Verschollen auf dem Weg zum Klo.

Fußballreisen sind immer wieder aufregend, gerade beim zurückliegenden Derby-Wochenende. Aus aktuellem Anlaß möchte ich auf die besonderen Gefahren hinweisen, die an anderen Orten in anderen Stadien lauern. Jetzt im prophetischen Bulletin des 12. Spieltags.

Hoppla, einer ist schon aus dem Weinkeller der FIFA rausgepurzelt. Möglicherweise der Ehrlichste von allen. Die Kollegen von Fußballmachtspaß kommentieren: „Da hast du die 6,7-Mio-Kacke am Dampfen und dann gehst du wegen einem Zwanziger.“ Aber lassen wir das, Witze mit Namen sind zweifelhaft. Außerdem will ich berichten, dass ich mir am Wochenende Sorgen um einige Propheten gemacht habe.

Nicht wenige unserer Mitspieler waren am letzten Wochenende auswärts unterwegs. Unter uns sind viele Propheten, die den Vereinen Bremen, Kaiserslautern, Köln, Schalke und Stuttgart anhängen. Genau nachgezählt habe ich noch nicht, ob es die größten Fanlager unter uns sind, aber der Eindruck drängt sich auf. Von den gefühltgroßen Propheten-Fraktionen hatte nur Dortmund ein Heimspiel. Darum waren nicht wenige auf Achse. Entweder mit der Straßenbahn von Köln nach Leverkusen oder über andere Wege die paar Meter von Schalke nach Dortmund. Sicher weiß ich, dass manche Stuttgarter Propheten sich nach München aufgemacht hatten, beispielsweise der Prophet Steeb, der aktuell zweitplatzierte Prophet Braun und die Propheten Wimpff und Bosch. Ob einer aus unserer stattlichen Lauterer-Fraktion in Leipzig war, kann ich nicht sagen. Von der starken Bremer-Fraktion vermute ich, dass mindestens die Fast-Allesfahrerin Prophetin Freyer beim Auswärtssieg in Augsburg zu Gast war. Ich zähle das auf, weil ich letzte Woche von einer Geschichte erfahren habe, die allen Auswärtsfahrern zu denken geben sollte. Demnach hat ein Schweizer Fan für eine Auswärtsreise runde 11 Jahre gebraucht. Sein Auswärtsbesuch führte ihn nach Mailand – mit seinen Freunden und dem FC Basel. Die Rot-Blauen Schweizer lagen bereits 4:1 hinten. Dann verlor er seine Reisegruppe. Nein, nicht beim Zigarettenholen. Er wollte eigentlich nur auf die Toilette. Einige Jahre später meldeten ihn die Schweizer Behörden offiziell als verschollen.

Am 15. September dieses Jahres wurde die Verschollenenmeldung „wegen Wiederauftauchens“ aufgehoben. Rolf Bantle, damals 60 Jahre alt, hatte im Jahr 2004 im San Siro einfach nicht mehr in den richtigen Block gefunden. Ein Handy hatte er nicht. Bantle lebte im Wohn- und Werkheim Dietisheim. Mit seinen Mitbewohnern unternahm er auch diesen Tagesausflug. „Ich war plötzlich in einem ganz anderen Sektor.“ Vor dem Stadion machte er sich auf die Suche nach dem Car. Da waren aber so viele, und sie ähnelten sich zu sehr. „Irgendwann wurde mir das zu blöd.“ Ein paar Franken hatte er bei sich, das würde für ein paar Tage reichen, dachte er. Aus den paar Tagen wurden 11 Jahre. Bantle, ein grundfreundlicher Mensch, schlug sich als Obdachloser in Mailand durch. Studenten und Bewohner eines Stadtviertels, das seines werden sollte, halfen ihm nach Kräften. Bantle war bei Pflegeeltern groß geworden, verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Heimen. In Mailand genoss ihm vor allem die Freiheit. Auf sich selbst gestellt. Endlich. Heimweh hatte er selten, nur im Winter, wenn die Nächste kalt wurden. Aber im Winter gabs auch manchmal Panettone, das wärmt zwar nicht unbedingt, schmeckt aber fürs Leben köstlich. Als Bantle vor einigen Monaten auf dem Trottoir ausrutschte, brach er sich den Oberschenkelknochen. Die Behörden transportierten den Schweizer in ein heimisches Spital. Bantle hatte nichts dagegen, dass seine italienische Zeit zu Ende ging.

In diesem Sinne hoffe ich, dass alle auswärtsreisenden Propheten die entsprechenden Toiletten leicht fanden – und vor allem den Weg wieder zurück. Von außerplanmäßigen Montagsabsenzen ist mir nichts bekannt. Auch nicht bei Schalkern und Stuttgartern, die auswärts nur wenig zu lachen hatten, vermutlich einige Biere benötigten um die Niederlage hinunter zu spülen - was wiederum, wie aus der vorigen Geschichte hervorgeht, in der Verlängerung ein besonderes Gefährdungspotential nach sich zieht. Ich hoffe also aus, dass wir alle gemeinsam auf die Tabelle schauen können. Oder dass unsere Verschollenen über einen mobilen Internet-Zugang verfügen.

Apropos Schweiz. Gleich zwei davon entdecke ich unter den ersten Acht. Über den zugezogenen Luzerner Max Christian Graeff will ich an dieser Stelle nichts mehr sagen, vielleicht nur noch, dass er an der Tabellenspitze so unerwartet steht wie Ingolstadt und Darmstadt zusammen. Jan Zablonier, Multi-Talent, unter anderem Illustrator für das empfehlenswerte Schweizer Fußballmagazin ZWÖLF, taucht erstmals vorne auf. Das freut mich besonders, schließlich musste er eine schmerzhafte Derby-Heimniederlage seines (und meines!) FC Winterthur gegen den FC Schaffhausen hinnehmen. Immerhin musste er nicht auswärts ran, bei Schweizern kann das ja länger dauern.

Beim prophetischen Tabellenzweiten Andreas Braun, darf ich auch einer reibungslosen Rückkehr annehmen. Schließlich leitet Andreas Braun eine ACADEMY-Fahrschule, da darf man davon ausgehen, dass er sich auf den Straßen ebenso gut auskennt, wie auf allen Wegen, die sogar Fahrlehrer zu Fuß gehen. Auf den weiteren Plätzen folgend die vorne bereits bekannten Propheten Martin Krieg, Daniel Röns, Carsten Gier und Wolfgang Rath. Dazwischen hat sich Bernd Häußler geschoben, ein Prophet der ersten Stunde, den ich ganz besonders herzlich unter den Top-Propheten begrüße.

Den Shootingstar der Woche hefte ich den Propheten Lars Piechel ans Hemd. Der Bremen-Fan aus dem Ruhrgebiet macht satte 49 Plätze gut. Doch - hoppla - knapp wird es schon auf dem ersten Tableau. Patrick Nitsch und Egbert Linthorst sind ihm knapp auf den Fersen. Da lohnt der Blick aufs zweite Tableau allemal – und tatsächlich. Prophet Erich Trugenberger macht 54 Plätze gut, und ich schaue nochmal bei Lars Piechel vorbei, schnappe mir den voreilig vergebenen Shooting-Star und hefte ihn Prophet Trugenberger ans Revers. Es bleibt offen, was die Reihe des Propheten Trugenberger an sich hat. Ich gebe zu, er ist in dieser Saison schon einige Male auffällig geworden – mit großen Punktgewinnen ebenso wie mit plötzlichen Abstürzen. Offenbar liebt er die Turbulenzen. Und davon haben schließlich genug – auf Auswärtsreisen, in der Propheten-Tabelle und im Weinkeller der FIFA, dort in der Schweiz, wo immer mal wieder einige Menschen von offizieller Seite aus als verschollen gemeldet werden.

Aktuell sind immer mehr Schiedrichter Gegenstand der allgemeinen Diskussion. Kein Wunder, oder?

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Wer das legendäre Mourinho-Interview verpasst hat. Ich finde, es lohnt sich immer wieder anzuschauen. Am besten gleich hier