Mal schnell geschrieben.

Ratzfatz muss es gehen. Darum fackelt das prophetische Bulletin des 10. Spieltages nicht lange. Es geht zur Sache.

Mein letztes Bulletin kam leider mit etwas Verspätung. Erst am Dienstag stellte ich meine Betrachtungen ins Netz. Geht eigentlich gar nicht, im modernen Fußball, wo seit mehr als einem Jahrhundert die Dinge immer schneller werden. Tempo ist einer der vielen Mosaiksteine, in denen wir die Zeitgeschichte im Spiegel des Fußballs erkennen können. Computer, Autos, Überbrückung des Mittelfeldes – alles bitte in Höchstgeschwindigkeit. Das muss doch noch schneller gehen, oder?

Geht es auch. Nur ein kleines Beispiel. Anfang der 70er-Jahre legte die Sportart den dritten Gang ein. Im Zweiten sah das noch so aus: Italien gegen Deutschland im legendären WM-Halbfinale 1970. Die Deutschen flogen 3:4 raus. Das Getöse über die überharten Italiener hält bis heute an. Was aber weit aufschlussreicher ist: Aus heutiger Sicht wird man den Eindruck nicht los, die youtube-Engine hätte auf Zeitlupe geschaltet. Alles geht so langsam. Im Mittelfeld greift keiner an. Als würde eine Single mit 33 Umdrehungen abgespielt. Vier Jahre beschleunigte sich die Sportart. Eine Revolution. Holland zelebrierte Totaalvoetbal vom Feinsten. Wer die Ausschnitte vom Spiel gegen Argentinien begutachtet, sieht ständig Oranje im Bild. Die Kamera hielt mit dem Tele extrem auf Ballnähe. Trotzdem erscheinen im Bild ständig mehr Holländer als Argentinier. Vor allem,bei Ballbesitz der Südamerikaner. Das hatte System – und wird heute sehr zurecht als eine der größten Revolutionen auf dem Rasen bezeichnet. Dass die Deutschen im Finale gewannen, wird von der Fußballforschung mehr der Arroganz, den holländischen Feierlaunen sowie der Schwalbe von Hölzenbein zugeschrieben. Sagen wir es deutlich: Der deutsche WM Sieg 74 war ein Witz. Beim Fußball gewinnen nicht immer die Besseren.

Schalten wir einige Gänge höher. Ich überspringe also Gang vier, das Milan unter Arrigo Sacchi und schalte direkt in den fünften fußballtaktischen Gang, wo ich beim Tiki-Taka der Barcelona-Schule lande. Als Xavi, Iniesta und Messi auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenkraft angelangt waren, reiste ich mit meinem Kollegen Rüdiger Vogt zum Championsleague-Achtelfinale ins Nou Camp. Wir sahen das Spiel gegen unseren turmhoch unterlegenen VfB aus dem fünften Rang. Als Gästefans sassen wir ganz oben. Erst war ich unglücklich darüber, weil wir das Spiel wie aus dem Hochhaus verfolgten. Weit weg vom Geschehen. Doch schnell schlug mein Frust um in pure Begeisterung. Ich brauchte kein Operglas um die Größe der Darbietung zu erkennen. Tiki-Taka von ganz oben war ein wahrer Genuss. Man sah alles, hatte den perfekten Überblick über die taktischen Formationen. Die VfB-Spieler waren zwar näher dran, aber sie schauten ähnlich fasziniert den Katalanen zu. Wir wurden 4:0 abgeschossen. Das Ergebnis spiegelte nicht im Geringsten die wahren Kräfteverhältnisse auf dem Platz wider. Und nicht, dass jemand denkt, es hätte am schwachen Gegner gelegen. Nein, damals kegelte Barca auch die europäischen Spitzenteams achtkant aus dem Stadion. Ich überlegte, was es noch Besseres geben könnte als diese Tiki-Taka-Art, den Fußball zu zelebrieren.

Heute ahne ich die Antwort. Auch Tiki-Taka kann besiegt werden. Wie? Natürlich mit noch mehr Drehzahl. Das kurze Passpiel aus Barcelona ist mittlerweile nur noch ein Stilmittel unter vielen. Sogar Pep Guardiola schwört auf leisen Sohlen seinen damaligen Dogmen ab. Entgegen jedem Tiki-Taka wurde Arjen Robben zum Schlüsselspieler der Bayern. Und wenn er gerade unpässlich ist, muss es der schnelle Ribery auf dem anderen Flügel richten. Dass der Franzose ohne seinen fürchterlichen Bart noch windschnittiger wäre, bespreche ich ein andermal. Es sind nicht die Pass-Spieler, die für Bayern die Spiele entscheiden. Die braucht man auch, zugegeben. Doch es scheint, man könne sie ersetzen. Scheinsteiger, Thiago, Kroos? Egal, dann eben mit Xavi Alonso. Vorne wird das schon schwieriger.

Nimmt man die beiden letzten Bayern-Spiele ohne Bayern-Brille unter die Lupe, so offenbart sich das einzige taktische Stilmittel, das gegen die Münchner zum Erfolg führen könnte: Schnelligkeit. Das 1:0 der Dortmunder konnte nur durch einen Flügellauf von Ultraschall-Aubameyang erzielt werden. Die vielen Chancen der Gladbacher beim 0:0 am letzten Spieltag sind das Produkt der aktuell wohl schnellsten Mannschaft in der Bundesliga. Lucien Favre, der Taktik-Fuchs, hat in dieser Saison ausschließlich schnelle Spieler eingekauft. Er hatte schon Herrmann und Kruse. Jetzt ergänzte er das Team mit Andre Hahn und dem flinken Traore. Sollte der Mannschaft einmal der Sprit ausgehen, kann er sogar nochmal Tempo von der Bank bringen. Gladbach grüßt aktuell von Platz 3. Schnelligkeit ist das Gebot der Stunde. Man kann dieses Motiv in den Kaderverstärkungen von Hertha BSC erkennen (Beerens, Kalou), bei Leverkusen (Bellarabi, Son) oder dem Tabellenzweiten Wolfsburg (de Bruyne, Arnold, Caliguiri) entdecken. Kobra Wegmann mag es bedauern. Die Schlangen sterben aus. In der Fußball-Evolution siegen die Geparden.

Darum schnell zur prophetischen Tabelle, wo sich schön langsam die Spitezngruppe formiert. Wolfgang Ehret, der Kraichgau-Brasilianer hat sich wieder die Spitze gesichert. Tatsächlich scheint er von der Niederlage der Seinen zu profitieren. In seiner Tabelle rangiert Hoffenheim auf Platz 4. Bei einem Sieg in Gladbach wäre der Platz futsch gewesen. Natürlich wird er einwenden. Wer mit 108 Punkten und Saisonbestleistung führt, hätte durchaus auf einige Punkte verzichten können. Auch der zweite Hoffenheim-Fan in der Spitzengruppe schlägt sich prächtig. Prophet Frank Müske etabliert sich ebenfalls. Seine aktueller vierter Platz ist sicherlich keiner, auf dem er sich ausruhen wird. Komplettiert wird die Spitzengruppe von Rudolf Büchner auf Platz 2 und Thomas Breier auf dem dritten Platz. Es sind Propheten, die uns auf diesen Plätzen inzwischen vertraut sind.

Darum möchte ich die Aufmerksamkeit auf den fünften Platz lenken. Dort liegt mit Hagen Gutekunst ein Top-Innovator des deutschen Mittelstandes. Das sind Karius-Kunden, wie wir Sie uns wünschen: Innovativ unter der Woche, prophetisch hochbegabt am Wochenende. Prophet Gutekunst etabliert sich im Verfolgerfeld. Seine Platzierungen an den letzten Spieltagen sind derart stabil, dass ich nur darauf warte, bis er die Spitze angreift. Seine Formkurve 7-9-10-6-5-5 weist ihn als vielleicht konstantesten Propheten der Spitzengruppe aus. Fast hätte ich geschrieben, er ist der Xavi Alonso unter den Propheten. Doch ich weiß, dass er dem VfB die Daumen drückt. Damit verbietet sich ein solcher Vergleich.