Von Frau Berg abserviert.

Alles redet über Retortenvereine. Nur wenige erwähnen die SG Sonnenhof Großaspach. In meiner kleinen Bulletin-Serie "Sport und Musik" wage ich mich in die Grauzone des guten Geschmacks. Ein investigativer Besuch im Sonnenhof. Mit Andrea Berg als Herbstsonne.

Hier in Schwaben zeichnete die Sonne ein Herbstwochenende aus dem Bilderbuch. Ob das wunderbare Wetter allerdings die Fans aus Bremen, Dortmund und den anderen Krisenherden trösten konnte, mag dahin gestellt sein. Im Falle des VfB kann ich sagen, dass die Sonne lange Zeit sehr geholfen hat. Sie schien uns der ersten Halbzeit so sehr ins Gesicht, dass wir auf dem Spielfeld kaum etwas erkennen konnten. Und wenn doch, war es fürchterlich. Das 0:3 durch Bellarabi halte ich für die eindrucksvollste Arbeitsverweigerung einer Arbeitsgruppe Abwehr in der gesamten Bundesligageschichte. In der folgenden Minute verließen ca. 2.000 Zuschauer fluchtartig das Stadion. Zur Halbzeit war fast keiner mehr da, der pfeifen konnte. In der Halbzeit sprach der verletzte Daniel Didavi in einem überaus hilflosen Interview von "Schadenbegrenzung." Ich hätte am liebsten meine Dauerkarte verrissen, nur gut, dass dieses Dinger mittlerweile aus Plastik sind. Natürlich freute ich mich über den Ausgleich. Doch ich gebe zu: Es hat mich nicht von den Sitzen gerissen. Mitleid habe ich auch mit den Leverkusener Fans. Sie mussten mit ansehen, wie das Laisse-faire ihrer Werkself einen Gegner aufgebaut hat, der in der ersten Hälfte sogar gegen einen Verbandligisten verloren hätte.

Auch mit Prophetin Miriam Freyer habe ich Mitleid. Wiewohl sie aus dem Pott stammt, ist sie seit Jahr und Tag eingefleischte Grün-Weiße. Die Tabellen-32. Prophetin wusste schon vorher, dass die Nummer in München nicht gut gehen konnte. Dagegen war ich der Meinung, da könne nicht viel passieren. Wenn man verliert, wäre es doch irgendwie egal. In München kann man verlieren, und so weiter. Dachte ich. Aber ich habe mich geirrt. 6 Stück sind entschieden zu viel. Keine noch so schöne Herbstsonne könnte das Spiel der Bremer in besserem Licht erscheinen lassen.

Gute Menschen auf Bühnen.

Im letzten Bulletin hatte ich mich ja musikalisch weit aus dem Fenster gelehnt, vermutlich zu weit. Ich verteufelte die selbsternannten Aushilfsgötter und Weltverbesserer Pur und Naidoo. Ich räume gerne ein, dass das, was mich daran stört nichts mit Musik zu tun hat. Ich finde es fürchterlich arrogant, das Gutmenschentum billig auf der Bühne zu zelebrieren - und mit diesem falschen Spiel ehrliches Geld und ehrliche Sympathien der Fans einzusammeln. Meine These ist, dass Hartmut Engler und Xavier Naidoo keinen Deut besser sind als andere Leute. Wir alle engagieren uns doch auch, egal ob in der Politik, im Sport oder im Kleintierzüchterverein. Aber die erwähnten Honigsauger inszenieren ihr Gutmenschentum vor der Öffentlichkeit. Das ist eine Anmaßung, die abgestraft gehört. Naidoo nennt Jesus als sein Vorbild. Inhaltlich ist daran nichts auszusetzen. Aber leider läuft er über die Bühne als wäre es die Wasseroberfläche. Deutlcih zuviel der halbgöttischen Inszenierung. Wie gesagt: Musikalisch ist Naidoo fraglos klasse, aber ich bezweifele, dass man als Besitzer eines Hirns auf Erbsengröße die Weltverbesserung wirklich durchbekommt. Auch Pur ist ein toll eingespielte Band. Experten hören das. Die Konzerte sind wirklich gut. Musikalisch.

Musik ist bekanntlich Geschmackssache. 5 Euro fürs singende Phrasenschwein. Weil wir als VfB-Fans seit einigen Wochen offiziell furchtlos und treu sind, habe ich mich für die Propheten ins Zeug gelegt, um einen weiteren musikalischen Grenzbereich zu erkunden, der fußballerisch relevant ist. Es ist ja so: Die halbe Fußballwelt diskutiert über Traditionsvereine. Hoffenheim, RB Leipzig, Ingolstadt und andere werden genannt, um sie gegen die Traditionsvereine in Stellung zu bringen. Von der SG Sonnenhof Großaspach hat in diesem Zusammenhang noch keiner gesprochen. Red Bull und die Strategie von Mateschitz werden seitenlang in der Presse besprochen. Es gibt sogar Einzelne, die sich trauen, dieses ekelige Gummibärchenzeugs im Selbstversuch zu sich zu nehmen. Nur an den Sonnenhof, da getraut sich offensichtlich niemand hin. Also hat sich die furchtlos-und-treue Prophetenabordnung Graß und Sautter aufgemacht, um an einem Freitagabend zu erkunden, wie der Sonnenhof im tiefsten Inneren funktioniert.

Gute Menschen hinterm Tresen.

Für alle, denen das Phänomen Sonnenhof ganzfremd ist, kurz seine Geschichte: In den 60er-Jahren gab es den Gasthof Sonne, der in der ganzen Gegend bekannt war. Immer freitags spielte nach dem Dessert die Musik auf, meist zünftig, manchmal zögerlich schlagernd und immer gut gelaunt. Bald hatte sich in der Gegend rumgesprochen, dass in der Sonne gern was los ist. Nicht nur Freitags. Und die alten Ferbers, denen die Sonne gehört, waren Schwaben genug, um die gute Laune mit dem guten Geschäft zu verbinden. Also zogen sie von Groß- nach Kleinaspach, um dort zur Sonne einen größeren Sonnenhof zu bauen. Aus diesem Sonnenhof ist inzwischen ein Vergnügungspark für Erwachsene geworden. Alles mutet ein wenig nach Retorte an, aber nur ein bisschen. Es gibt Streichelzoo, mindestens zwei „Diskotheken“, eine Kapelle und mehrere Restaurants. Aus den Konzertankündigungen kann man erkennen, dass die Größen der Szene am Sonnenhof nicht vorbei kommen. Bernhard Brink, DJ Ötzi, das Nockalm Quintett und die Schürzenjäger sind Stammgäste. Irgendwie verströmt der Sonnenhof eine herbstliche Atmosphäre. Goldener Oktober gilt dabei nicht nur für das Wetter, sondern vor allem für die Gäste. Im Sonnenhof scheint eine wohlwollende Sonne auch auf diejenigen, bei denen der eigene Sommer bereits vorrüber ist.

Die Wirtin des Sonnenhofes ist niemand geringeres als Andrea Berg. Die Krefelderin war wohl einst Sonnenhof zu Gast. Vermutlich hat sie dort gesungen. Als sie Uli Ferber, dem Sohn der Wirtsfamilie, begegnete, hat es Zoooom gemacht. Liebe. Heute arbeitet sie als Wirtin auf dem Sonnenhof. Für den Fußball scheint allerdings ihr Mann, Uli Ferber wichtiger. Er ist neben Sonnenhof-Wirt auch Spielerberater, hat Hleb, Gomez, Tasci und andere unter Vertrag. Ferber jun. stand auch auf dem Feld als die Freizeit- und Hobbymannschaft des Sonnenhofes beschloss sich für die Verbandsrunde anzumelden. Das muss Mitte der 80er gewesen sein. Heute spielen sie in der dritten Liga. Nicht wenige Fußballfans wundern sich, wie das passieren konnte, und wo, bitteschön, liegt eigentlich Großaspach? Bei der ersten Frage muss ich passen, die zweite Frage: ein paar Kilometer westlich von Backnang, etwa 50 km von Stuttgart entfernt.

Dahin fuhren wir durchs Dunkel der Nacht mutig in Richtung Kleinaspach, vorbei am prallvollen Parkplatz, rein ins Parkhaus zwischen Feld, Wohngebiet und der Schachtelarchitektur des prosperierenden Erlebniszentrums für herbstliche Erwachsene. Ein tolles Parkhaus übrigens, so groß wie ein Sportplatz – und das meine ich wörtlich. Darüber, auf dem Dach, ist tatsächlich ein Kunstrasenplatz eingerichtet worden. Ein langer Gang führte uns entlang in Richtung „Landhaus im Sonnenhof“, wo wir einen Tisch reserviert hatten. Wir passierten einige Schaufenster und Werbeauslagen mit Andrea-Berg-Wein, Andrea-Berg-Kochbuch und Andrea-Berg-CDs. Am Ende des langen Schlauches angelangt, betraten wir plötzlich das Landhaus, in dem zahlreiche Zunftstuben den Gast gemütlich empfangen. Weil ich nicht wusste, in welcher dieser Stube unser Tisch zu finden war, ging ich an die Rezeption. Die freundliche Dame zeigte uns den Weg. Es war Andrea-Berg-das-Original. Wir waren gegen 21 Uhr an unserem Tisch, wo wir fast die gesamte Stube für uns hatten. Vermutlich belieben die Fans der leichten Muse früh zu speisen. Das Essen war wirk-lich aus-ge-zeich-net. Sehr empfehlenswerte Küche, und nicht mal teuer. Nach dem Dessert kredenzte mir Frau Berg noch ein „Nüsschen“, wie Sie es nannte. Der Schnaps war mal echt aller Ehren wert. Feines Ding. Trotzdem darf auch erwähnt werden, dass Frau Berg, die anscheinend als Sex-Symbol der deutschen Popularmusik gilt, schon deutliche Spuren des Herbstes im Gesicht trägt. Als Bulletinschreiber, der auch schon in die Jahre gekommen ist, erscheint diese Feststellung durchaus tröstlich.

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Gute Menschen auf Tanzflächen.

Als uns Frau Berg abservierte, trauten wir uns ins Herzstück des Sonnenhofes, dort wo die Musi spuit. Tatsächlich ist der Versuch ziemlich bemüht, in der württembergischen Hügellandschaft auf Almhüttenstimmung zu machen. Mit dieser Ansicht stand ich allerdings alleine im Sonnenhof. Alle anderen Gäste fanden Ambiete, Atmospähre und Musik allerbest. Auch der Dj war auf der Höhe seiner Schaffenskraft angekommen. Sein Discofox fand Anklang. Tanzfläche voll. Wir postierten uns hinter einer der zahlreichen Plastikpalmen und schauten gebannt auf die Tanzfläche. Ein moderierender DJ! Dass es das noch gibt. Ich zählte durch: Auf der Tanzfläche waren allein drei Herren, bei denen ich überzeugt war, sie wären Tony Marshall. Minipli, Oberlippenbart, Bauchansatz, alles Original Marshall. Und das gleich dreimal. Spannend wurde es, als der DJ eine neue Musikrunde ankündigte. Plötzlich tanzte man alleine, aber exakt im gleichen Schritt. Eine Art Formationstanz. Es sah aus wie Synchronschwimmen ohne Wasser. Inklusive dick aufgetragenem Klitzer-Make-up bei den Damen. Aber auch die Herren grinsten honigkuchenvergnügt. Prophetin Graß erkundigte sich bei anderen Gästen, was davon zu halten war. „Free Style“, erklärte die Sonnenhof-Kennerin neben uns – und fügte hinzu: „Gegen ein Uhr würde sicherlich eine Runde Belgian Freestyle gespielt. Da wäre der Schritt um einiges einfacher.“

Ob mit Belgian oder ohne - mein Style ist es nicht. Trotzdem war unser Aufenthalt in der Parallelwelt (eine Bezeichnung, die ich mir vom Propheten Dada Fuchs geliehen haben) um vieles angenehmer als ich vermutete. Zugegeben, die Sonnenhof-Lounge mit ihren Sofas erinnerte mich doch arg an die Knutschecke bei unseren Schulfesten. Doch die Gäste, die gerade nicht knutschten, schienen mir durch die Bank angenehme Menschen zu sein. Im Grunde ein feiner Schuppen. Ein wenig Schlager, ein wenig Holleräduliö - und weit und breit niemand, der die Welt verbessern will. Klasse!

Soweit also meine Grundlagenrecherche zum Sonnenhof. Vielleicht, in einem mutigem Moment, wage ich mich an den Selbstversuch mit einer Dose Red Bull. Allerdings erscheint mir das Zeug so ekelhaft, dass ich damit gerne noch warten möchte.

Guten Menschen unter uns.

Wie man von Schlager zum aktuellen Bundesligafußball überleitet? Ganz einfach: Mit der Tor-Musik des SC Paderborn 07. Dort sangen die Scheunenrocker gegen Frankfurt gleich dreimal „Hermann Löns, die Heide, Heide brennt.“ Und ich wage die Behauptung, dass sie im Sonnenhof richtig gut aufgehoben wären, die guten Scheunenrocker. Von der brennenden Landschaft hat offenbar Prophet Peter Brenner profitiert. Der Geschäftsführer des Zweckverbandes Flugfeld aus Böblingen / Sindelfingen verantwortet die Anlage eines neuen Stadtteiles. Um die Dimension des Flugfeldes deutlich zu machen, benutze ich gerne das Bild vom Areal, das „so groß ist wie 160 Sportplätze“. Ich würde meinen, im Moment beweist der Zweckverbands-Geschäftsführer eine prophetische Kompetenz, die mindestens so groß ist wie 160 Sportplätze. Während sich Peter Brenner nun schon einige Spieltage auf den vorderen Plätze tummelt, reibe ich mir beim prophetischen Tabellenzweiten die Augen. Lars Ritzal trägt ein Vorzeichen von „Plus 43“, er überholt also fast die halbe Prophetentabelle und setzt sich locker auf den zweiten Platz. Etwas gestutzt habe ich vorhin, als ich seinen Lieblingsverein nachgeschaut habe. „Saskatchewan Roughriders“, steht da geschrieben. Sollte es tatsächlich sein, dass es einen Fußballklub gibt, den ich nicht kenne? Nein, die Saskatchewan Roughriders spielen American Football. Warum man sich für einen Klub begeistert, den man kaum buchstabieren, geschweige denn aussprechen, das würde mich schon interessieren. Die Sprechchöre für die eigene Mannschaft, darauf wäre ich gespannt. Vielleicht kann Prophet Ritzal zu meiner Erleuchtung beitragen. Ich würde mich freuen.

Über zwei Propheten freue ich mich an diesem Spieltag besonders. Zum einen über den Drittplatzierten Thomas Breier. Mit ihm verbindet mich eine lange Freundschaft, ich schätze seine Fußballexpertise und würde daher unbedingt meinen: Prophet Breier ist ein absolut würdiger Dritter unseres Zukunftsforums. Komplett von den Socken war ich allerdings als ich den Roten Propheten des Vorjahres, Michl Luz, auf den vorderen Plätzen entdeckte. Prophet Luz gewinnt 15 Plätze und steht mittlerweile auf Platz 15. Tendenz langsam steigend. Wäre ich Prophet Rath, würde ich jetzt ketzerisch fragen, wo denn Prophet Luz seine Prophezeiung abgeschrieben hat. Bin ich aber nicht. Statt dessen freue ich mich über die starke Platzierung unseres amtierenden Roten Propheten. Ich finde, auf Platz 15 angelangt, könnte er den Porno-Balken auf seinem Profilbild ruhig entfernen.