Schlafi.

Mal wieder ein Tabu-Thema, ein besonders heißes Eisen, das ich im prophetischen Bulletin des 4. Spieltages in die Hand nehme: Es ist der Schlafanzug. Gerade bei stets hellwachen Propheten könnte ich möglicherweise mit einem gezielten Blick unter die Bettdecke für einen kleinen Erkenntnisgewinn sorgen.

Es gibt wenige, die darüber sprechen, aber die Wahrheit in deutschen Betten ist beängstigend. Zumindest für den Schlafi, den Schlafanzug als solchen. Es geht ihm an den Kragen. Immer häufiger wird er ignoriert. Die Studie der GfK hat zwar schon drei Jahre auf dem Buckel, aber ich zweifele nicht daran, dass der Trend unvermindert anhält. Genau die Hälfte der Deutschen gaben an, sich einen Schlafi, ein Nachthemd oder einen Pyjama anzuziehen. 2001 waren es noch 56%. Wenn das so weiter geht, ist der Schlafi im nächsten Jahrhundert ausgestorben. Ein T-Shirt zu Shorts oder Slip, das wird immer häufiger unter der Decke getragen. Nacktschläferinnen und Nacktschläfer werden übrigens ebenfalls seltener, doch das nur am Rande.

In so fern ist adidas zu loben. Ausgerechnet der große deutsche Sportartikelhersteller setzt sich aktiv mit großer Medienpräsenz für die Rettung des Schlafis ein. Unter der Woche durften wir die neue Schiedsrichter-Ausstattung in der Championsleague begutachten. Und ich bin mir sicher: Von Baku bis Lissabon, von Palermo bis Tromsö haben alle dasselbe gedacht, unabhängig von religiösen oder weltanschaulichen begründeten Schlafgewohnheiten: „Der Schiri hat doch einen Schlafi an“, haben sie alle gedacht. Tatsächlich ist adidas für die Einkleidung der Unparteiischen verantwortlich. Sie haben den Vertrag. Sie dürfen bestimmen, was der 23. Mann anziehen darf. Wer auf die merkwürdige Idee mit der hellgrauen Hose gekommen ist, die allen Schiedsrichter-Uniformen gemein ist, kann man nicht mehr genau nachvollziehen. Irgendjemand in Herzogenaurach ist für diese Lächerlichkeit verantwortlich. Jetzt verdient man zwar als Schiedsrichter recht gut, und man könnte sagen: „Die kriegen doch Geld dafür“, trotzdem habe ich Mitleid mit den Unparteiischen. Sie haben sowieso einen schweren Job und dann gibt man sie mit diesen Dressen der Lächerlichkeit Preis. Kein Fairplay von adidas gegenüber denen, die auf Fairplay achten sollen.

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Auch ohne die schlafi-graue Hose zeichnen sich Schiedsrichter-Trikotagen seit langem durch eine merkwürdige Farbwahl aus. Vermutlich kommt es daher, dass das Farbspektrum begrenzt ist. Die klaren Farben sind für die Spieler reserviert. Vereine haben im Normalfall klare Farben als Teil ihrer Identität: Blau, Rot, Grün – oder Kombinationen aus Reinfarben. Daher sind die Fußballtrikots normalerweise Kombinationen dieser Klarfarben. Wenn sich also der Schiedsrichter von den Spielern unterscheiden sollte, lag es nahe, merkwürdige Misch- oder Zwischenfarben einzusetzen. Es ist wie üblich mit der Funktionswäsche, das Aussehen bliebt zweitrangig. Eine fatale Logik für die Pfeifenmänner- und frauen. Sie müssen meistens in Altbacken-blaugrün, Schweinchen-flieder oder Blaß- bis Uringelb auflaufen. Seit sich die Gilde dagegen entschieden hat, als „schwarze Sau“ verunglimpft zu werden, und dementsprechend farbig herumzulaufen, habe ich keine schönere Farbe als das klassische Schwarz an Schiedsrichtern entdeckt.

Möglicherweise hat sich adidas auch an Bundesligaschiedsrichtern orientiert. Sie pfeifen in dieser Saison vermutlich nicht besser und nicht schlechter als in anderen Spielzeiten. Es sei denn, man befragt einen Frankfurt-Fan. Was innerhalb zweier Spiele an glasklaren Fehlentscheidungen über die Eintracht hereingebrochen ist, spottet jeder Beschreibung. Sogar der von mir besonders geschätzte Heribert Bruchhagen, ein besonnener Vertreter der Managergilde, muss sich lange überlegen, um die Leistung der Unparteiischen so zu kommentieren, dass er nicht übermorgen vor den DFB-Sportgerichten landet. Erst wird der offensichtlichste Elfer aller Zeiten verweigert, als am dritten Spieltag ein Augsburger Verteidiger einen Eintracht-Stürmers quer durch den ganzen Strafraum zieht. Gefühlte 20 Sekunden hat die Szene gedauert. In Normalgeschwindigkeit, nicht in Zeitlupe, wohlgemerkt. Schlafrichter Manuel Gräfe plädierte routinierterweise darauf, dass ein Fehler mit dem Schiedsrichterfunk aufgetreten wäre. Das klingt logisch. In der Tat habe ich selbst auch immer Probleme mit dem Handyempfang im Stadion. Kann ich also nachvollziehen. Was soll der Schiedsrichter auch machen: Da sitzt er mitten im Stadion im dunkelsten Funkloch aller Zeiten und soll dann noch aus seinem letzten Funkloch rauspfeifen, um hellsichtige Entscheidungen treffen. Nein, das ist nicht möglich.

Und jetzt Schalke. Dass man als Frankfurt-Fan darauf kommen kann, dass hinter den skandalösen Entscheidungen möglicherweise ein System steckt, das versteht jeder, der mit seinem eigenen Verein mitfiebert. Der Elfmeterpfiff für Schalke ist natürlich ein Witz, wenn man bedenkt, dass in den Videoschulungen, die vor der Spielzeit allen Verantwortlichen gezeigt wurden, eine genau identische Szene enthalten war – mit dem Hinweis, dass es natürlich auf keinen Fall als Elfer zu ahnden ist. Gegen Frankfurt wurde auf Elfer entschieden, und nachdem jetzt die Zusammenhänge klar sind, kann sich jeder vorstellen, wie diese Entscheidung zu Stande kam:

Da hat sich Schiedsrichter Markus Schmidt sicherlich die Schulungs-CD einige Male angeschaut. Weil er aber ein stolzer Schiedsrichter ist, hat er sich dazu den neuen Schiridress angezogen. Gut so, so ernst muss man seinen Job schon nehmen. Da steht er vor dem Bildschirm, in der tollen neuen Uniform, sieht die Szenen auf seinem Screen, und zieht danach die notwendigen Karten, pfeift die fälligen Pfiffe – und simuliert dergestalt perfekt den Ernstfall im Stadion, im eigenen Wohnzimmer vor der Mattscheibe. Nur leider: Der neue Dress erinnert ihn unterschwellig an einen Schlafi, ein ultimatives Gefühl der Müdigkeit übermannt den aufrechten Wohnzimmer-Schiri. Jeder, der mal eine Fremdsprache lernen musste, kennt das. Nicht ist ermüdender als Vokabeln zu lernen. Mensch, bin ich da immer müde geworden. So ging es Markus Schmidt auch in seiner Schulung. Verstärkt noch durch den Schlafi. Womit ich mit der letztgültigen Erkenntnis des Wochenendes meine Betrachtung schließen möchte: Markus Schmidt zieht Schlafis an. Hundert Pro.

Viel lieber wende ich mich denen zu, die aus ihrer prophetischen Berufung heraus stets wach und präsent sind. In unserer prophetischen Tabelle finden wir sie aufgelistet, der aktuellen Reihenfolge des Spieltags nach. Zur Tabellenführung beglückwünsche ich den Propheten Wolfgang Ehret, einen von drei Hoffenheim-Fans unter den Propheten. Ihm möchte ich zurufen, dass ich mich inzwischen mit dem Hoffenheim-Fan als solchem näher beschäftigt habe. In der Tat gibt es einen Hoffenheim-Fanklub – und zwar dort, wo man ihn vielleicht am wenigsten erwartet hätte: mitten im Ruhrgebiet, in Essen in der Siedlung Freisenbruch ist er zu Hause. Jüngst hatte ich Gelegenheit das Klubheim in der Kneipe Brinkhoff’s Treff selbst in Augenschein zu nehmen. Um meinen besonderen Respekt dem Tabellenführer auszudrücken, veröffentliche ich an dieser Stelle ein Beweisfoto meines „furchtlosen“ Besuches.

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Prophet Wolfgang Ehret hat also Lee Kienle von der Spitze verdrängt. Weitere zwei Punkte dahinter folgt ein Trio aus Rudolf Büchner, Georg Moritz Graß und Martin Treek. Dass der Paderborner Martin Treek auf Platz 5 weitaus schlechter rangiert als sein Verein, auf die Idee wäre er wohl vor der Saison selbst nicht gekommen. Ansonsten verweise ich zu Paderborn auf meine Einlassungen in den vergangenen Bulletins. Den 80-Meter-Befreiungsschlag von Moritz Stoppelkamp überlasse ich den OPTA-Spieldaten-Freaks. Ich freue mich einfach für Paderborn, auch wenn sie jetzt ihre Tabellenführer ausgerechnet in München verteidigen müssen. Ich finde schon, die Bayern müssen sich warm anziehen, wenn der Tabellenführer kommt. Nach Martin Treek tut sich bereits eine Lücke von 4 Punkten zum weiteren Verfolgerfeld auf. Höchst verwunderlich in dieser Phase der Saison, aber ich glaube, die Lücke wird bereits am nächsten Spieltag wieder geschlossen sein. Ach, fast hätte ich es vergessen. Auch den Tabellendritten Rudolf Büchner möchte ich herzlich mit einem Bild grüßen. Er macht mal wieder besonders schwere Zeiten durch, aber als Glub-Fan ist er es durchaus gewöhnt. Ich grüße ihn mit einem Dokument widersprüchlicher Berichterstattung, das mir aus Nürnberg zugespielt wurde.

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Bemerkenswert sind durchaus die für prophetische Verhältnisse ungewohnt tiefen Punktzahlen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich anmerke, dass für 84 Punkte in den vergangenen Spielzeiten keine Tabellenführung zu holen war. Aber auch diese Erkenntnis führt wieder geradewegs nach Paderborn. Wenn der mit einer Durchschnittsprophezeiung von Siebzehn-Komma- Irgendwas gestartete Extremstaußenseiter plötzlich die Tabelle anführt, dann wird die kleine Punktzahl durchaus erklärbar. Ich prophezeie: Sollte Paderborn tatsächlich noch eine kleine Formkrise erleben, und aus den Championsleagueplätzen herauspurzeln, werden wir wieder höhere Punktzahlen erleben.

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Eine abschließende Bemerkung noch zu Bayern, aus aktuellem Anlass. Als Tabellenletzter sitzt Bayern-Fan Thomas Bruker auf dem Platz, mit dem er sich einen ganz besonderen Tropfen edelsten Weines sichern kann. Punktgleich zwar mit den Propheten Albert Wilkens und Roland Scheffler, aber bei Thomas Bruker wundert mich die Platzierung besonders. Will sich eine Weinflasche sichern, wo doch gerade die Wies’n-zeit ihren Höhepunkt erlebt. Weil ich weiß, dass er Humor versteht, grüße ich ihn mit einem Trikot-Design im Oanszoagsuffa-Chic, den ich als Trachten-Skeptiker für als besonders perfide Geschmacksverirrung erachte. Befindet sich eigentlich ein Fan der 60er unter den Propheten? Nun, vermutlich kann ich mir es sparen in den Stammdaten nachzuschauen, bei meinen unverschämt-deutlichen Ansichten werde ich es in Kürze erfahren. Dann trag ich doch lieber einen Schlafi auf den Feld.