Der coolste Club der Liga

Wie cool sind die denn? Gemeint ist nicht die Coolness, die übrig blieb, nach dem die ahnungslose Jugend das Coolsein rettungslos verhunzt hat. Also so teilruiniert wie die Pseudos der Vorstädte, die cool sein wollen, aber mit ihrem Rumgepose nur den durchschnittlichen Hipnesszwängen hinterherhecheln. Die sich abrackern und verbiegen um sich so zu bewegen wie in inszenierten Hiphop-Billigproduktionen. Und das nur tun, weil sie nicht wissen, wie cool wirklich geht. Um am Ball zu bleiben: Hier geht es also nicht um lächerliche Hauptstadt-Attitüde von irgendwelchen Berliner Nachwuchskickern, die nur so tun, als wäre ihnen alles egal, um die heiße Luft hinterher in aufgeblasenen DAZN-Serien zu verbreiten, C-Serien, die etwa so spannend sind wie der Suter-Groschenroman über Bastian Schweinsteiger.

Nein. Hier ist die echte Coolness gemeint, die ursprüngliche. Diejenige, die es gab, bevor Coolness zum Allerweltsbegriff wurde. Die Art von Coolness, die man treffend mit Lässigkeit übersetzt. Nicht die behauptete Coolness, die man sich selbst attestiert. Sondern die echte Coolness, die von Anderen bewundernd festgestellt wird. Die Coolness, die darin besteht, sich souverän zusammenzureissen, sich nicht anzupassen und in aller Seelenruhe seinen eigenen Scheiss zu machen. Die Coolness der Jazz-Clubs des letzten Jahrhunderts. Die Coolness der effektiven Rebellion und des Punks. Diese wahre Coolness ist gemeint, und da kann es nur einen Klub geben. Alle anderen sind echt uncool.

Willkommen in Bielefeld

Mal ehrlich, Arminia ist das größte realexistierende Rätsel des deutschen Profifußballs. Was hat dich nur so cool gemacht, Arminia? Der Name scheidet aus. Arminia stammt vom Feldherrn Arminus, der in der Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. die Römer platt gemacht hat und zur Gründungszeit des Vereins ziemlich unangenehm überhöht wurde. Das nachgestellte DSC macht es nicht besser. Deutscher Sport Club. Aber damit halten sich die Bielefelder nicht auf. Bei der Arminia handelt es sich um einen  der ersten Klubs, der sich weltanschaulich auf die Höhe der Zeit begibt. Mit Haltung, Solidarität, Regenbogenfarben und einer Social Media, die man als cool bezeichnen könnte, wenn nicht Facebook, Twitter und die Anderen sich am gefährlichen Rande der Coolness bewegen würden.

Was hat dich nur so cool gemacht, Armina?

Du selbst. Also Armininnen und Arminen. Fans des erfolglosesten aller deutschen Traditionsvereine müssen sich um nichts anderes scheren – und schon gar nicht darum, wie man außerhalb von Bielefeld über sie spricht. Sie bleiben locker. Volle Leidenschaft und die Fähigkeit über sich selbst schmunzeln, schließen sich nicht aus. „Ostwestfalen, Idioten“, singen sie. Und gewinnen mit dieser Schubumkehr in jedem Stadion. Die Arminia-Verehrung denkt den Abstand zu sich selbst mit. Anders geht es nicht, sagen echte Arminen. Niemals deutscher Meister, niemals Europacup, dafür stets bereit zu Abstieg, Pleiten und anderen Bundesligaskandalen. Das ist die Arminia. Sie wird niemals untergehen. Und wer meint, in Bielefeld wären lauter graue Mäuse zu Hause, war noch nie dort. So muss Fußball, meine Damen und Herren. Nichts wirkt aufgesetzt. Alles bleibt herzlich. Und doch wild entschlossen. Die Fankarawane zieht vom Bahnhof durch die Vorstadt zum Stadion. Halbe Strecke Pflichtrast am Siegfriedplatz, dort drittes Bier, dann weiter auf die Alm, die natürlich keine ist. Ironie seit 1924, seit sich der unpassende Stadionname durchgesetzt hat. Weitere etymologische Forschungen wären uncool, oder? Schüco-Arena heißt die Alm entzwischen, aber das juckt keinen. Gut so. Soll doch das Stadion heißen, wie es will. Wir machen unser Ding in Bielefeld.

Ach… wir sind gerade abgestiegen? Vermutlich. Das ist doof, aber kein Grund sich über Gebühr aufzuregen. Man könnte es auch Charakterstärke nennen. Runter in die Zweite Liga mit Würde. Nicht wie man in Kaiserlautern runter geht, mit Zeter, Mordio und dieser grenzenlosen Weinerlichkeit, von wegen es sterbe die gesamte Region. Nicht wie in Schalke, mit dieser Selbstverliebtheit, die nur aus unlockerer Gossenarroganz besteht, von wegen „beste Fans der Welt“. Nicht wie Stuttgart absteigt, mit der dumpfen Bruddelei und dem aus der Zeit gefallenen Gemecker, dass in dieser Wirtschaftsregion mehr drin sein müsste. Nein, Bielefeld steigt ab wie es immer abzusteigen pflegt. Mit Noblesse. Der Bundesligameister im Auf- und Abstieg bleibt tiefenentspannt, denn er weiß, dass er wieder kommt. Nächste Saison. Übernächste Saison. Oder nach einem Ausflug in die dritte Liga. Ostwestfalen ist niemals tot zu kriegen. Viel zu cool dafür.

Bielefeld und Stuttgart

Hier in Stuttgart haben wir tatsächlich ein inniges Verhältnis zu Bielefeld. Schon aus historischen Gründen. Gerne würde man beim VfB behaupten, er wäre der Profiklub, der am längsten am selben Ort spielt. Wäre nicht die Alm. Auch sportliche Gründe verbinden die ungleichen Clubs. In Bielefeld liefert der VfB stets legendäre Spiele, zum Beispiel 2006 ein 2:3 mit 9 Mann am Ende. Die 30-Meter-Kiste von Cacau... unvergessen. Andersrum ist Arminia Angstgegner zu Hause im Neckarstadion. Und schließlich wird die Verbindung von Bielefeld und Stuttgart von Personen getragen. Die Fraktion Ostwestfalen in Württemberg ist stark. Natürlich unauffällig, sie bleibt ja lässig. Sie besteht unter anderem aus dem coolsten Sporterklärer, dem vortrefflichen SWR-Mann Lennert Brinkhoff, diesem Kenner der Fußballkultur, einem Stammgast in der Arminen-Fankneipe Heimat & Hafen. Und natürlich dem coolsten VfB-Fan ever, selbstverständlich ostwestfälischer Herkunft. Wie lässig ist bitte dieser Sebastian Rose geblieben, als sein ansonsten geschätzter Podcast- und Livevideokollege Riky Palm auf Hertha-Niveau hinab stieg und Davie Selke als falsch rasiertes Meerschwein bezeichnete? Den entsprechenden STR Video-Nachweis per Link sparen wir uns aus Gründen des Niveaus. Dafür sparen wir nicht, damit den noblen Herrn Rose einen King of Cool zu nennen. Im Übrigen wird ganz Deutschland aufgemischt von unauffälligen Arminen. Zum Beispiel vom Autor der Fußballheimat Saarland, dem Propheten Carsten Gier. Oder von SPD-Außenstürmer Kevin Kühnert. Er ist seit kurzem ein Armine, etwas Coolness darf auf ihn noch abfärben. Zu loben ist in diesem Zusammenhang auch die konsequente Abwanderung aus Bielefeld. Zum Beispiel der Move der 11Freunde, die vor vielen Jahren ihren Standort von Bielefeld nach Berlin verlegten. Tatsächlich war das Magazin deutlich zu erfolgreich, um noch als bielefelderisch zu gelten. Und siehe da: Hipsterredakteur Philipp Köster passt wie angegossen in die Hauptstadt. Ob DAZN schon für eine hippe Reality-Serie aus der 11Freunde-Redaktion angefragt hat, ist aktuellen Zeitpunkt nicht bekannt. 

So rutscht die Arminia dieser Tage ziemlich unaufgeregt in Liga zwei. (Vorausgesetzt Stuttgart krönt seine Saison nicht mit einer Kanterniederlage gegen Anthony Modeste). Und was passiert? Nichts. Das Bier am Siegfriedplatz wird weiter fließen. Nächsten Samstag erleben wir höchstwahrscheinlich den lässigsten Abstieg der Bundesligageschichte. Um so viel lässiger als dieser uncoole Text.

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