Big Money in Manchester

Manchester United FC steht zum Verkauf. Mal wieder. Qatar zählt schon das Geld. Alles dazu, und was ein halbseidener Metzger, der Felsen von Gibraltar und ein irischer Pferdezüchter damit zu tun haben.

Während der WM 2022 in Qatar traf sich in Doha alles, was in der Finanzelite des Weltfußballs Rang und Namen hat. Avram Glazer war als Vertreter der mehrheitlichen Anteilseigner des Manchester United FC auch dabei. Offiziell, um dort mit potenziellen Investoren „strategische Alternativen für United“ auszuloten, wie das Sportmagazin „The Athletic“ im Dezember berichtete. Dazu gehört nach übereinstimmenden Berichten weiterer Medien auch die Option des Verkaufs. Es darf zudem als sicher gelten, dass sich Nasser Al-Khelaifi, der qatarische Präsident der Gruppe Qatar Sports Investments (QSI), die Gelegenheit keinesfalls entgehen ließ, mit Avram Glazer solche Alternativen zu erörtern. Auf jeden Fall wird ihm Glazer dabei erklärt haben, dass die Mehrheit an Manchester United für die QSI nicht gerade günstig zu haben sein wird.

Die dem Qatarischen Staatsfonds nahestehende Gruppe QSI kennt jede*r als Mehrheitseigentümerin von Paris Saint Germain, dem französischen Top-Club, dem Nasser Al-Khelaifi als Präsident vorsteht. Nebenbei ist der umtriebige Geschäftsmann aus Qatar noch Vorsitzender der European Club Association und dazu als ehemaliger ATP-Spieler auch der Tennispartner seines „Big Boss“, Tamim bin Hamad Al Thani, dem Emir von Qatar. Die Aktien-Mehrheit am Pariser Club bekamen die QSI und Al-Khelaifi für 30 Millionen Euro praktisch hinterhergeworfen. Zur Erinnerung, die gleiche Summe bringt der VfB Stuttgart als Beitrag zum aktuellen Stadionumbau gerade für den Innenausbau samt „Tunnel-Club“ auf. Für die Mehrheitsanteile am Manchester United FC werden ganz andere Summen gehandelt. Die häufig genannten 7 Milliarden Pfund mögen dabei etwas utopisch klingen. Doch angesichts der Tatsachen, dass der Börsenwert des MUFC bei fast vier Milliarden Dollar liegt und der Chelsea FC beim „Notverkauf“ durch Abramowitsch für 4,25 Milliarden Pfund über den Tisch an Todd Boehly ging, sollte man das nicht von vornherein ausschließen. 

Es wäre nur eine weitere spektakuläre Episode in der langen Geschichte des Manchester United FC und seiner manchmal sehr illustren Eigentümer. Da wäre zum Beispiel Louis Charles Edwards zu nennen, einem Metzger aus Manchester, der 1958 mit zehn Anteilen zu je 1 Pfund bei ManU einstieg. In den frühen 1970ern besaß er schließlich die alleinige Mehrheit am Club, die er persönlich fast vollständig bis zu seinem Tod 1980 innehielt. Edwards war mit Matt Busby gut bekannt und er fühlte sich ihm 1958 verpflichtet, nach dem „Munich Air Disaster“ den verbliebenen „Busby Babes“ und dem Club wieder auf die Beine zu helfen. Er hatte es in den Fünfziger-Jahren zu großem Reichtum gebracht, in dem er Fleisch- und Wurstprodukte nicht nur an etwa 300.000 Schulen zur Verköstigung von Kindern sondern auch an zahlreiche Kaufhäuser, wie etwa Woolworth, lieferte. Und wie so oft in diesem Fleischgewerbe, Tönnies lässt grüßen, ging dabei nicht immer alles ganz sauber zu. In den Sechziger-Jahren wurde das Unternehmen angeklagt, die Schulen in den ärmeren Wohngegenden jahrelang mit minderwertigen Fleischprodukten beliefert zu haben. Auch die Anteilsmehrheit am Club soll er sich Berichten zufolge mit etwas unlauteren Mitteln verschafft haben. Kein Wunder, dass Edwards Reputation bei den Fans darunter gelitten hat. Sein Sohn Martin ist trotzdem noch heute Ehrenpräsident auf Lebenszeit.

Den Argwohn gegen die jeweiligen Club-Besitzer kann man bei Manchester United FC seither getrost als gepflegte Tradition bezeichnen. Die Übernahmeversuche durch die Medienmogule Robert Maxwell 1984 und Rupert Murdoch 1998 scheiterten in der Folge nicht zuletzt auch an massiven Fan-Protesten. Murdochs finalem Angebot von 623 Millionen Pfund machte 1998 schließlich das Kartellamt den Garaus.

In der Folge wurden die beiden Iren John Patrick McManus und John Magnier faktisch zu Mehrheitseignern. Die zwei hatten ihr Vermögen mit dem gemacht, was Iren so machen, wenn sie nicht zur See fahren oder Schafe züchten. Sie sind im Pferdebusiness tätig. Es geht um Rennpferde, um genau zu sein. McManus besitzt sie und verdient sein Geld bei Pferderennen und Magnier betreibt eine Vollblutpferdezucht. Seine Deckhengste gehören zu den am meisten gefragten Zuchtpartnern für Pferdestuten im Rennpferd-Business weltweit. Erst letzten Oktober hat „The Rock of Gibraltar“, einer seiner besten Deckhengste ever, mit 23 Jahren das Zeitliche segnen müssen. Anfang der 2000er Jahre gewann er selbst sieben Champion-Rennen, und viele seiner seither gezeugten Nachkommen sind nicht minder erfolgreich gewesen. Auf den „Felsen von Gibraltar“ war immer Verlass.  Er gehörte jedoch nicht John Magnier, sondern seiner Frau Sue zu einer Hälfte und dem langjährigen United-Manager Sir Alex Ferguson zur anderen Hälfte. Und genau dieser Umstand bescherte dem Club einen neuen Mehrheitseigner.

Das kam so. Nachdem der Vollblut-Champion seine Karriere beendet hatte, in der er innerhalb von nur 18 Monaten 1,2 Millionen Pfund Preisgeld einbrachte, konnte sich Magnier vor Anfragen für die amourösen Dienstleistungen seines Hengstes nicht mehr retten. Für die erfolgreiche Aufzucht eines Fohlens hinterher werden sechsstellige Summen gezahlt. Nur das Erbe zählt. Damals wurde sein Marktwert auf 200 Millionen Pfund geschätzt. Und da der Hengst sich heutzutage dank moderner Reproduktionstechnologie nicht unbedingt selbst dafür anstrengen muss, ist damit viel Geld zu verdienen. Sehr viel Geld. Dass dachte sich auch Sir Alex Ferguson als er Magniers Angebot einer niedrigen einstelligen Millionensumme als Abfindung für die Zuchtrechte müde lächelnd ablehnte. Magnier war der Ansicht, dass Fergusons Vorteil an der Miteigentümerschaft sich nur auf die Hälfte der Preisgelder beschränken sollte. Ferguson erhob eine Klage dagegen und die war der Anfang vom Ende der beiden irischen Mehrheitseigener beim Manchester United FC. 

Nachdem die ManU-Fans Lunte gerochen hatten, schlugen sie sich gleich auf die Seite Ihres langjährigen Helden auf der Trainerbank. Man dachte sich alle erdenklichen Methoden aus, die Iren wegen dieser Angelegenheit zu drangsalieren und zum Umdenken zu bewegen. McManus und Magnier ließen sich nicht einschüchtern, sondern strengten ihrerseits eine Untersuchung dazu an, wie das Management bei ManU, sprich Ferguson, mit fragwürdigen Transfers, wie etwa dem von Christiano Ronaldo, dem Club Schaden zugefügt haben könnte. Schließlich legten sie Ferguson nahe, besser zurückzutreten, bevor alles ans Tageslicht gezerrt werde.  Als die darüber aufgebrachten Fans schließlich drohten, den irischen Eignern mit einer konzertierten Aktion beim Cheltenham Gold Cup Day, einem sehr prestigeträchtigen Pferderenntag, einen Besuch abzustatten, zog Sir Alex die Notbremse. Er forderte die Fans auf, dieses traditionsreiche Pferdefestival zu respektieren und die Füße still zu halten. Das Festival sei für Pferdeenthusiasten so etwas wie das FA-Cup-Finale für Fußballfans. Also bitte.

Ferguson und die irischen Club-Eigner einigten sich danach außergerichtlich auf einen Festbetrag für die Zuchtrechte am „Felsen von Gibraltar. Doch die Iren hatten da im Club längst jeden Kredit verspielt. Und dieser Disput öffnete schließlich die Türen für das Investment der Glazer-Familie aus den USA. Die erwarb 2005 mit einer Summe von 790 Millionen Pfund die Mehrheit am Club und hat seither das Sagen im Old Trafford Stadium. Die Fans waren auch darüber alles andere als begeistert, denn die neuen Investoren schienen ihnen stets mehr Geld aus der Club-Kasse für den eigenen Profit zu entnehmen, als sinnvoll wieder in das Team und den Club zu reinvestieren. Heute plagt Manchester United nicht nur eine Schuldenlast von über 500 Millionen Pfund, sondern auch die sportlichen Ergebnisse lassen seit längerer Zeit zu wünschen übrig. Das mag auch dazu beigetragen haben, dass Glazer aktuell nach einem Investor respektive Käufer für den Club sucht. Sollte der tatsächlich aus Qatar kommen und die Mehrheit übernehmen, dürfte es nominell nicht die QSI sein, da ansonsten die Vereine PSG und ManU nicht gemeinsam an einem europäischen Wettbewerb teilnehmen könnten. Eine Minderheitsbeteiligung stünde dem allerdings nicht im Wege. 

Für die Fans ist jedenfalls jetzt schon klar: einen Investor aus Qatar werden sie nur schwerlich akzeptieren, genauso wenig wie das nicht ganz ernstzunehmende Angebot eines Elon Musk. Den Ineos-Eigner und Multimilliardär Jim Ratcliffe würden sie dagegen mit offenen Armen empfangen. Der eingefleischte ManU-Fan hat oft genug sein Interesse an einer Übernahme angemeldet. Die QSI hat zudem auch noch ein Auge auf die Clubs in Liverpool und Tottenham geworfen. Das Motto lautet:  Hauptsache Premier League! Die milliardenschweren Monopoly-Spiele im englischen Fußball sind eröffnet.

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