Zac Cox, Doha und der FCB

Der FC Bayern wird auch im kommenden Januar zum Trainingslager nach Katar reisen und zwar exakt dorthin, wo Zac Cox vor fast zwei Jahren starb. Es sei denn...

Liebe Fans des FC Bayern München! Ihr seid viele! Sehr viele! Zusammen könnt Ihr sehr mächtig sein. Und, wenn Ihr nur wolltet, könntet Ihr den Oberen Eures Vereins auch mal mächtig einheizen. Ich weiß, das ist beim Mia-san-mia-Verein nicht so üblich, aber vielleicht könntet Ihr mal eine Ausnahme machen, wegen Zac Cox und seiner Geschichte. Eine sehr traurige Geschichte.

Am 10. Januar 2017 gewann der FC Bayern München im Trainingslager in Doha sein Testspiel gegen KAS Eupen aus Belgien mit 5:0. Es fand auf dem von den Herren Rummenigge und Hoeneß jedes Jahr in höchsten Tönen gelobtem Trainingsgelände der Aspire Zone Foundation (AZF) statt, im Schatten des Khalifa-Stadions gelegen. Das Stadion ist eines der Vorzeigeprojekte Katars für die Fußball WM 2022 und befand sich just an diesem 10. Januar 2017 in der Endphase des Umbaus, von einem schlichten Stadion herkömmlicher Bauart, in einen Ort der Superlative. Hunderte von Arbeitern aus aller Welt gaben damals der Arena unter Hochdruck den letzten Schliff, denn bereits im Mai 2017 sollte es mit dem Endspiel des Emir Cups feierlich eingeweiht werden.

Einer von ihnen war Zachary 'Zac' Cox, ein 40 Jahre alter Bauarbeiter aus dem südenglischen Hove, bei Brighton. Der gebürtige Neuseeländer war als Arbeiter für das Joint-Venture Midmac/Six-Construct auf der Baustelle tätig, das wiederum als Vertragspartner für das Memminger Unternehmen Pfeifer und auch das malaysische Unternehmen Eversendai war involviert. Und der offizielle Auftrageber für diesen aufwändigen Stadionumbau war eben dieser achso ehrenwerte Gastgeber des FC Bayern München, die Aspire Zone Foundation. Und wie hinter allem, was seit Jahren in Katar mit viel Geld für die WM aus dem Boden gestampft wird, steckt auch hier der Chef dahinter, der Emir von Katar, der mit vollem Namen Scheich Hamad bin Khalifa bin Hamad bin Abdullah bin Jassim bin Muhammed Al Thani heißt. Also der, der angeblich auch schon mal ungefragt Rolex-Uhren an die verschenkt, die ihm nützlich sein könnten. Und falls sich jemand wundert, wie sich der belgische Provinzverein aus Eupen das Trainingslager in Doha leisten konnte, der Verein gehört auch dem Emir, bzw. der AZF.

Es ist unwahrscheinlich, dass Zac Cox damals beim Spiel der Bayern gegen Eupen vorbeigeschaut hat, er hatte keine Zeit dafür. Er und seine Kollegen waren gleich nebenan nämlich unter Hochdruck dabei, den so genannten Laufsteg unter dem Stadiondach zu montieren, der für die Logistik der Veranstaltungstechnik wie etwa Beleuchtung und Beschallung dort in 40 Metern Höhe umlaufend benötigt wird. Pfeifer, der Memminger Spezialist für den Bau von Stadion-Dächern, lieferte die Konstruktion, Midmac/Six-Construct stellte die Arbeiter und Eversendai die Baustellentechnik. Exakt neun Tage nach dem Bayern-Gastspiel in Doha, kam Zac Cox am 19. Januar 2017 bei dieser Arbeit im Khalifa-Stadion ums Leben.

Ein Teil des Laufstegs, auf dem Cox gerade stand und ihn montierte, brach plötzlich zusammen und kippte einseitig nach unten weg. Dabei kappte das Bauteil Zacs Sicherungsseil, er stürzte ab und fand in etwa 40 Meter Tiefe den sofortigen Tod. Mitten im Khalifa-Stadion. (Alles detailliert und im Bild dazu auch: hier)

Anfangs sah alles wie ein tragischer Arbeitsunfall aus, wie er trotz hoher Sicherheitsvorkehrungen immer mal wieder auf Großbaustellen vorkommen kann. Was nicht ganz dazu passte, war die ungewöhnliche Reaktion der katarischen Behörden auf diesen Vorfall. Sie nahmen als erstes denjenigen fest, der am ehesten die Gründe für diesen Unglücksfall zu nennen wusste. Cox' Freund und Arbeitskollege Graham Vance, ein Südafrikaner, der zuvor noch mit Cox auf dem Laufsteg gestanden hatte. Die Kataris wollten Vance jedoch nicht als Zeugen, um ihm entsprechende Fragen zu stellen, sondern, um ihm als an einer fahrlässigen Tötung Mitschuldigen den Prozess zu machen. Ihm drohten drei Jahre Haft.

Wenn die Kataris keinen Verantwortlichen finden, nehmen sie einfach den erstbesten, und der kommt nie aus ihren Reihen. Das Schema ähnelt dem, wie bei unzähligen Todesfällen von Bauarbeitern in Katar zuvor. Vertuschen, verdecken, Schuldige präsentieren, Besserung geloben und Gras darüber wachsen lassen. Die Angehörigen von Cox erfuhren Tage lang nichts über den Vorfall und es sollten noch weitere elf Monate bis Januar 2018 vergehen, bis sie überhaupt etwas Genaueres über Zacs Todesumstände erfahren sollten. Kurz davor wurde Graham Vance nach über zehn Monaten Untersuchungshaft durch den Druck seiner unermüdlichen Anwälte in die vorläufige Freiheit entlassen und konnte nach Südafrika ausreisen. Was an sich schon skandalös genug ist, wird noch getoppt durch den Untersuchungsbericht des Coroners aus Brighton, Veronica Hamilton-Deeley. Sie fand in ihrem Abschlussbericht klare Worte, für das, was auf der Baustelle in Doha wirklich geschah. Und das ist ungeheuerlich.

Am 27. Februar 2018, über ein Jahr nach Zac Cox' Tod, berichtet der Guardian: "Der einzige westliche Bauarbeiter, der bislang beim Bau der WM-Stadien in Katar ums Leben kam, war nach Aussage des Brighton Coroners 'das Opfer von Managern, die ihre Arbeiter offenbar wider besseres Wissen in eine durch mangelhafte Ausrüstung bedingte, 'geradezu lebensgefährliche Arbeitsumgebung' schickten." Der Coroner wird weiter zitiert: "Viele Verantwortliche wussten und hätten wissen müssen, dass sie von ihren Arbeitern verlangten, sich auf eine potenziell tödliche Ausrüstung zu verlassen." Die Planänderungen zur Beschleunigung des Laufstegaufbaus unter dem Stadiondach seien dazu "chaotisch, unprofessionell, gedankenlos und lebensgefährdend gewesen."

Es handelte sich um verrostete und defekte Montage-Flaschenzüge, die laut einem internen Untersuchungsbericht der beteiligten Unternehmen ursächlich für den Unfall waren und aufgrund fehlender Sicherheitszertifikate niemals hätten verwendet werden dürfen. Jon Johnson, ein Arbeitskollege von Zac Cox und Zeuge seines Todes beschreibt die Mängel im Guardian-Artikel: "Es fehlten Schrauben und bei einigen war die Mechanik aufgrund fehlender Bauteile sehr schwergängig. Das war Schrott. Man hätte sie in die Mülltonne werfen sollen." Dass die fehlerhafte Ausrüstung für Cox' Tod ursächlich war, stand bereits 11 Tage nach dem Arbeitsunfall fest. Auf Nachfrage, warum dieser interne Untersuchungsbericht Cox' Angehörigen und auch den Anwälten Grahams nicht zur Verfügung gestellt wurde (was letzteren sofort entlastet hätte) und warum man erst fast ein Jahr später davon erfahre, teilte das Unternehmen Pfeifer dem Guardian lapidar mit, dass es sich ja um einen internen Bericht gehandelt habe und nichts offizielles. Die katarischen Behörden hätten alle Informationen dazu zeitig bekommen und die seien für eine offizielle Erklärung nach Abschluss ihrer Untersuchungen zuständig gewesen. Man habe sich in dieser Angelegenheit nichts vorzuwerfen. So sahen das alle anderen Beteiligten selbstverständlich auch.

Zac Cox starb, wie viele andere Arbeiter in Katar seither und zuvor, für ein größenwahnsinniges Fußballprojekt reputationssüchtiger Autokraten. Zac Cox starb dazu unter Umständen, die vor allem dem Profitstreben der beteiligten Unternehmen geschuldet sind und dafür verantwortlich ist vor allem die Aspire Zone Foundation, als Auftraggeberin und Bauherrin des Stadions. Katar zahlt dem FC Bayern München viel Geld für den alljährlichen Trainingsbesuch in Doha sowie mit Katar Airways als Sponsor Unsummen von Geld darüber hinaus. Das macht im Umkehrschluss auch den Münchner Club zu einem dieser Profiteure. Der Tod von Zac Cox rückt den Wahnsinn des katarischen Fußballprojekts, das im Wortsinn über Leichen geht, in Europa vielleicht in ein anderes Licht und ein bisschen näher an unsere Herzen und unseren Verstand. Die vielen in Katar auf den Fußball-WM-Baustellen bereits verstorbenen, hierzulande vollkommen namenlos gebliebenen Nepalesen, Inder, und Arbeiter vieler weiterer asiatischer Nationalitäten haben das bisher leider nicht vermocht.

Vielleicht liebe Bayern-Fans, habt ihr den Schlüssel dazu in der Hand, diesen Wahnsinn zu beenden oder zumindest zu erschweren. Nutzt die sozialen Medien, Eure Fan-Foren und schreibt Euren Stars und Vereinsbonzen direkt hinter die Ohren, wer Zac Cox war, wo und warum er starb und was der FC Bayern damit zu tun hat. Hummels, Kimmich, Boateng und Co. sollen sich gefälligst daran erinnern, wenn sie im nächsten Januar bei einem Testspiel oder zum Trainieren in das Khalifa-Stadion einlaufen sollten und dabei die 40 Meter nach oben unter das Stadiondach schauen, die Zac Cox, genau von dort, vom Laufsteg aus, nach unten stürzte. Und schreibt ihnen dazu, warum ihr sie als Fans deswegen dort nicht haben wollt und aus zahlreichen weiteren Gründen schon mal gar nicht in dieses Trainingslager begleiten werdet.

Etwa, weil Frauen in Katar per Gesetz systematisch diskriminiert und benachteiligt werden sowie familiärer Gewalt schutzlos ausgeliefert sind. Oder weil die Folter in der Haft sowie die Todesstrafe in Katar trotz gegenteiliger Beteuerungen nach wie vor existent sind. Oder weil das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit faktisch nicht existiert. Oder weil etwa 80 Prozent der Gesamtbevölkerung aus ausländischen Arbeitskräften besteht, von denen die Mehrheit mit einem Ausreiseverbot in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt unter Zwangsarbeit- und Sklaven-ähnlichen Bedingungen leben muss. Achja, Homosexualität ist natürlich auch verboten und wird mit 5 Jahren Haft bestraft. Vorehelicher Geschlechtsverkehr ist ebenso strafbar wie das Trinken alkoholischer Getränke in der Öffentlichkeit, das auch bei Ausländern das Auspeitschen als Strafe nach sich zieht. Das alles zusammen dürfte zur Erklärung vermutlich selbst für den ignorantesten Bayern-Spieler ausreichen.

Nur zu, liebe Bayern-Fans, verbreitet diese Botschaft in Euren Kreisen. Ihr seid es Zac Cox moralisch schuldig. Vielleicht hilft es, diesen Fußball-Alptraum Katar mit all der Korruptheit und Verlogenheit am Ende tatsächlich zu beenden. Ihr schafft das! Wenn jemand, dann Ihr. Ihr seid viele, sehr viele!

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