Sportsfreunde der Woche: VfL Wolfsburg

Bonjour tristesse! Wenn Dich ein trister Wintertag herunterzieht und Dein Verein Dir Sorgen macht, denke an die Wölfe in Wolfsburg, dann geht es Dir gleich besser!

Vielleicht liegt‘s am kalten Ostwind, der aus den fernen Weiten Russlands herüberzieht. Nichts von nennenswerter Gebirgsgröße stellt sich ihm entgegen, wenn Väterchen Frost von Belarus aus über die Weichsel, die Oder und die Elbe hinwegzieht, Berlin zwischendurch links liegen lässt, und sein eiskaltes Tuch bis ins niedersächsische Tiefland ausbreitet. Selbst dem stärksten Wolf ist dabei nur noch zum Heulen und Zähneknirschen zumute. Vor allem rund um Wolfsburg sind zurzeit die Wölfe nur mit einer eingeklemmten Angstrute unterwegs. Die recht erfolgreichen Wölfinnen des VfL Wolfsburg sind davon ausdrücklich ausgenommen, genauso wie das andere Wildgetier in dieser Gegend, die Grizzlys, die naturgemäß sehr kälteresistent, in der Deutschen Eishockey Liga bei den Eisbären sowie diversen Tigern und Pinguinen aus unterschiedlichen Regionen durchaus gefürchtet sind. 

Ja, die Wölfe. Niemand konnte 1945 bei der Umbenennung der „Stadt des Kraft-durch Freude-Wagens nahe Fallersleben“ in Wolfsburg ahnen, dass sich der Wolf einst tatsächlich wieder einmal leibhaftig dort blicken lässt. Heute sind wieder etwa 38 Wolfsrudel in Niedersachsen zuhause. Vor allem im Osten, dort wo sich die Produktionshochburg des „KdF-Wagens“ auf Drängen der Siegermächte mit der martialisch klingenden Kombination der Wörter Wolf und Burg eine neue Stadtidentität gab. Das nahegelegene Schloss Wolfsburg derer von Bartensleben stand Pate. Die namensgebenden Wölfe selbst waren zu der Zeit (noch) nicht (wieder) anwesend. Der letzte deutsche Wolf wurde 1888 angeblich in Bayern erschossen und die ersten zurückgekehrten Wölfe in Niedersachsen wurden erst 2006/2007 gesichtet. Sie kamen auf dem gleichen Weg wie Väterchen Frost dorthin, nachdem auch die letzten der in Zeiten des kalten Krieges aufgebauten Hindernisse verschwanden. 

Doch hier geht es ja eigentlich um das fußballerische Alpha-Wolfsgetier. So wahr, dass der KdF-Wagen heute Volkswagen heißt und so wahr, wie es irgendwo rund um Fallersleben heute wieder echte heulende Wölfe gibt, so wahr ist es auch, dass den Wölfen in der Volkswagen-Arena zurzeit ebenfalls nur noch zum Heulen zumute ist. Der VfL Wolfsburg spielt bisher eine desaströse Saison. Und das trotz eines ausreichend mit klangvollen Namen bestückten Kaders, den der VAG-Konzern allein schon aus Prestigegründen großzügig finanziert hat. So wie jedes Jahr. Die nicht ganz so großzügig alimentierte Frauenfußballabteilung des VfL liefert schon seit Jahren eine ordentliche sportliche Rendite. Was man von den Fußballern nicht behaupten kann. Und immer, wenn es nicht klappte, holte man einen neuen Trainer. Jahr für Jahr kommt ein frischer. Der letzte Trainer, der in Wolfsburg etwas länger den Alpha-Wolf geben durfte, war Dieter Hecking, der von 2012 bis 2016 recht erfolgreich war.

In dieser Saison wird der Jahresrhythmus bei der Trainersuche vermutlich einem Halbjahresrhythmus weichen. Im letzten Oktober löste Florian Kohfeldt den erfolglosen „Aggressive Leader“ Mark van Bommel ab, da er offensichtlich nicht genügend Biss hatte oder womöglich doch zuviel. Der gute Kohfeldt wirkt dagegen wie ein Schaf, dem man eingeredet hat, mal ein bisschen auf das Wolfsrudel aufzupassen während sich der Rest der Herde vom Acker macht. Seine Bilanz ist ebenso niederschmetternd wie die von van Bommel zuvor. Eingestellt hat die Herren ein Herr Jörg Schmadtke, dessen Karriere angesichts der Tabellenlage an einem ebenso dünnen Faden hängt, wie die des Trainers. Das wäre nur folgerichtig und nicht einmal der Betriebsrat der Volkswagen AG wird etwas dagegen einzuwenden haben. 

Etwas rätselhaft bleibt die sichtbar nicht vorhandene Motivation eines Großteils des hochbezahlten Rudels auf dem Platz. Wenn die es am nächsten Spieltag nicht schaffen sollten, die bereits waidwund umher laufenden Fürther zur Strecke zu bringen, dann droht ihnen Ungemach. Sie sollten sich sehr, sehr anstrengen. Falls nicht, droht ihnen Magath. Der war schon immer der härteste Schleifstein der Volkswagen-Funktionäre, wenn es die Leistungsbereitschaft des VfL wieder etwas zu schärfen galt. Schlechte Leistungen der Werkskicker schlagen seit jeher den Volkswagenmitarbeitern auf das Gemüt und senken die Produktivität. Es gibt für diese keine größere Gefahr, als das VW-Schichtgelaber am Band, wenn der VfL mal wieder verloren hat. Magath hat ihnen die Meisterschaft beschert und sie einmal heldenhaft vor dem Abstieg bewahrt. Da spielt es keine Rolle, dass die bei VW bis heute noch nicht wissen, wie sie die vielen Millionen verbuchen sollen, die Magath damals im Kaufrausch vollkommen sinnlos zum Fenster rausgeworfen hatte.

Passieren muss in Wolfsburg so oder so etwas. Volkswagen ist auf einen passablen Bundesligaverein angewiesen, allein schon um den Standortnachteil „Provinz“ auszugleichen. Der Fußball hält die Mitarbeiter bei Laune, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, die Anhängerschaft bei den Wölfen sei eine Klausel im Arbeitsvertrag, so wie die Pflicht zum Currywurstessen. Das gilt nicht für das obere Management. Die Herren wohnen ohnehin nicht in Wolfsburg, sondern in der Metropole Berlin, wie es sich für die Manager von Welt gehört. Und der Fußball beim VfL ist ihnen so Wurst wie die Currywurst. Man kann es ja verstehen. Alles was zwischen Hannover und Berlin liegt, gleicht einer wüsten Ödnis in der sich nicht umsonst heute die Wölfe wieder bevorzugt niedergelassen haben. Seit Jahren schon vergessen ICE-Lokführer immer mal wieder in Wolfsburg anzuhalten und rauschen hindurch, auf dem Weg von der Landeshauptstadt in die Bundeshauptstadt oder umgekehrt. Schon Konrad Adenauer soll in den Zwanzigerjahren auf seinen Dienstreisen per Zug, von Köln nach Berlin und zurück, immer kurz nach der Elbe die Fensterrollos geschlossen haben, damit er „die asiatische Steppe“ nicht ansehen musste. Für den VfL Wolfsburg bleibt sehr bald zu hoffen, dass es überhaupt noch Trainer und Funktionäre gibt, die sich von diesem Standortnachteil nicht beirren lassen.

(Bild von Sarah Richter auf Pixabay)

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