Kölner Kumhbaka

Keinem Bundesligisten ist Ungemach zu wünschen. Trotzdem darf man feststellen: Manchen hätte es gut getan, kein Geld zum Fenster raus zu werfen. Über die wohltuende Wirkung einer Atempause.

Die Atempause wird hoch geschätzt. Bitteschön: Einfach mal … (Pause) … nichts tun. Gar nichts. Nicht mal dran denken. Sollte doch erlaubt sein. Vielleicht gleich nahtlos zum Mittagsschaf übergehen, der großen Schwester der kleinen Verschnaufpause. Zugegeben: Beide Geschwister kommen mit dem Risiko veritabler Wiederanlaufschwierigkeiten. Aber die nimmt man doch gerne in Kauf, oder? Routinierte Schläfer und Pausiererinnen können damit umgehen. Aber Achtung! Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die Atempause als zwielichtige Angelegenheit. Denn sie könnte – wörtlich genommen – eine andere Bedeutung besitzen. Es muss nicht zwingend um eine Pause zum Atmen handeln. Könnte ja eine Pause vom Atmen sein. Es wäre ein beinahe tödlicher Irrtum. Es sei denn, man ist yogisch gebildet.

Fußballfans – samt und sonders als kontemplative Lebewesen bekannt – werden dieser Tage zusätzlich durch einen Beitrag des Fachmagazins „Yoga“ verunsichert. Von wegen Atmen! Dort wird die Verschnaufpause als radikaler Atemstillstand definiert. Die aktuellen Ausgabe April/Mai 2023 lobt diesen Stillstand. Routinierte Mittelfeld-Jogis haben offenbar vor Jahrhunderten erkannt: Das Anhalten der Luft in der Atemfülle führt zu einer enormen Energieaufladung, die dazu geeignet ist, den menschlichen Geist wirkungsvoll zu fixieren. Man nennt es Kumbhaka. 

Wer jetzt nicht an meditativen Informationen erstickt ist, muss zugeben, dass Taktikgurus des modernen Fußballs diese bahnbrechenden Erkenntnisse der Atemstrategie bisher ignorieren. Zaghafte Experimente scheiterten. Zum Beispiel 2007 als Schwaben-Guru Jürgen Klinsmann beim FC Bayern Buddha-Figuren aufstellte. Von Kontemplation keine Spur. Nur die Schnappatmung des CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis ist überliefert. Geis stellt in bester Söder-Manier die religiöse Kompetenz des früheren Teamchefs in Frage.

Immer Ärger mit Olimpija

Dieser Tage wird ein Köln ein neuer Versuch gestartet, die Atempause als Kunstform in der Bundesliga zu etablieren. Und das kommt so: Vor gut einem Jahr verpflichtete der ruhmreiche FC Kölle das hoffnungsvolle Talent Jaka Cuber Potocnik von Olimpija Ljubljana. Der Transfer ließ nicht alle Beteiligten in der gewünschten Tiefenentspanntheit zurück. Olimpija hatte die Kündigung des damals 16-Jährigen nie anerkannt. Also alarmierten die wenig meditativen Slowenen einige FIFA-Gerichte. Außergerichtliche Vereinsdiplomatie scheiterte parallel. Olimpija forderte zwar 2,5 Mio Euro. Doch Köln mochte nicht einlenken. Der Verein gab eine lockere Stellungnahme ab. Praktisch Kleinigkeit - und wurde in Abwesenheit verurteilt. Praktisch Voll-Katastrophe. Jetzt droht eine Transfersperre von zwei Transferperioden. Betroffen ist der Bundesligakader ebenso wie U19 und U17. Das Urteil der FIFA-Richter ist ergangen. Wird der Kölner Einspruch vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS abgewiesen, dürfen sich die Scouts und Transferanalysten eine einjährige Auszeit nehmen. Kumbhaka Hilfsbegriff.

Angesichts der drohenden Pause vom Atmen ist jede Entspannung aus dem Geißbockheim gewichen. Tatsächlich scheinen die Erfolgschancen des Einspruchs überschaubar zu sein. In einem vergleichbaren Fall kassierte der FC Nantes eine solche Transfersperre. Zehn Jahre her. Später gaben die Franzosen zu: Ihre Anwälte ahnten wohl, dass nichts zu machen war. Sie wollten nur Zeit gewinnen, um sich auf die Transferabstinenz vorzubereiten. Aber ist der Kölner Panikmodus überhaupt angebracht?

Der Neid der Anderen

Vermutlich nicht, denn das Beispiel aus Frankreich belegt ebenfalls: Panik als Vorbereitung einer Atempause ist sowas von überflüssig. Führende Yogis raten sogar zur Vorfreude. Nantes stieg 2013 auf – und hielt trotz Transfersperre souverän die Klasse. In den Spielzeiten 13/14 und 14/15 steht jeweils ein 14. Platz zu Buche. Der damalige Trainer Michel Der Zakarian sagte: „Es war eine der besten Phasen in den letzten 20 Jahren. Wir waren gezwungen, Spieler aus der Akademie tatsächlich zu integrieren.“ Vermutlich freut sich Geschäftsführer Christian Keller bereits ein Loch in den Bauch. Aufdringliche Spielervermittler ist er los. Auch das Problem der Fehleinkäufe hat sich vorerst erledigt. Der heimliche Neid der Hertha ist den Kölnern gewiss. Jede Transferstrafe wäre besser gewesen als die Neueinkäufe der Big-City-Phase als Spitzenkräfte wie Tousard, Piatek, Cunha oder Jhon Cordoba verpflichtet wurden. Zusammen für runde 100 Mio Euro. Ob dem FC Kölle die Zwangpause gut tut, oder ob ihm komplett die Luft weg bleibt, wird sich zeigen. Sicher ist nur eins: Wenn Köln trotz Transferstrafe die Klasse hält (woran im übrigen keine Prophetin und kein Prophet ernsthaft zweifelt), gerät die geneigte Fußballmanagerzunft gehörig in Atemnot. 

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