Unser Propheten-Bester 14/15: Rudolf Büchner

Bitte mal laut drehen. Es ist soweit: die Siegerehrung für unseren prophetischen Besten der Saison 14/15. Rudolf Büchner ist Prophetenmeister - und ich gewinne einen Siegerehrungsausflug nach Nürnberg, der würdiger kaum sein konnte.

Es war mir eine Ehre: Unser ehemaliger Karius-Kollege Rudolf Büchner, der mittlerweise zurück in seiner fränkischen Heimat gelandet ist, hatte mir die Freude bereitet, die Liga der Propheten zu gewinnen. So brach ich am Freitagnachmittag nach Nürnberg auf, um die salbungsvollen Worte, die Glückwünsche, den Pokal und den Sonderpreis (das Tor von Messi als Daumenkino) feierlich zu überreichen. Im Hintergrund sangen die Clubfans ihre Hymne:

Ein Fels in wilder Brandung, der alles überstand,
er hielt in vielen Jahren, so manchen Stürmen stand.
Ein Fels in wilder Brandung, ist unser FCN,
sein Stern, er wird für immer, am Fußballhimmel stehen.

Die Legende lebt, wenn auch die Zeit vergeht,
unser Club, der bleibt bestehen,
Die Legende lebt, wenn auch der Wind sich dreht,
unser Club wieder niemals untergehn.

Jaja, die Clubfans, das konnten wir bereits von der Imbissbude aus hören, hatten ihre Hymne mit ungeheurer Inbrunst geschmettert. ]Man darf sich das etwa so vorstellen, wie die italienische Nationalmannschaft bei ihrer Hymne, nur aus 10.000 Kehlen, die in der Kurve des Frankenstadions ihre Hoffnung in die angetrunkenen Stimmen legten. Augen zu. Und volle Pulle rausgeschmettert, das Ding. Kein Wunder, beim Club definiert sich die Leidenschaft ganz besonders über deren ersten Wortbestandteil, das Leiden. So mussten die Anhänger am vorigen Montag die Vollblamage in Freiburg mit ansehen, und dann hatte es auch noch ihren geschätzten Manager Martin Bader erwischt. Und jetzt noch Heidenheim. Mahlzeit. Keine große Nummer, diese Emporkömmlinge von der Ostalb, so könnte man meinen. Aber erstens stimmt das mit den Emporkömmlingen nicht. Ich betone: Die Heidenheimer sind klasse. Und obendrein ein extrem unbequemer Gegner. Einer, gegen den man leicht verlieren kann. Und das hört sich dann ziemlich bitter an "gegen Heidenheim", obwohl die Frank-Schmidt-Mannschaft wirklich erste Zweitligasahne ist. Den Glubberern schwante als Böses. "gegen Heidenheim". Was die Hymne nur noch inbrünstiger machte.

Die Uhren laufen schneller, die Zeit, die bleibt nicht steh'n,
der Weg führt in die Zukunft, so vieles wird gescheh'n
Ein Fels in wilder Brandung, ist unser FCN,
sein Stern, er wird für immer, am Fußballhimmel stehen.

Die Legende lebt, wenn auch die Zeit vergeht,
unser Club, der bleibt bestehen,
Die Legende lebt, wenn auch der Wind sich dreht,
unser Club wieder niemals untergehn.

So sangen die Clubfans. Aber die wahre Hymne zur Verleihung des großen Propheten-Pokals war das natürlich nicht. Der große Rudolf Büchner hatte nämlich mitgedacht. Gut, er behauptete zwar steif und fest, dass es reiner Zufall war, die Sache mit seinem T-Shirt, aber das nehme ich ihm natürlich nicht ab. Prophet Büchner hatte sich nämlich in Schale geworfen, wenn man so sagen will, er trug ein T-Shirt von Chuck Prophet. Damit beweist er nicht nur Stilsicherheit in der Wahl der Kleidung, sondern auch einen erlesenes Gespür für das, was man heutzutage als wirklich hörenswerte Musik bezeichnet. Prophet, jetzt nicht Rudolf, sondern Chuck, Prophet also war einst Teil der feinen Formation "Green on Red" und spielt bis heute eine der feinsten Live-Gitarren, die er so wunderbar zwischen Rock, Blues, Indie und Nashville hindurchsteuert, dass man ihn keinesfalls auf eine Stilrichtung festlegen kann. Wenn wir also zu Ehren des Propheten Büchner eine Hymne laut drehen, dann bitte - Clubfans mögen es verzeihen, nicht diese, sondern diese:

Chuck Prophet zu Ehren des Prophetenbesten Rudolf Büchner. Rudolf, you did it.Bitteschön.

Obwohl wir manches zu erzählen hatten, am Rande der Siegerehrung vor der Grillbude hinter der Kurve, zwängten wir uns gerade noch rechtzeitig in die Stehblöcke, dort wo die Clubfans bereits schon vollzählig Aufstellung genommen hatten, hymnengestärkt in die Begegung gingen. Da wir uns weiterhin viel schnatterten, wozu ich defintiv den falschen Dialekt auf der Zunge trug, sprachen wir sicherheitshalber recht freundlich mit den tiefrot betrikoten Vollbärten, die sich ohne schwäbische Ablenkung auf das Spiel ihrer vom Schicksal gebeutelten Cluberer konzentrieren wollen. Wie um die Vollbärte auszugleichen, standen vor uns zwei nette Clubmädels, von denen wir nicht nur einmal ein Lächeln geschenkt bekamen. Fast musste man bedauern, dass das Spiel mindestens so attraktiv war, wie die Mädels. Man wusste gar nicht richtig, worauf man sich focussieren sollte. Aber so sind wir halt: Wie immer siegte der Fußball, zumindest im Aufmerksamkeitswettbewerb. Und das war auch gut so. Vor allem in der Mitte der zweiten Halbzeit war es besser seine Blicke nicht vom Spielfeld abschweifen zu lassen. Auch aus harmlosen Szenen entwickelte sich dort Wunderbares. Der Heidenheimer Smail Morabit zeigte mal so nebenbei, wie man einen Konter spielt, wenn man allein gegen vier Gegenspieler steht, und keiner der Mannschaftskameraden mitsprintet. Man lässt sich einfach auf den Flügel abdrängen, wackelt ein wenig sinnlos mit dem Hintern, lässt sich von den Gegenspieler im toten Winkel des Spielfelds hoffnungslos einkesseln, so dass die Verteidiger sorglos werden, und denke, ach, der Morabit, was soll der jetzt schon anstellen? Aber dann der Morabit: Setzt relativ locker aus 25 Meter einen flankenähnlichen Heber an, der sich drei Millimeter vom hinteren Kreuzeck grad so in den Nürnberger Kasten senkt. Auf dem Rückweg aus dem Fußballhimmel praktisch. Ich hatte sowas schon lange nicht mehr gesehen. Der neue Nürnberger Torhüter Kirschbaum hatte dabei übrigens genau so ausgesehen wie in der letzten Saison, als er in drei Spielen im VfB-Tor satte zwölf Kisten kassierte. Doch möglicherweise hätte diesen Wundertreffer sogar Manuel Neuer kassiert. Wäre es Messi aus Barcelona gewesen, in Argentinien wäre sofort ein neues Daumenkino produziert worden. Aber es war Smail Morabit aus Heidenheim. Kein Daumenkino. Den Cluberern war das sowieso einerlei. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie bereits die Hände vor dem Kopf. Was sie zwischen ihren Fingern noch erkannten, hatte den deutlichen Anschein, als würde die Clubhymne noch bluesiger gesungen werden müssen als je zuvor. Heidenheim, das erschreckend effektiv und abgeklärt spielte, machte in den letzten Minuten mächtig Dampf und nicht wenige im Glubblogg sahen ihre Mannschaft am Abendhimmel untergehen.

Doch plötzlich die Erlösung. Nach einer schlecht geklärten Flanke nahm der Ex-Wolfsburger Polak einen Ball kraftvoll volley. Getroffen genau da, wo man es als Stürmer haben möchte. Mitte Ball. Vollspann. Rrrrrrums. Drin das Ding. 3:2 für Nürnberg. 88. Minute. Uns flog vor Freude fast der Propheten-Pokal aus der Hand. Welch eine Pointe zwei Minuten vor Schluss! Komplette Erlösung bei allen leidenden Glubbfans. Und wie würdig die Siegerehrung des Prophetenbesten, mit dem ich sogleich wieder an den anderen wundervollen Ort strebte: zu Bier und Nürnberger Wurst an die Stadionbude.

Hab ich's schon gesagt, lieber Rudolf? Herzlichen Glückwunsch zum großartigen Sieg! Darauf nochmal einen Chuck Prophet. Play that song again.

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