Rochade der Vorhersehbarkeit

Schon wieder wurde ein Trainer entlassen. Das prophetische Bulletin des 29. Spieltags zeigt sich fassunglos, aber auch etwas gelangweilt. Wirklich unvorhersehbar bleibt dagegen die Liga der Propheten. Auch in dieser Woche gab es einen neuen Tabellenführer (hüstel) und viele aufstrebende Titelanwärter.

Jetzt auch das noch: Sami Hyypiä wurde entlassen. Warum eigentlich? Ich muss gestehen, persönlich bin ich der Meinung, dass er das Beste aus der Leverkusener Truppe rausgeholt hat. So konstant wie sie in der Vorrunde gespielt hatten, so gut ist der Kader eigentlich gar nicht besetzt. Und jetzt kommt Sascha Lewandowski, ein Trainer, den die Mannschaft bereits kennt. Er soll retten, was Hyypiä in der Rückrunde verspielt hat. Dabei hatte der Mann mit dem Doppel-Ypsilon so gut zu Leverkusen gepasst. Bei seinen Interview wirkte der Finne als hätte er eine ganze Packung Schlaftabellen intus. Damit entsprach er perfekt dem Klischee der Finnen, welches man aus Kaurismäki-Filmen kennt. Wirklich schade, dass man auf diese Insel der Ruhe und Kontemplation jetzt verzichten muss. Ich kann mir nicht helfen, damit verkommt das Trainerkarussell endgültig zum Laienschauspiel. Arg vorhersehbar ist das. Gerade hat Hannover in Braunschweig verloren. In der Halbzeit sprach 96-Präsi Martin Kind einige lustlose Worte ins Mikrophon. Man muss kein sensationslüsterner Reporter sein, um zu ahnen, dass man in Hannover sich bereits umschaut. „Uneingeschränkt inakzeptabel“, bezeichnet Kind die Leistung der Seinen. Eine Diagnose wie ein halbe Entlassung. Ich bin gespannt.

Leverkusener Entwicklung.

Aber zurück nach Leverkusen. Ich finde schon, dass die Bayer Chef-Strategen einen großen Fortschritt gegenüber der letzten Saison erkennen lassen. So zumindest meine subjektive Einschätzung. In der letzten Spielzeit setzen sie auf das Trainerteam Hyypia/Lewandowski. Hätten sie eine Trainerentlassung durchgeführt, hätten sie gleich beide entlassen müssen. Eine teure Angelegenheit. Daraus hat Völler gelernt. Besser man macht nur Einen zum Chef, und behält sich den Anderen in der Hinterhand. So wird das Lieblingshobby verzweifelter Manager deutlich günstiger. Rochade statt Entlassung.

In Italien hat sich bei manchen Vereinen diese Vorgehensweise fest etabliert. Schon oft habe ich aus Bologna, Palermo, Cagliari, Livorno oder Turin die Nachricht einer Trainerentlassung erhalten. Und in nicht wenigen Fällen, endete die Pressemeldung mit der Mitteilung, dass als Nachfolger des entlassenen Trainers sein Vorgänger nominiert wurde. Vor dieser Weitsicht ziehe ich den Hut. Da spart man sich die Abfindung und Trainersuche. Beim einem cholerischen Anfall eines Präsidenten oder Managers wird einfach der Trainer getauscht. Schließlich hat man einen in der Hinterhand. Und den geschassten Trainer muss man nicht mal entlassen. Vielleicht braucht man ihn ja noch.

Zweite schlägt Erste.

Ungerecht ist nur, dass es immer den Trainer trifft und nie die Mannschaft. Eintracht Frankfurt überlegt nun, seine zweite Mannschaft vom Spielbetrieb abzumelden. Die zweiten Mannschaften sind den mittleren Ligen sowieso ein Dorn im Auge und ein Loch im Konto. Zweite Mannschaften sind selten attraktive Gegner. Preußen Münster gegen VfL Osnabrück, das Spiel könnte Kult sein. Preußen Münster gegen Dortmund II? Naja. Das Verschwinden der zweiten Mannschaften würde viele glücklich machen. Andere Vereine überlegen diesen Schritt offenbar auch. Das verwundert mich. Die Möglichkeiten, die eine solche Zweite bietet, sind von den wenigsten Klubs ausgeschöpft worden. Wenn auch der dritte Trainerwechsel nichts bringt, hätte man einfach die Mannschaft auswechseln können. Darüber habe ich als Anhänger des VfB Stuttgart erst kürzlich nachgedacht. Die Darbietung der ersten Mannschaft, kürzlich in Nürnberg – das hätte auch der VfB II nicht schlechter hinbekommen. Und die damals siegreichen Nürnberger hatten derartige Verletzungssorgen, dass man fast davon sprechen konnte, eine Nürnberg-II-Mannschaft würde auf dem Platz stehen. Das Ergebnis: Nürnberg II gegen Stuttgart I 2:0.

Bundesligatrainer sprechen manchmal davon, dass sie bei Niederlagenserien die Köpfe der Spieler wieder frei bekommen müssen. Warum nehmen sie nicht gleich freie Köpfe? Und wieso, frage ich mich, ist auf diese Idee nicht Felix Magath gekommen? Der hat bei seinen letzten Stationen so viele Spieler gekauft, dass er glatt hätte zwei Mannschaften stellen können? Wenn jetzt manche Bundesligsten überlegen, ihre zweiten Mannschaften abzuschaffen, ist das grundsätzlich zu begrüßen. Wenn aktuell mindestens drei Bundesligisten ernsthaft darüber nachdenken, ihre Trainer auszutauschen, ist das ein Eingeständnis ihrer eigenen Unfähigkeit. Dagegen ist Manchester United und manch anderer britischer Klub ausdrücklich zu loben. Manchester hält trotz sichtbarer Leistungseinbuße an seinem Trainer-Manager David Moyes fest. Klasse!

Der Titelverteidiger kommt.

Mag sein, dass ich mich deshalb zu derart altklugen Ratschlägen hinreißen lasse, weil ich mit 128 Punkten wieder an die Tabellenspitze gespült wurde. Doch ich bleibe auf dem Boden. In dieser Saison wechselte die Spitze mit erstaunlicher Regelmäßigkeit. Was heute nach einem klaren Vorsprung aussieht, kann morgen schon wieder ganz anders aussehen. Auf den folgenden Plätzen tut sich dagegen wirklich bemerkenswertes. Beispielsweise auf Platz 3, wo plötzlich, kurz vor Saisonschluss, Prophet Helmut Roleder auftaucht. Der Routinier weiß eben, wann es gilt. In der entscheidenden Phase der Meisterschaft steht er vorne. Nach seinem Sieg in der letzten Saison kann man da sicherlich nicht von Zufall sprechen. Auch die Propheten, die sich in seinem Windschatten nach oben bewegen, erscheinen mir meisterschaftsverdächtig. Tobias Hufnagl, der Herbstmeister unserer prophetischen Liga ebenso, wie Prophetin Andrea Steubesand. Die Kölnerin freut sich nicht nur über den baldigen Aufstieg des FC, sondern auch über einen komfortablen fünften Platz in unserer Liga.

Hinter Prophetin Steubesand folgen einige Mitspieler, die sich schon mehrfach auf den vorderen Plätzen einfanden. Matthias Wimpff, Hans-Jürgen Bosch, Tim Bandisch und Andreas Braun folgen auf den einstelligen Tabellenplätzen. Dabei fällt auf: Drei dieser vier Propheten auf den Plätzen stammen aus der Fahrschul-Branche. Es scheint sich dabei um eine extrem zukunftssichere Branche zu handeln. Als Agentur dürfen wir uns glücklich schätzen, für sie zu arbeiten. Da passt es wunderbar ins Bild, dass auch der Shootingstar der Woche aus dieser Branche kommt. Michael Zirn setzt seinen Sturmlauf auf die Tabellenspitze fort. Ein Plus von 22 Plätzen hebt ihn auf Rang 20 - mit allen Chancen am Ende der Runde ganz vorne zu stehen.