Notts County FC - Der unsterbliche Club

Der älteste Profi-Fußballverein der Welt ist letzten Monat dem Liquidator so gerade nochmal von der Schippe gesprungen und das war nicht das erste Mal...

Das Jahr 1862 hatte weltweit allerhand zu bieten. In Preußen wurde Otto von Bismarck zum Reichskanzler ernannt, in Europa baute man überall Eisenbahnen wie verrückt und in Nordamerika tobte der Sezessionskrieg. US-Präsident Abraham Lincoln erklärte die Sklaverei in den Südstaaten für beendet und die Unionisten kloppten sich auch deswegen mit den Konföderierten. Im Mutterland der ehemaligen amerikanischen Kolonien ging es etwas gemächlicher zu. Die Chronik für das Jahr 1862 berichtet darüber, dass die letzte Postkutsche Englands am 31. August ihre allerletzte Fahrt unternahm, von Carlisle im Nordwesten Englands bis nach Hawick in Schottland. Und dazu auch, dass in Nottingham am 28. November der Notts County FC gegründet wurde, der weltweit älteste, professionelle Fußballclub.

Das Besondere daran ist, dass Notts County FC auch heute noch in dieser Form existiert und seit der Gründung der Football League 1888 ununterbrochen am Profi-Spielbetrieb teilgenommen hat. Nicht immer sehr erfolgreich. Zu Buche stehen ein dritter Platz in der First Division 1891 und der Gewinn des FA-Cups 1894 als die größten Vereinserfolge. In der langen Zeit ist der Club insgesamt 13 mal aufgestiegen und 17 mal abgestiegen, auch das ist weltweit wohl ein einmaliger Rekord. Am Ende der letzten Saison 2018/19 nahm der Club dann den bittersten Abstieg der Vereinsgeschichte hin. Seit der Vereinsgründung im vorletzten Jahrhundert muss Notts County in der kommenden Saison nun erstmals fünftklassig, in der National League, spielen. Das werden die Fans aber locker verschmerzen, denn noch bis Ende Juli war nicht davon auszugehen, dass der Verein überhaupt weiter existieren würde. Die Liquidation war nahezu ausweglos. Das ganze Drama wurde erst Anfang diesen Jahres in dieser Bedrohlichkeit bekannt.

Die Hauptrolle spielte dabei der Club-Eigentümer "Big" Alan Hardy, der Notts County 2016 noch als Retter in ähnlich prekärer Situation für schlappe 3,5 Millionen Pfund übernahm, sich damit aber inklusive beträchtlicher Verbindlichkeiten und Steuerschulden auch gewaltig übernommen hatte. Als im Januar 2019 sein Innenausbauunternehmen in Nottingham in finazielle Schieflage geriet, hatte der bei den Fans wegen seiner Großmauligkeit ohnehin sehr unbeliebte Hardy ein massives Problem. Im Laufe der letzten zweieinhalb Jahre hatte er zwar nach eigener Aussage insgesamt 35 Millionen Pfund in den Verein investiert, doch für offene Steuerzahlungen war dann dieses Jahr kein Geld mehr da. Alan Hardy ging im Januar in die Offensive und versuchte mit einer Social-Media-Kampagne sein ramponiertes Ansehen in der Öffentlichkeit etwas aufzupolieren. Das hätte er mal besser bleiben lassen.

Es war eine einzige Twitter-Meldung, die im Januar sein ganzes Kartenhaus zusammenfallen ließ. Er hängte die Bilder zweier Screenshots an einen Tweet, mit dem er sich vor den Fans rechtfertigen wollte und aus Versehen auch ein Nacktbild von sich selbst. Schlimmer kann man sich einen Social-Media-Fail kaum vorstellen. Der damit vollends diskreditierte "Little-dick-pic" Alan Hardy kündigte an, den Club umgehend aus finanziellen Gründen verkaufen zu wollen. Dass da potenzielle, seriöse Käufer angesichts der sowohl finanziellen als auch sportlichen Situation am Abgrund nicht gerade Schlange standen, versteht sich von selbst. In der Zwischenzeit blieb Hardy den Spielern und Club-Angestellten auch noch die Gehälter schuldig und die Steuerbehörde HMRC verlor langsam die Geduld. Der Liquidationstermin vor dem High Court wurde wegen einer Steuerschuld von 800.000 Pfund auf den 10. Juli 2019 festgesetzt. Doch Hardy bat erfolgreich um einen Aufschub, da seine Verhandlungen mit potenziellen Käufern kurz vor dem Abschluss stünden.

Das bevorstehende Ende des Notts County FC beschäftigte Mitte Juli in einer Debatte sogar das britische Unterhaus, in dem Lilian Greenwood, die Abgeordnete aus Süd-Nottingham, in einer Anfrage die Premierministerin Theresa May zu einer Unterstützungserklärung für Notts County bewegen konnte. Es folgten noch weitere Wochen der Ungewissheit für die Fans des Notts County FC, bis dann am 26. Juli endlich der neue Eigentümer feststand, der für die erhoffte Rettung sorgen soll. Es sind zwei dänische Brüder, Alexander und Christoffer Reedtz, in die der Verein nun alle Hoffnungen steckt. Sie leiten das in London, Liverpool und in Bulgarien niedergelassene Unternehmen Football Radar, das mit dem sogenannten "Odd Compiling" Datenbank-Dienstleistungen für Sportwetten anbietet. Ihnen verdankt der Club nun zumindest die Rettung vor der Liquidation in allerletzter Minute. Wieviel Geld geflossen ist und wie das weitere finanzielle Engagement aussieht, das muss sich erst noch zeigen.

Trotzdem macht sich auch bei den Notts-Fans langsam wieder Optimismus breit, jedoch noch sehr vorsichtig, denn sie sind in der Vergangenheit so häufig getäuscht und enttäuscht worden. Die neuen Eigentümer gaben als Ziel den sofortigen Wiederaufstieg bekannt, was aber alles andere als einfach und nicht ganz billig für sie sein dürfte. Der äußerst sachkundige Kollege Hardy Grüne vom "Zeitspiel" schrieb zu dem Thema jüngst in der 14. Ausgabe des Fußballmagazins: "In der fünften Liga gibt es für 24 Mannschaften nur einen direkten Aufsteiger und namhafte Clubs wie Wrexham, Leyton Orient, Hartlepool United oder Chesterfield sind dort schon gestrandet. Aus dieser Liga wieder rauszukommen, ist deutlich schwieriger, als den Abstieg zu verhindern." Man kann dem Notts County FC dazu nur viel Glück wünschen und dass sie mit den neuen Eigentümern besser fahren, als mit denen in den vielen, vielen Jahren zuvor.

Verwandte Artikel