Talking about a revolution!

In einem Positionspapier zur DFL-Mitgliederversammlung hat Union Berlin zu nichts geringerem als einer Revolution aufgerufen. Die findet vermutlich nicht statt, aber davon zu träumen, das sollte doch erlaubt sein.
Da hat Dirk Zingler, der Präsident des Zweitligisten Union Berlin, diese Woche mal so richtig einen rausgehauen. Ein Positionspapier zum nötigen Strukturwandel im deutschen Profi-Fußball, das einen Aufruf zur Revolution in der DFL beinhaltet. Mit Revolutionen kennt er sich ja ein bisschen aus, der Zingler. Er hatte zu DDR-Zeiten drei Jahre lang im Wachregiment "Feliks Dzierzynski" gedient, einer der Stasi unterstellten Elite-Truppe, die einst vor allem zur Abwehr konterrevolutionärer Umtriebe gegründet wurde. Leider ist es aus der Geschichte bekannt, dass Revolutionen noch nie durch die Positionierung in Positionspapieren für Mitgliederversammlungen ins Rollen gekommen sind. Ein Blick auf die Forderungen zum Strukturwandel in diesem Papier lässt jedoch den Wunsch aufkommen, dass es vielleicht doch einmal passiert.
Das Problem wird darin klar definiert: "Der deutsche Profifußball auf Vereinsebene steht an einem Scheideweg. Seine nach wie vor herausragenden wirtschaftlichen Wachstumspotenziale basieren auf seiner gesellschaftlichen Relevanz und hohen Sympathiewerten. Doch statt diese Bedingungen sorgfältig zu pflegen, entfernt sich der Profifußball von denen, die ihn ausmachen – den Menschen."
Auch die Symptome der konstatierten Krise im deutschen Fußball werden benannt: "die fehlende Konkurrenz beim wichtigsten nationalen Wettbewerb, der Deutschen Meisterschaft - frühzeitiges Scheitern der Bundesliga-Vertreter in den europäischen Clubwettbewerben - zunehmende Entfremdung zwischen wichtigen Interessengruppen."
Es folgt, ein bisschen zu dick aufgetragen, eine Warnung vor den Folgen dieser "Entfremdung" die mit denen der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und der politischen Radikalisierung am rechten Rand verglichen wird:
"Diese Entfernung steht am Beginn der Entfremdung, die auch rund um den Profifußball zu beobachten ist. Fußball ist ein bedeutender Teil der Gesellschaft in Deutschland und bildet deren Tendenzen und Entwicklungen in komprimierter Form ab. Die Stärkung der radikalen Ränder aufgrund einer gefühlten und erlebten Bedrohung ist längst unübersehbar – sowohl im Fußball als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Menschen, die nicht wertgeschätzt und nicht ernstgenommen werden, greifen zu extremen Aktions- und Kommunikationsformen. Schmähgesänge, diskreditierende Banner sowie permanente verbale Angriffe auf Verbände und einzelne Funktionäre zeugen von der Eskalation ungelöster Konflikte."
Harter Stoff! Die darauf folgenden zwei Thesen samt definierten Maßnahmen, mit denen diese etwas übertrieben dargestellten Probleme zu lösen seien, machen dagegen beim Lesen große Freude. Sie offenbaren jedoch dazu auch das berechtigte Eigeninteresse eines Zweitliga-Clubs, der nach vielen Jahren endlich auch mal an die großen Fleischtöpfe in der 1. Bundesliga möchte.
Die erste These besagt, dass nur ein "stufenloser nationaler Wettbewerb aller deutschen Profi-Vereine die Popularität des Fußballs in Deutschland erhalten könne und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit stärke." Dazu sei es zwingend erforderlich, auch die Dritte Liga in die DFL und ihre Vermarktungsaktivitäten einzubinden und den ersten zwei Ligen gleichzustellen. So gut und berechtigt das noch klingt, um so revolutionärer kommen die folgenden Forderungen daher: Die Aufstockung der drei Profiligen auf jeweils 20 Vereine, der direkte Aufstieg aller Regionalliga-Meister und Play-Offs mehrerer Mannschaften um den Aufstieg und Klassenerhalt. Diese Aufstockung wurde reflexartig in den ersten Kommentaren zum Positionspapier für unmöglich erklärt und zwar logischerweise von denen, die bereits an den großen Fleischtöpfen sitzen. Die Belastung der Spieler sei ohnehin schon viel zu hoch und wo käme man denn dahin? Dass ein Wettbewerb mit zwanzig Mannschaften anderswo reibungslos funktioniert, blieb bei den Kommentaren jedoch unerwähnt.
Doch es geht noch revolutionärer. Union Berlin fordert dazu die Festlegung von Gehaltsobergrenzen und die Limitierung von Leihspielern für jeden Verein sowie, 'Achtung, Feinde des Sozialismus': die stufenlose Verteilung der Vermarktungserlöse und die drastische Erhöhung der Ausbildungsentschädigungen. Was zweifellos die Unterschiede zwischen den Vereinen und die Existenzbedrohung im Abstiegsfall erheblich verringern würde, dürfte als Forderung denen an den großen Fleischtöpfen die größten Kopfschmerzen bereiten. Eine gerechtere Welt, die mit finanziellen Einbußen erkauft werden soll, empfinden jene selbstverständlich als höchst ungerecht.
Die abschließende Forderung zur Erhaltung der Popularität des deutschen Profifußballs, auch das Schiedsrichterwesen und die Sportsgerichtsbarkeit zu professionalisieren ist dann noch die harmloseste von allen.
Bei der zweiten These des Positionspapiers wird es dann wieder interessanter. Sie lautet etwas verschwurbelt ausgedrückt: "Viele verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Interessen tragen zur Faszination des Fußballs bei und verleihen ihm gesellschaftliche Relevanz. Teilhabe und Mitbestimmung aller Akteure im Fußball sichern die angemessene Wertschätzung und Berücksichtigung der verschiedenen Positionen."
Der Kern dieser These ist einfacher ausgedrückt, dass in der DFL nur das (monetäre) Interesse der Vereine im Mittelpunkt steht und den Fans die Teilhabe an Entscheidungen verweigert wird, die ihre ureigenen Interessen berühren. Folgerichtig lautet eine Forderung zu dieser These, die Fans als "wichtige Akteure in die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung innerhalb der DFL" einzubinden. Tja, das wäre wirklich revolutionär, wenn das tatsächlich einmal passieren sollte.
Eine weitere Forderung zu dieser These beinhaltet die "Fokussierung auf das Stadionerlebnis" mit den "Stadionbesuchern als zentralem Bestandteil der Faszination Fußball". Das beinhaltet das Abschaffen der Montagsspiele sowie " Eine auf die Stadionbesucher ausgerichtete Anpassung der Anstoßzeiten und die Beachtung von Maximalentfernungen bei Freitags- bzw. Wochentags-Spielen, um vielen Menschen den Stadionbesuch ermöglichen." Das klingt fast, als hätten auch die Eisern-Union-Fans auch ein Wörtchen bei diesem Positionspapier mitgeredet.
Die letzte Forderung der Berliner ist eine altbekannte, die vor nicht langer Zeit durch eine von St. Pauli in der DFL per Geschäftsordnung angezettelte Revolution die an den großen Fleischtöpfen mächtig verärgerte. Nämlich die Beibehaltung der 50+1-Regel und die Verhinderung des unbegrenzten Zugangs von Investoren zum deutschen Profifußball. Als hätten sie es letzte Woche schon geahnt, dass sich die DFL seit heute mit einer aktuellen Satzungsänderung bei Hannover 96 zu befassen hat, die offenbar schamlos die Lizenzvorgaben verletzt, de facto die 50+1-Regel bei den 96-ern aussetzt und dem Investor Kind die alleinige Entscheidungsgewalt über die Geschicke der Profi-Abteilung sichert.
Die Aufstand im deutschen Profifußball ist also notwendiger denn je! Steht auf!