Raiffeisen rettet den Fußball

Die Stadien bleiben weitgehend leer. Keiner stört die Propheten beim Träumen. Eine Utopie.

Die Leere ist ein Virus. Die Stadien gähnen in voller Lautstärke. Keine noch so ausgeklügelte Tonoption übertönt das Husten des Balles. Auch ein paar zugelassene Zuschauer ändern daran wenig. Die Symptome lassen Böses erahnen. Kommerzialisierung und Entfremdung rangieren bei den Fanthemen weit vorne. Es lohnt sich ja nicht über die Meisterschaft zu spekulieren, wenn die Schale sowieso in München landet. Wie die Spiele ausgehen, liest man schon zuvor an der Budgettabelle ab.

Darüber meckern viele. Manche gründen Initiativen. Aber allen fehlt eine Idee, wie es besser werden könnte. Die Fan-Initiative "Unser Fußball" hat jetzt ihr Konzept "Fußball als Publikumssport" vorgelegt. Der Vorstoß ist ambitioniert. Aber Revolution geht anders. Ein Positionspapier so fantasievoll wie eine Satzungskommission. Wer das Werk auf konkrete Impulse abklopft, dem dröhnt erneut der Sound des leeren Stadions in den Ohren. Dabei wären Utopien notwendig. Wahrscheinlich wurden sie in Gremien zerredet. Auch die deutsche Akademie für Fußballkultur hat den frappierenden Mangel an Utopien erkannt. Sie hat einen Publikumspreis ausgeschrieben. Gesucht wird die Fußballutopie des Jahres. Gefahndet wird nach einem Anhaltspunkt, dass Fußball nicht nur schön ist, sondern auch sinnvoll.

Der Ruf nach dem Unvorhersehbaren ruft vorhersehbarerweise die Propheten auf den Plan. Schließlich sind wir Experten in Prognosen, die niemals eintreffen. Hier unser Beitrag zur Fußballutopie des Jahres. Natürlich außer Konkurrenz.

Gründet Genossenschaften!

Beantworten wir endlich die Frage, wem der Fußball gehört, mit der naheliegendsten aller Antworten: Allen. Den Kurven, den Logen, den TV-Glotzern, den Sponsoren, einfach allen. Allen steht es frei, in Fußballgenossenschaften einzutreten. Schalke 04 e.G. Eintracht Frankfurt e.G. SpVgg Fürth e.G. Vereine werden in Genossenschaften umgewandelt. Worin besteht ihr Vorteil? Vordergründig darin, dass die Gewinne unter den Genossinnen und Genossen aufgeteilt werden. Ein entscheidender Upgrade gegenüber jedem Verein. Erwirtschaftet die Genossenschaft Gewinne, profitieren die Genossinnen und Genossen, also die Fans. Die Rendite – so es eine gibt – fließt zurück in die Kurven. Investoren sind willkommen, aber natürlich nur dann, wenn sie der Genossenschaft gefallen und mit Mehrheit willkommen geheißen werden. Praktizierte Wirtschaftsdemokratie. Über neue Genossinnen und Genossen, die mehr als 3 Prozent der Geschäftsanteile einlegen, wird abgestimmt. Übrigens: Wer Genossin oder Genosse wird, darf selbst wählen, ob er eine Dauerkarte oder ein Einzelspiel-Abo für seine Mannschaft möchte. Das ist in den Anteilen inbegriffen.

Gründet mehr Genossenschaften!

Wenn Vereine zu Genossenschaften werden, müssen Verbände und mediale Vermarkter nachziehen. Die neue DFBL e.G. (eingetragene Genossenschaft) verwaltet das Wirtschaftsgut Fußball im genossenschaftlichen Geiste. Faszination vor Profit. Der Fußball gehört allen. Auch alles, was die Sky e.G. und DAZN e.G erwirtschaften, fließt an die fußballspielenden Genossenschaften zurück. Bei Einzelspielen werden die Gebühren 50:50 geteilt, bei Konferenzen unter allen spielenden Parteien gleichmäßig. Ohne Ansicht des Tabellenplatzes. Wenn einzelne Genossenschaften europaweit spielen, wird der Erlös daraus selbstverständlich unter allen deutschen Fußballgenossenschaften aufgeteilt.

Zu weit linksaußen?

Alteingesessenen Wohnungsbaugenossenschaften und Volksbanken zum Trotz: Die genossenschaftliche Idee kommt stark über den linken Flügel. Eine andere Bezeichnung erscheint angebracht. Nennen wir unsere Fußballgenossen besser Eigentümer. Damit könnte die Idee salonfähig werden. Aus Fußballinteressierten (vulgo: Fans) werden schlicht: Eigentümer. Damit ist ein weiterer Vorteil verbunden: Eigentümer sorgen sich mehr um ihr eigengesetztes Vermögen als einfache Mitglieder um ihren Mitgliedsbeitrag. Tatsächlich fließt auf diese Weise das Geld mehr und mehr aus dem Spiel heraus. Viele Summen werden niedriger, das Spiel schöner. Die Diskussion um Gehaltsobergrenzen erledigt sich von selbst. Marketingabteilungen und andere Luxusangestellte werden abgebaut. Spielerberatern steht es offen, Sozialhilfe zu beantragen oder umzuschulen. Neymar geht nur noch einmal im Monat zum Friseur umme Ecke.

Raiffeisen rettet den Fußball

Der erzkonservative Fußballbetrieb wird mit einer Idee angereichert, die älter ist als er selbst. Die kooperativen Genossenschaften, die einst im frühen 19. Jahrhundert entworfen wurden, werden eine Sportart revolutionieren, die aus dem selben Jahrhundert stammt. Die alten Utopisten Wilhelm Friedrich Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch sind immer noch sozialer und fortschrittlicher als jeder, der heute in der Otto-Fleck-Schneise wohnt. Und sage keiner, die Revolution wäre eine Utopie. Es gibt ja auch Schalke-Fans, die daran glauben, eine Meisterschaft zu erleben.

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Habt Ihr auch eine Utopie, die niemals eintreffen wird? Dann teilt sie uns mit. Wie immer geht es um die Abshclusstabelle der ersten und zweiten Liga.

Nur noch ein Pokal-Wochenende trennt uns vom Liga-Start. Bitte gebt jetzt Eure Saison-Prophezeiung ein. Am ersten Spieltag ist die Plattform unerbittlich. Verspätete Tipps können wir leider nicht mehr berücksichtigen, gell

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