Zweiter ist geiler. Der neue Preis für den Vize.

Von einem der schönsten Orte, die der Weltfußball zu bieten hat, stammt der Sonderpreis, der dem Vize-Propheten 2015/16 gewidmet ist.

Die Kommerzialisierung des Fußballs ist inzwischen vielen ein Dorn im Auge. Fast wünscht man sich die Tage zurück, an denen man auf einem sichtbehinderten Stehplatz ohne Überdachung ein trostloses Bundesligaspiel ertragen musste. Inzwischen hat die Welt erfahren, was noch schlimmer ist. Eine Event-Organisation, die Kim Jong Un nicht besser hinbekommen hätte. Nur dass sich die Fans hierzulade freiwillig in ihre ergonomisch geformten Sitzschalen fallen lassen. Inzwischen ist der Event "Bundesliga" perfekt wie ein Super-Modell. Und man fragt sich, was noch echt ist. Die Stadien sind es jedenfalls nicht, sie heißen jetzt Arenen und sind schönheitsoperiert bis zum Gehtnichtmehr. Alles hochsteril. Die Anfahrt totaloptimiert. Ein Megaevent, bei dem von Parkplatz bis zurück zum Parkplatz nichts mehr schief gehen kann. Außer dem Ergebnis. Aber wer in München in die Allianz Arena geht, weiß, dass es auch Mittel und Wege gibt, der letzten Ungewißheit des Nachmittags den Garaus zu machen. Aber auch dort, wo noch verloren wird in der Liga, ist alles perfekt. Feiner Sichtbeton zumeist. Die Tribünenneigung sichtoptimiert. Die Dauerkarte mit Geld-Chip. Die Systemgastronomie allgegenwärtig. Sogar die Fluchtwege sind vorschriftsgemäß freigehalten. Komisch, dass sie keiner benutzt.

Wer der Perfektion entfliehen will, dem bieten sich mehrere Möglichkeiten. Darmstadt zum Beispiel. Aber auch jedes zweite Stadion ab dritte Liga abwärts bietet ihn noch: den ehrlichen Fußball, der oft viel schöner ist, als das Hochglanzprodukt, das via Sky totalvermarket wird. Für die Fußball-Feinschmecker habe ich einen ganz besonderen Tipp auf Lager, und nicht wenige Propheten ahnen, was kommt. Meine heimliche Liebe in der Schweiz: den FC Winterthur. Das vortreffliche Städtchen kennt man in Deutschland meist aufgrund einer Versicherung. Aber das ist Sicherheit von gestern. Seit 2006 gehört das Unternehmen zur AXA. Und trotzdem denken manche beim Namen Winterthur an Krawatten und Büros. Weit gefehlt. Das Städthcen täuscht. Nichts ist steif. UNd im Sommer ist es sogar noch schöner als im namensgebenden Winter. Kein übervornehmes Nest. Sondern eine authentische Stadt. Irgendwie ein Kontrapunkt zu Zürich. Und das gilt auch für den Fußball, wenn man den foulen Vergleich Home-of-FiFA (Zürich) - Stadion Schützenwiese (Winterthur) zulässt.

Winterthur ist immer eine Reise wert. Vor allem, wenn der FC spielt. Seit mehr als 10 Jahren erfreut sich der FC Winterthur einer authentischen subkulturellen Szene. Der Vergleich mit St. Pauli ist nicht von der Hand zu weisen. Aber im Gegensatz zu Pauli besitzt der FCW einige Eigenheiten, die weltweit einzigartig sind. Nicht das Solardach, das gabs in Freiburg schon, aber alles andere hat einen ganz eigenen Flair. Ganz besonders ausgefallen und weltweit einmalig ist die Einrichtung einer Galerie hinter den Stehrängen. Eine echte Galerie, die nur nebenher Sekt, Schnaps und Kaffee kabud ausschenkt. "Salon Erika" heißt der erlesene Ort, der nicht zufällig genau so groß wie ein Container ist. Auf der Schachtel obendrauf, trohnt "Gagarin" ein beleuchteter Kosmonaut. Am Eingang hängt ein altes Wella-Frisörschild, das die Galerie als "Salon Erika" ausweist.

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Der Salon ist nicht nur schön, sondern auch ein klares Statement gegen todorganisierte Eventkultur rund um den Fußball. Im Salon schlummert das anarchische Element. Und wer ihn betritt, weiß zu schätzen, wie lebendig dieses Element werden kann. Am Wochenende war ich dort. Ich besuchte den FCW - und meine geschätzten Freunde aus dem Umfeld des Vereins und des Salons. Eine Vorbereitungsspiel gegen den FC St. Pauli stand an. Da war Erscheinen nachgerade Pflicht. Vom Spiel und den Geschehnissen hatte ich an andere Stelle bereits berichtet.

Als ich im Salon war, erschien mir der einzig würdige Sonderpreis für den Vize-Propheten der neuen Saison 15/16. Ja, für den Vize. In Winterthur lebt man auch mit dem zweiten Platz. Hier besteht nur der Zwang zum guten Spiel, aber keinesfalls der Zwang zum Sieg. Deshalb lobe ich für den neuen Vize-Propheten aus:

Ein vollständiges Set der einzigartigen Fußballkunstkarten von Martin Schwarz, limitierte Auflage. Direkt im Salon Erika erstanden. Ich habe es eigens für diese Plattform nach Deutschland geschmuggelt. Ohne auf die verschärften Bedingungen für die Ausfuhr wertvoller Kunstgüter zu achten. DerSchweizer Maler, Konzept- und Objektkünstler, Fotograf, Autor und Verleger hat eigens für die Austellung Erika diese einmaligen Motive geschaffen. Wenn ich es richtig im Blick habe, hat er sich das erste Mal in dieser Form mit dem Fu0ball beschäftigt. Und ich darf sagen, die Ergebnisse sind umwerfend. Eigenwillige Ballinszenierungen, die den Fußball beschreiben als das, was er eigentlich ist. Hochkultur. Bombastisch. Einfach umwerfend. Darum möchte ich fast meinen: Was im letzten Jahr die Weinflasche für den Roten Propheten war, ist in diesem Jahr der Preis für den Vize-Propheten. Zweiter ist geiler. In diesem Punkt sind die Propheten wie Winterthur. Gewinnen ist zwar toll. Aber man muss es nicht verzwingen.

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Mehr über den Salon unter www.salonerika.ch

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