Todsicheres Ding.

Noch 24 Tage bis zum Ligastart. Neben den aktuellen Durchschnittsprophezeiungen befasse ich mich auch mit der Frage "Was ist eigentlich Prophezeien?" Ist es wie Wetten? Ist es Zocken? Oder ganz anders?

Nicht, dass es hier zu Verwechslungen kommt. Prophezeien ist die kenntnisreiche Prognose einer Saison aufgrund von Expertise, Know how und dem gesicherten Wissen über den weiteren Verlauf des Balles. Damit grenzt sich Prophezeien vom Wetten ab. Wetten ist blanke Spekulation. Der Schuss ins Glück. Natürlich sollte man auch da eine Ahnung vom Geschäft haben, sonst könnte man sein Geld ebenso gut in das Fenster eines Vereinsheimes reinwerfen. Aber beim Wetten gelten andere Gesetze. Beim Wetten gibt es Quote. Die Quote sorgt dafür, dass es plötzlich sinnvoll erscheint, auf völlig unwahrscheinliche Ereignisse zu setzen. Ich hatte mal einen Kollegen, der regelmäßig Oddset gespielt hat. Da geht’s schon los, bei den öffentlich-rechtlichen Wettanbietern spielt man nicht. Diese Doppelmoral ist fürchterlich. Zocken ist bäh, das muss man bekämpfen, sagt die Politik. Aber wenn man damit soziale Ziele finanzieren kann, dann.., nun..., dann wollen wir die Zocker doch mal zur Kasse bitten, ganz so bäh ist es ja vielleicht doch nicht, wenn wir damit ein paar überflüssige Politiker als Chefs der Lottogesellschaften noch fette Pensionsgelder zuschustern können. Im Sinne der vorgespiegelten Gemeinnützigkeit. Aber ich schweife ab...

Dieser Kollege hat also bei Oddset (bäh) immer nur niedrige Quoten gespielt, dafür aber viele Spiele gekoppelt. Jeden Montag war er halb stolz, halb geknickt. Stolz weil er so viele Treffer hatte, hatte glänzend vorhergesagt, dass Bayern gegen Bochum gewinnen würde. Geknickt, weil ihm immer ein Spiel aus der Reihe getanzt war – weswegen er am Ende doch nichts gewonnen hatte. Ich konnte seinen Stolz nie teilen. Mit diesen vermeintlichen Zockern rechnen die Buchmacher. Daran verdienen sie sich dumm und dämlich. Der echte Zocker kennt die Außenseitertipps und überlistet damit das System. Serben, Kroatien und Singapurianier sind darin führend. Aber diese geschobenen Dinger meine ich nicht. Vielmehr will ich diejenigen Zocker würdigen, die mit Herz und großem Gespür für die Lage ein Husarenstück gelandet haben, von dem man auch noch in ein paar Jahren spricht. Wetten für die Ewigkeit.

Ein solcher Wetter ist Papa McIllroy, der Vater des Golfers der letztes Wochenende die British Open gewann. Der Daily Telegraf berichtet, dass McIllroy sen. mit drei seiner Kumpels vor 10 Jahren 100 Pfund darauf gesetzt hatte, dass sein Sohn die British Open gewinnen würde, bevor er 26 Jahre alt ist. Bei einer Quote von 500 versprach das 252.000 Euro, 63.000 Euro für jeden. Ich habe schon von mieseren Geldanlagen gehört. Doch zurück zum Fußball.

Der walisische Elektronik-Fachhändler Peter Edwards aus Wrexham wettete vor 16 Jahren darauf, dass sein frisch geborener Enkel, Harry Wilson eines Tages in der walisischen Nationalmannschaft spielen würde. Der Enkel war damals 18 Monate alt. Vom Buchmacher um die Ecke erhielt der eine Quote von 2.500 zu 1. Der Einsatz betrug 50 Pfund. Letztes Jahr war es dann soweit. »Ich war vollkommen fertig«, erzählte der 62-Jährige den britischen Medien von seinen Erlebnissen während des Länderspiels, »es waren nur noch wenige Minuten zu spielen und der Trainer hatte bereits zweimal ausgewechselt. Dann wurde Harrys Nummer eingeblendet – und ich goss mir noch ein Glas Wein ein. Ein todsicheres Ding. Der Junge konnte schließlich schon dribbeln, bevor er überhaupt Laufen gelernt hatte.“ Wilson, so berichtet er, hätte übrigens noch mehr gesetzt, aber der Buchmacher hatte keinen höheren Einsatz angenommen. Tags darauf kündigte Edwards bei seinem Arbeitgeber, ein Jahr vor der Rente. „Nicht schlecht, für eine bescheuerte Wette, oder?“

Peter Edwards ist vielleicht der ungekrönte König aller Zocker. Am anderen Ende der Skala mein Ex-Kollege, der sicherlich immer noch stolz ist wie Bolle, dass er vor 10 Jahren den Bayern-Sieg gegen Bochum richtig vorhergesehen hatte. Schon ganz weit vorne, also fast beim Waliser Opa Edwards, rangiert die Prophetin Nina Graß. Sie hatte vor der Weltmeisterschaft die Gruppen und Außenseiter klar hellsichtig analysiert und zweifelsfrei festgestellt, dass die Gruppe, die allgemein als Todesgruppe gehandelt wurde, gar nicht so stark ist. Hier würde sicherlich Costa Rica eine Chance haben. Und weil es auf Gruppensieg oder Achtelfinalteilnahme nur sehr lausige Quoten gab, setzte sie ein paar Euro darauf, dass Costa Rica ins Viertelfinale kommen würde. Herzlichen Glückwunsch! Quote 41. Da muss man erstmal vier Euro drauf setzen.

Aber wie schon gesagt: Prophezeien ist ein anderes Metier. Da gibt es keine Quoten. Es gibt nur Ahnung, Eingebung und irgendwann im nächsten Jahr eine Abschlusstabelle, die über die Platzierung der Propheten entscheidet. In so fern ist Zocken zwar eine Kunst. Aber Prophezeien ein wenig komplexer. Beim Zocken kann man sich ein Ereignis herauspicken, von dem man überzeugt ist. Beim Prophezeien geht es immer um die gesamte Liga. Hier sollte man schon den 360-Grad-Blick zuschalten können. Es geht um alle 18 Mannschaften und wie sie am Schluss zueinander stehen. Keine Quoten, aber auch keine Ausflüchte. Und weil die Propheten der Liga eine Plattform sind, die sich zu 100 Prozent der allseitigen Transparenz verpflichtet hat, schaue ich abschließend auf die aktuelle Durchschnittsprophezeiung nach 23 Eingebungen. Und siehe da: Bayern holt langsam auf. Inzwischen sind sie schon auf einen durchschnittlichen Rang 3,26 emporgeklettert. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich bei der letztjährigen Ehren-Prophetin Karin Noll eine Bayern-Prophezeiung von Rang 17 festgestellt habe. Das haut natürlich rein. Und zieht die Bayern nach unten, volle Kanne. Aber ich würde sagen: Hier lobe ich mal eine Extra-Wette aus. Ich würde mich zu folgendem Angebot hinreißen lassen: Sollte die Ehren-Prophetin der Saison 12/13 die Bayern auf diesem Rang belassen – und am Ende der Spielzeit damit Recht behalten, dann ziehe ich doch die Bluse der Jessica Kastrop an, die ich in einem Bulletin der letzten Saison ausführlich würdigte. Übrigens kostet das scheußliche Ding satte 200 Euro, aber das wär’s mir wert.

Hier also die amtliche Durchschnittsprophezeiung nach 23 prophetischen Eingebungen:

Borussia Dortmund 2.04

FC Bayern München 3.26

Bayer 04 Leverkusen 4.65

VfL Wolfsburg 5.52

Borussia Mönchengladbach 5.61

FC Schalke 04 5.87

1. FSV Mainz 05 9.65

1899 Hoffenheim 9.83

VfB Stuttgart 10

Hannover 96 10.57

SV Werder Bremen 11.22

Hertha BSC 11.65

Eintracht Frankfurt 11.7

FC Augsburg 12.48

Hamburger SV 12.87

1. FC Köln 13.78

SC Freiburg 13.87

SC Paderborn 07 16.43