Die Hopser der Schützen beim Elfmeter

Hops und rein das Ding. Wie kindisch. Darüber aufregen lohnt sich allerdings kaum.... oder doch?

Gelobt sei das schöne Spiel. Im Schatten des Ergebnisfußballs modert es dahin. Viel zu selten wird die Ästhetik gewürdigt. Schönheit meint mehr als nur Strategie und Matchplan. Auch die Bewegungsabläufe tragen dazu bei. Weniger diejeingen eines Ludowig Magnin, eher die eines Dennis Bergkamp. Zugegeben: Kicker sind keine Eiskunstläufer. Dribblings, Sprints und Tacklings schielen auf keine B-Note. Die Eleganz des Bewegungsablaufs folgt dem Zweck der Torerzielung. Ein künstlerischer Wert ergibt sich wie von selbst, quasi beiläufig. Also keine selbstherrlichen Pirouetten, sondern entscheidende Tore zum Sieg. Tatsächlich wollen Ballakrobaten und Laufwegschoreografen nur das Eine. Doch auf dem geraden Weg zum Tor steht meistens der Gegner im Weg. Er zwingt zu Pässen, Tricks, Dribblings und anderen Finten. Laufen und laufen lassen. Schönheit im Ganzen und Eleganz jedes Einzelnen als Summe. Tatsächlich fordert die Beherrschung von Körper und Ball 95 Minuten lang den gesamten Athleten. Der Fußball zwingt ihn förmlich zu Anmut. Das ist die Seite, die man gerne sieht.

Kasper am Punkt

Hier kommt die andere Seite. Sie spiegelt sich in der grenzenlosen Taktlosigkeit mancher Akteure. Neuerdings verhöhnen Spieler ihr Team im laufenden Match. Ausgerechnet bei der Ausführung des Elfmeters. Ein Wahnsinn. Der vielleicht heiligste Moment der Partie wird dazu missbraucht, die gesamte Veranstaltung lächerlich zu machen. Im Augenblick maximaler Spannung, kurz vor der Vollendung, müssen wir pfauenhaften Bewegungslegasthenikern zuschauen. Man muss sich das vorstellen. Das Team wirft seine gesamte Harmonie in die Waagschale, um diese entscheidende Situation heraufzubeschwören. Dann läuft ein Hampelmann an den Punkt. Wenn das Spiel die maximale Spannung erreicht, ganz oben am Kulminationspunkt, geht das Kasperltheater los.

Unseliger Josef

Vermutlich hat Josef Martinez damit angefangen. Der venezolanische Nationalspieler spielt in der amerikanischen Operettenliga. Bei Atlanta United hat man ihm die Strafstöße überlassen. Warum eigentlich? Er läuft an, als würde er gleich zum ersten Mal in seinem Leben gegen einen Ball treten. Seine Unbeholfenheit gerät zwei Schritte vor dem Punkt endgültig ins Stocken. Dann springt Martinez ab, scheinbar plötzlich, ohne jeden Grund. Ein nullfacher Salcho des Selbstgefälligkeit. Martinez bockt. Wie ein Pferd, das vor dem Wassergraben verweigert. Dass er den Elfer gelegentlich versenkt, ist zweitrangig. Die Würde des Elfmeters hat Martinez schon vorher in Schutt und Asche gelegt.

Als Marotte eines einzelnen Venezolaners könnte das noch angehen. Doch es ist eines der Kernprobleme des modernen Fußballs, dass jeder Unfug als Vorbild herhalten muss. Die bockige Elferhopserei hat längst England erreicht. Bruno Fernandez von Manchester United und Jorginho vom Chealsea FC haben die Gockelei kopiert.Von wegen: Wer trifft, hat recht. Jeder Torschütze, der das hohe Ziel der Verwandlung aus elf Metern auf dem Altar der Selbstinszenierung opfert, hat sein Recht auf Jubel und Anerkennung verwirkt. Man darf vermuten, dass sich die dämliche Hopserei des Schützen beim Elfmeter bereits auf dem Weg in Deutschlands Kreisklassen befindet. Als Zwischenstation dient Darmstadt 98. Seit dieser Saison bringt Lilien-Stürmer Dursun den Gaulsprung beim Strafstoß zur Aufführung. Ein galoppierender Schwachsinn.

Zaza – und der Zauber verfliegt

Was an der Hopserei so kindisch ist, ist leicht beschrieben: Es bringt nichts. Der Sprung ist komplett dysfunktional. Im Grunde ein Risiko. Die Trainerteams werden den Mist nur so lange durchgehen lassen, bis einer versemmelt. Die Fehlschüsse werden kommen. Dann ist die Marotte wieder aus der Welt. Vorbild: Der italienische Stürmer Simone Zaza. Er hat im Elfmeterschiessen der EM 2016 seinen Dribbelschritt-Anlauf coram publico in die Tonne gekloppt. Eine Blamage vor den Augen der Welt. Seither gilt der Dribbelanlauf als ausgerottet. Er hilft ja eben so wenig wie die Hüpferei. So ist Fußball: Marotten kommen und gehen wie die Nasenpflaster. Das ästhetische Spiel reinigt sich selbst. Große Kunst bleibt. Die Selbstinszenierer aus der 11er-Hüpfburg verschwinden bald in der Versenkung. Man muss kein Prophet sein um vorherzusehen, dass in Darmstadt und Atlanta bald wieder Bilderbuch-Strafstöße verwandelt werden.

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