Stadionselfie

Düsseldorf vorne. Luzern vorne. Ein Prophet als Innovator der zeitgenössischen Foto-Kunst. Steckt wieder viel drin im prophetischen Bulletin des 11. Spieltags. Es lohnt, sich ein Bild davon zu machen.

Düsseldorf ist der deutsche Rekordhalter. Nicht im Toreschießen. Die Fortuna befindet sich im Abstiegskampf der zweiten Liga. Aber im Selfie-Schießen, da ist Düsseldorf Spitze. Das hat das Time Magazin herausgefunden. In einer Analyse in Zusammenarbeit mit Instagram. Im internationalen Vergleich ist die Düsseldorfer Position extrem überschaubar. Platz 136 - um präzise zu sein. Aber in Deutschland schießen die Selfies nicht sonderlich scharf. Die Pappnassenmetropole am Rhein rangiert also im Range einer Selfiehochburg und wahrscheinlich findet deshalb dort die erste Selfieausstellung Deutschlands statt. "Ego-Update" mit Namen.

Aus der Besprechung in der Süddeutschen erfahren wir, dass mehr Menschen beim Selfiemachen sterben als durch Hai-Angriffe. Wo die gefährlichen Haie schwimmen, wurde auch der Begriff erstmals verwendet. Ein Australier fotografierte sich selbst, um seine blutige Lippe zu dokumentieren. Scharf war das Bild nicht. Deshalb entschuldigte er sich "Sorry about the focus, it was a selfie". Der Begriff war geboren.

Dass das Selfie als Kunstform entdeckt und analysiert wird, war überfällig. Wenn Cloudserver erzählen könnten, sie würden von einer Flut an digitaler Selbstdarstellung sprechen. Auch in den Stadien wird egogeknipst, was das Zeug hält. Ich gebe gerne zu, dass ich dieser Art der Selbstdarstellung lange Zeit naserümpfig gegenüberstand. Der Foto-Narzissmus war mir fremd. Aber ich räume gleichzeitig ein, dass ich niemals Eintrittskarten von Spielbesuchen wegwerfe. Sie finden sich in einem dicken Umschlag, den ich nie entsorgen werde, selbst wenn ich zehnmal umziehen sollte. Was ist denn meine Ticketsammlerei anderes als der Wunsch, den Stadionbesuch zu verewigen, um narzisstisch zu dokumentieren, dass man live zugegen war? Eigentlich könnte ich genau so gut ein Selfie machen, um diesen Moment zu archivieren. Ein Stadionselfie würde sogar noch eine deutlichere Sprache sprechen. Vermutlich wäre es die bessere Lösung, besser als dieses merkwürdige Stück Eintrittskartenpapier aus einer x-beliebiten Druckerei. Und außerdem: Wenn man eine normale Stadiontotale in den sozialen Netzwerken postet, wie auffällig ist das? Nun ja. Guckt man dagegen selbst bedröppelt in die Kamera... Likelikelike. Lauter gute Gründe für Stadionselfies. Darum will ich mich lumpen lassen. Es lebe das Stadionselfie! Es weiß sowieso jeder: Ja, ich gehe selbst dann ins Stadion, wenn es gegen Darmstadt geht. Und wer's nicht fassen kann: Das Titelbild des Bulletins zeigt das zugehörige Selfie. Ein geübter Selfiefotograf bin ich noch nicht. Aber ich arbeite an mir. Versprochen.

In diesem Zusammenhang möchte ich nicht verschweigen, dass sich einer der Pioniere des Stadionselfies unter uns Propheten befindet. Der aktuelle Tabellenneunte Prophet Martin Krieg schoß im Herbst 2003 im Stuttgarter Stadion dieses Foto. Man muss sich das vorstellen: Nur einige Monate, nachdem auf der anderen Seite der Welt ein Australier eine dicke Lippe dokumentiert, fotografiert Martin Krieg in der alten Cannstatter Kurve sich und einen anderen Fan. Es war im November. Der VfB empfing im letzten Spiel der Championsleague die Rangers aus Glasgow. Jaja, lang ist's her. Lieber Martin, was Du damals getan hast, ich kann es nicht anders sagen: es war prophetisch. Zwölf Jahre später wird in Düsseldorf eine Ausstellung eröffnet werden. Aber ehrlich: ohne dieses Bild ist sie eigentlich unvollständig.

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Schauen wir zum Schluß auf die Künstler der Prophezeiung. Prophet Graeff führt nach wie vor. Aber inzwischen spüren die Propheten, wie sein Abstand schmilzt - ungefähr wie Osterhasenschokolade, die zu einem Weihnachtsmann umgegossen wird. Dem Tabelleführer auf den Fersen folgt verhältnismäßig dicht Prophet Andreas Braun. Nur 6 Punkte trennen vom Platz an der Sonne. Den Propheten Braun schätze ich als engagierten Weiß-Roten. Support your local football club! Gilt insbesondere für den Propheten Braun. Seine Fahrschule liegt nur einen Steinwurf vom Stadion entfernt. Schon aus dienstlichen Gründen kurvt er häufig mit seinen Wagen auf dem Wasen. Wenn er sich nicht auskennt, mit der Lage der Liga im Allgemeinen und der Schwaben im Besonderen, wer dann? Nun, vielleicht der Prophet Klein. Er gibt als Arbeitsplatz Mainz an - und das obwohl seine Liebe dem 1.FC Kaiserlautern gilt. Man muss eben Kompromisse eingehen. Der Beruf fordert Tribut. Trotz dieser misslichen Lage hat Prophet Klein vor der Saison klaren Kopf bewahrt. Er folgt als Volltrefferbester eines 102-Punkte-Quartetts auf Platz drei. Prophet Daniel Röns, Prophet Kupfi Rath und Prophet Matthias Ahrens komplettieren das Quartett. Mit anderen Worten: SC Kriens führt vor VfB Stuttgart, 1.FC Kaiserslautern, FC St. Pauli, SV Stuttgarter Kickers und SV Werder Bremen. Eine extrem feine Tabelle, wie ich finde.

Shooting-Prophet an diesem Spieltag: Werder Bremen. Albert Wilkens macht im Mittelfeld 36 Plätze gut, und damit den größten Sprung des Tages. Wie ich aus gewöhnlich gut informierten Kreisen erfahren habe, wird vor allem am Tabellenende ausgiebig analysiert. Tatsächlich muss man sich beim Blick auf die Prophezeiung von Axel Hanewinkel fragen, warum er eigentlich mit einem solch satten Abstand hintenansteht. Ich gebe zu, in dieser Frage bin ich schon lange über die Analyse hinweg. Lieber Axel, Deine Motivation scheint mir leicht zu durchschauen. Ja, Du hast recht, auch in dieser Saison wird ein feiner Ehrenpreis für den Roten Propheten ausgelobt. Bleib, wie Du bist. Bleib, wo Du bist. Und das ist auch gut so. Man wird Dich noch um Deinen Platz beneiden.

Ach, und hier noch ein spektakulärer Wechsel, den ich nicht vergessen möchte...

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