Emotion pur

Heute mal ein absolut unüberlegter Beitrag. Sorry. So ist Fußball. Auch der Blogger darf mal seine Emotionen ausleben, oder etwa nicht?

An dieser Stelle findet man fundierte Gedanken über Fußball – formuliert in wohl strukturierten Sätzen. So ist das an normalen Tagen. Nicht heute. Heute schreib ich einfach, was mir einfällt. Grad drauflos. Ohne Struktur im Kopf. Ohne jede Recherche. Ohne großen Plan. Vermutlich versau' ich's mir mit ein paar Freunden. Aber das ist heute wurscht. Heute schalte ich das Hirn aus. Ich darf das. So ist eben Fußball heutzutage: Emotion pur.

Für Traditionalisten sei erwähnt: Das Ding mit der Emotion ist relativ neu. Wie sprach der Mittelstürmer Jürgen Klinsmann, als er noch nicht vom großen Geld benebelt von einem Big-City-Club daherschwurbelte: Er sprach beim Fußball von "Gefühlen, wo man schwer beschreiben kann". Sein Spruch wäre untergegangen, wenn er von Emotionen gesprochen hätte. Hat er aber nicht. Er sprach von Gefühlen. Das ist griffig. Gute deutsche Sprache. Darunter kann sich jeder was vorstellen. Anders die Emotion. Sie ist gruseliges Neudeutsch. Man spricht von ihr, weil sie angenehm inkonkret bleibt. Irgendwie vage. Zum Gefühl hat's nicht gereicht. Die Emotion bleibt im Marketing-Gelalle stecken.

Die Urheber

Erfunden haben es wohl sprachliche Grenzgänger vom Spartensender Sport1, früher bekannt als DSF. Dieses Stück Minderheitenfernsehen kam vor einem Jahrzehnt auf die Idee, den Zweitligakracher LR Ahlen gegen Wacker Burghausen am Montagabend live zu zeigen. Kommentar: Jörg Dahlmann oder Oliver Forster. Väter der Emotion. Also Väter der echten Emotion pur.

Die neue Permanent-Emotion könnte putzig sei – und ich ein semi-semantischer Korinthenkacker. Leider ist es nicht so einfach. Emotional und Rational sind zwei verschiedene Paar Fußballschuhe. Immer häufiger wird die Emotion ins Spiel gebracht, gedacht als stichhaltiges, rationales Fußball- oder Fan-Argument. Eine Art Heiligsprechung der gedanklichen Schlichtheit. Die neue Emotionale argumentiert allen Ernstes, die Kurve möge gefälligst ein Refugium der Emotion bleiben. Die Fans hätten ein Recht darauf. Aus Marketingsicht sei das gut so, sekundieren die Marketer. Sie wittern Geld. Logisch, je weniger Zielgruppen reflektieren, desto mehr kann man verdienen. Was beim Kampf ums Recht auf Emotion wirklich gemeint ist, ist das Recht auf Dummheit. Zeitgemäßer formuliert: Dummheit pur.

Das Problem

Wie verteidigte der unsägliche Holger Badstuber sein Muschi-Gewäsch auf offenem Platz? Er wolle weiterhin seine Emotion auf dem Platz ausleben dürfen. Aha! Wie verteidigen gemeine Fanversteher rassistische, homophobe oder andere Beleidigungen aus dem Block? Mit der Emotionalität, die beim Fußball wohl noch erlaubt sein dürfe. Wie bezeichnen Profis die ungehörten Beleidigungen auf dem Platz? Als emotionale Spielweise. Selbst purer Rassismus läuft in diesem Fall unter Provokationen, die eben zum Handwerk gehören. Wer den Anderen zur Weißglut bringt, ist ein ganzer Routinier. Mit allen Wassern gewaschen. Ach... welche Sportart hat ein Problem mit Gewalt auf den Plätzen der mittleren und niederen Spielklassen? Genau: Die Sportart, die an großen Emotionen nicht genug bekommen kann.

Die Realität

Im Kleinen finden wir das Grundmotiv in der Diskussion um den VAR. Die Argumente: Der VAR töte die Seele des Spiels. Er verhindere Emotionen. Er müsse weg. So argumentieren Fans, die sich wichtiger nehmen als das Spiel selbst. Der sportliche Grundgedanke, dass der Bessere gewinnen möge, ist ihnen egal. Es geht um den eigenen Jubel... Verzeihung: die Emotion. Am VAR sollte noch gebastelt werden, keine Frage. Jedoch: Der endlose Protest gegen den edlen Versuch für mehr Gerechtigkeit, für mehr Fairness und weniger Schiebung zu sorgen, erscheint allzu preisgünstig und populistisch.

Wer ungestört jubeln möchte, soll zur Sportart wechseln, die man an hippen Pullovern eines anerkannten Experten erkennt. Das schmerzt zwar jeden guten Geschmack, aber beim Handball gibt es mehr Tore, mehr ungetrübten Jubel, mehr Emotionen und weniger Tor-Rücknahmen. Ganz nebenbei wird plötzlich so getan, als wäre früher kein Tor jemals auf einem Fußballplatz zurückgenommen worden. Danke Emotion. Die Realität steckt in der Krise. Ganz ohne Fake News.

Die Hoffnung

In dieser verzwickten Gefühlslage kommt ein hochemotionaler Hoffnungsschimmer gerade recht: Til Schweiger will Bastian Schweinsteiger verfilmen. Zweifellos knüpft das Vorhaben an das legendäre Film-Monument an, das jüngst über Toni Kroos alle Rekorde sprengte. In einer Pressemitteilung begründete Schweiger sein Vorhaben mit den Worten: "Bastian Schweinsteiger bedeutet für mich Emotion pur". Also nicht "pure Emotion", das wäre wenigstens halbwegs deutsch gewesen. Nein, Schweiger rief "Emotion pur" aus. Er kennt sich aus im Fußball. Ich gebe zu: Als ich davon las, schöpfte ich Hoffnung. Ich spürte eine Ahnung. Möglicherweise, so dachte ich, könnte der Zenit der Emotion soeben überschritten sein.

Mit dieser versöhnlichen Vorhersage möchte ich meine völlig rationalen Einlassungen an dieser Stelle beenden. Niemand lektoriert. Kein Quentchen meiner Emotion soll verloren gehen. Einen gescheiten Schluss kann ich mir auch sparen. Ich habe fertig.

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Noch nicht ganz. Abseits jeder Glosse passen zwei Veranstaltungshinweise wunderbar unter diesen Text:

1.

Thema Schiedsrichter:
Donnerstag, 23.1., VfB-Fanprojekt
Schiri, wir wissen wo Dein Auto steht
mit Urs Meier, Alex Feuerherdt (Collinas Erben) und Marc List (wfv)
Mehr Infos heimspiele-buch.de

2.

Thema Gefühle:

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