Kneipen, die nach Trainern heißen

Was der Kirche ihr Altar, ist dem Fußball sein Tresen. Dort werden die Spiele in den heiligen Himmel gelobt. In Fußballkneipen, die sich ihrem Status bewusst sind, kann man das besichtigen. Keine Führung notwendig. Die gottgleichen Helden springen ins Auge, auf Autogrammkarten, in gerahmten Fotografien, mittels ausgestellten Devotionalien und riesigen Wandinstallationen. Bemerkenswert: Die Fußballmythologie wird von Trainern beherrscht. Nicht die üblichen Übungsleiter, also die Dekorierten mit den Europacupsiegen und anderen Pokalsammlungen. Die sind zur heiligen Verehrung definitiv untauglich. Beispielsweise Typen wie Julian Nagelsmann, Pep Guardiola oder Lucien Favre. Wer selbst des Kneipengängertums unverdächtig ist, passt auch nicht als Held dorthin. 

Diese Strebertrainer, also Heynckesse und Tuchels, findet man höchstens beim Wichtig-Italiener Importantissmo. Vor dem Klo links. Hübsch trappiert im Rahmen einer Bilderwand aus Promis der Güteklasse A bis E. Trotzdem liebevoll gerahmt, aber halt in direkter Nachbarschaft von Altrockern, Schlagersternchen oder Markus Söder. Ein Boxer ist immer dabei, mit etwas Pech René Weller. Weitere fachfremde Sternschnuppen auf den Seitenwänden. Manch ausgestellte Person ist nur ein gut frisierter Stammgast. Wer aussieht wie Peter Maffay hat bessere Chancen für die Klogang-Galerie. Irgendwie Instagram auf Kneipe sowas. Die Semi-Promis halten zudem her als fadenscheiniges Preis-Argument. Der diensthabende Wirtsmafiosi will seine teueren Vongole rechtfertigen. Billige Masche, das. Ein Guardiola mag dafür herhalten. Ein echter Trainer-Mythos nicht. 

Nehmen wir zum Vergleich einen der feinsten Tresen Deutschlands, das Eisen in Bremen. Wer hängt dort plakativ an der Wand, mit meisterschaligem Heiligenschein? Thomas Schaaf. Oder in Mannheim: Wer findet sich an fast allen Wänden im vortrefflichen Restaurant Spiegelschlössl in der Nähe des Gründungsortes des SV Waldhof: Klaus Schlappner. Diese Trainer sind Mythen. Übungsleiter, die in besonderer Weise mit Stadt und Verein verbunden sind. Meistens schrullige Typen. Zwei weiteren Vertretern dieser raren Zunft wurde eine besondere Ehre zuteil: Claude Andrey und Sean Dyche. Die kennt kaum einer. Beide haben wenige bis überhaupt keine Pokale gewonnen. Aber das macht nichts. Trotzdem haben sie das Maximum dessen erreicht, was man in einem Menschenleben erreichen kann. Nach ihnen wurde eine Kneipe benannt. Sogar zu Lebzeiten! Man könnte neidisch werden.

Claude Andrey. FC Basel.

„Didi Offensiv“ nennt sich die Fußballkulturbar in Kleinbasel. Der Name des Trainers Claude Andrey steckt nicht direkt drin – und irgendwie doch. Die Geschichte wird auf der Website erzählt. Kurzversion: Nach schlimmen Jahren in der zweiten Liga ist es der große Claude Andrey, Spitzname Didi, mit dem der FC Basel wieder zurückgekehrt in die erste Liga. Keineswegs mit berauschendem Fußball. Basel errumpelt und ermauert sich den Wiederaufstieg. Am Ende der Saison 1993/94 feiern die Fans mit ironischen Sprechchören. Unter anderem: „Didi offensiv, Shalalalala.“ 

Der Spitzname stammt vom großen Brasilianer Didi, Weltmeister von 1958 und 1962. Claude Andrey lernt ihn bei Servette Genf persönlich kennen. Was Andrey zum „Didi“ macht, ist die nächste Geschichte. Sie hat zu tun mit dem typischen Außenristschuss, bei dem der Ball einen extraschiefen Drall bekommt. Diese Technik hat Didi in Brasilien eingeführt. Der Legende zufolge hat er ein X- und ein O-Bein. Ist also prädestiniert für einen verwirrenden Schuss, bei dem der Torhüter nie weiß, wo er einschlägt. Die Technik wird in Brasilien Folha Seca getauft. Wörtlich übersetzt: Trockenes Blatt. Zu deutsch: Flatterball. So wird die verwirrende Geschichte der Namensgebung halbwegs rund. In nördlichen Baseler Stadtteil Kleinbasel lässt sich vortrefflich auf Defensivtrainer Andrey anstossen: in der Fußballkulturbar namens „Didi Offensiv“.

Sean Dyche. Burnley.

Was Burnley mit Basel verbindet: Beide Kneipen sind nach Trainern benannt, die für ehrlichen Fußball stehen. Was an Burnley etwas besser passt. Die Stadt bleibt an einem Sonnentag grauer als Basel an einem nebligen. Kleinstadtperle, Abteilung Schwerindustrie, dieses Burnley. Charme der rauen Sorte. Insofern passt das „Pub Princess Royal“ genau hierher, wie es damals noch genannt wurde. Als es Justine Lorriman übernimmt, steht das Princess Royal nicht im besten Ruf. Immerhin passt der Standort: Direkt auf dem Weg von der Innenstadt zum Turf Moor, wo der FC Burnley seine Spiele austrägt. Und auf dem Rückweg kommt man nicht dran vorbei.

Etwa zu selben Zeit wie Lorriman die Kneipe übernimmt Sean Dyche den FC Burnley. Ein Trainer wie die Stadt. Rau, gradlinig, herzlich – und überraschend erfolgreich. Der Trainer hat eine Stimme, als hätte er drei Flaschen HP-Sauce auf einmal geext. Lorriman stellt voller Bewunderung ein Schild auf die Straße. „Sean Dyche drinks here for free“. Aus reiner Dankbarkeit. Dyche ist drauf und dran, Burnley in den Europacup zu coachen. Für diesen Fall verspricht Lorriman ihr Pub umzubenennen. Und tatsächlich.

Die erfolgreiche Europacup-Qualifikation fällt zusammen mit dem fünfjährigen Pub-Jubiläum. Ein guter Zeitpunkt, um feierlich den Namen zu ändern. Wie versprochen wird aus Princess Royal „The Royal Dyche“. Im Pub ist der Trainer allgegenwärtig. Auf Bierdeckeln, an den Wänden, im Klo. Draußen sieht man Dyche auf dem Körper Heinrichs, dem VIII. Ikonisch! Wirtin Lorriman ist die Aufmerksamkeit fast peinlich. Sie betont bei jeder Gelegenheit, dass sie den Kult-Trainer aus reiner Bewunderung aufs Kneipenschild gehoben hat. Vom Umsatz des eigens getauften Royal Dyche Lager Beer spendet sie einen Teil an die Charity Community des Clubs. 

Neulich wurde Dyche entlassen. Die Maßnahme gilt in England als fürchterlichste Trainer-Entlassung der Geschichte: Nicht nur wegen des Pubs. So einschneidend die Maßnahme war, geholfen hat sie nichts. Burnley steigt ab. Irgendwie zurecht. Legenden entlässt man nicht. „Das Royal Dyche bleibt“, entscheidet Lorriman. Und endlich, im Herbst letzten Jahres ist es soweit. Sean Dyche zu Gast im Royal Dyche. Selfies mit allen Stammgästen. Inzwischen ist Dyche Manager von Everton. Das Royal Dyche bleibt.

Für beide Kneipen sprechen die Propheten der Liga eine vollmundige Empfehlung aus. Beide irgendwie allerheiligist. Bier ab zum Gebet.

Verwandte Artikel