, wenn die Grün-Weißen seine Prophetzeiung noch überbieten.

Auf der Lauerposition zwei liegt nun schon eine ganze Weile Matthias Berzel. Wie macht der das eigentlich? Alles um ihn rum läuft rauf und runter. Aber dem Propheten Berzel ist’s wurscht, er bleibt buddhamäßig auf Platz zwei und es erinnert mich durchaus an unsere gemeinsame Stammkneipe, das fischlabor. Wenn Prophet Berzel einmal Platz genommen hat, das darf ich verraten, dann hat er eben auch Platz genommen, im Sinne von, warum sollte er ihn auch wieder hergeben? Mit genau dieser Gemütlichkeit hat sich also Matthias Berzel den Platz 2 genommen – und die Frage ist berechtigt, warum sollte er ihn wieder hergeben, da es für diese Position schließlich einen Pokal gibt?

Hier dem Führungstrio („Wir beide sind ein tolles Trio“) wird’s dann richtig kuschlig. Acht Plätze nach oben gekuschelt hat sich Christoph Michaelidis. Er kommt von Platz 11 nach oben geschossen und meldet mit fünf Volltreffern ernsthafte Absichten auf die Tabellenspitze an. Punktgleich mit ihm liegt der bereits erwähnte Ex-Tabellenführer Georg Graß und auch der Prophet Markus Herrmann hat die Punktzahl von 112 aufzuweisen. Auch so ein fischlaborant. Bleibt auf dem vierten Platz, da ist’s gemütlich. Muss man nicht aufstehen. Und wenn, dann höchstens zum Austreten. Der Letzte aus dem Quintett („Wir Vier sind ein tolles Quinett“) heißt Stefan Linn. Möglicherweise tröstet ihn seine gute Prophetenposition. Er musste mit seinen Lauterern eine doch überraschende Niederlage in Darmstadt hinnehmen. Aber so sind sie halt, die Lilien. In dieser Saison gelingt ihnen alles, und als Propheten sollten wir uns mit ihnen befassen. Könnte sein, dass sie im nächsten Jahr auf unserer Speisekarte auftauchen.

Und jetzt noch einer: Prophet Helmut Roleder. Ja, jetzt kann ich gar nicht mehr. Also überhaupt nicht mehr. Wo kommt denn plötzlich der Prophet Roleder her? Plus 28 Plätze, jetzt plötzlich am Saisonende, jetzt, wo es gilt, zum Saisonfinale greift er nochmal richtig ins Spielgeschehen ein. Ja, so sind sie halt die Ex-Profis. Wofür soll man sich abstrampeln, wenn die Platzierung eh nur vorläufig ist? Erst am Schluss wird abgerechnet („Wir drei zahlen fünf Euro ins Phrasenschwein“) und da zählt auch bei den Propheten, wer den längeren Atem hat. In diesem Zusammenhang sollte man auch auf die extrem konditionsstarken Propheten Kristian Frank und Micha Steeb aufpassen. Mit Plus 10 und Plus 18 Plätzen scheinen sie auszuloten, was man aus der Tiefe des Raumes noch erreichen kann.

Aber bevor ich mich jetzt durch die ganze Tabelle hindurchspekuliere, schau ich nochmal ganz genau, was am unteren Ende der Tabelle passiert - und ich möchte sagen: Überaus erfreuliches. Von vielen Propheten beneidet, hat sich Christine Reinhardt auf den Rotweinplatz durchgeschlagen. Da muss ich wiederum sagen: Das hätte ich ahnen können. Bei der Propehtin Reinhardt würde ich sogar nochmal im bei Keller nachordern. Wie aus gründlichen Langzeitstudien hervorgeht, bevorzugt Riesling-Chrischtl einen weißen Tropfen. Und da aus dem Weingut Franz Keller auch ein formidabler Weißer kommt, wäre sie sicherlich nicht unglücklich mit der Farbe Weiß. Jetzt könnte man einwenden, dass man sich die Trophäen doch nicht raussuchen kann. Ein Einwand, den ich an dieser Stelle durchaus gelten lassen möchte. Aber andererseits: Ich verleihe den guten Rotwein. Nehme einen Weißen mit. Und nach der Zeremonie trinkt jeder von uns die Flasche, die ihm am meisten mundet. Ach, das Leben kann so schön sein. Übrigens auch, wenn man im Austria-Maskottchen steckt.