Verband und Opfer

Du kannst nicht alles auf einmal retten. Nicht den Fußball, nicht die Gesellschaft und schon gar nicht den gesamten Globus. Die Engagierten konzentrieren sich. Sie picken sich einen Teil heraus, der ihnen auf der Seele brennt. Diesen Bereich bearbeiten sie gründlich. Manche engagieren sich für die Katzenhilfe, andere helfen Flutopfer oder reparieren Fahrräder für Afrika. Die dreckigste Sorte Mensch sind diejenigen, die daneben stehen und motzen. Die Asozialen meckern über die Katzenhilfe – wegen der vergessenen Hunde. Schwurbler belästigen Hochwasserhelfer mit Hirnfürzen. Was Rassisten über Fahrräder für Afrika denken, will ich mir nicht ausmalen.

Stellen wir das Gute in den Vordergrund. Zum Beispiel in Person von Ursula Kinkel. Sie gründete 1993 die Aktion Cura. Die Frau des damaligen Bundesaußenministers war zutiefst erschüttert über rechtsextreme Gewalt. Die bekanntesten Schauplätze in den frühen Neunzigern waren Mölln und Solingen. Der Fonds half den Familien der Opfer: unter anderem Familie Genc und Familie Arlsan. Heute unterstützt der Fonds Betroffene mit Behandlungs- und Anwaltskosten. Wenn der gewalttätige Rassismus im Nachbarhaus wohnt, werden Umzüge bezahlt. Inzwischen wird Cura von der Amadeu-Antonio-Stiftung verwaltet. Sie ist nach Amadeu Antonio Kiowa benannt, einem der ersten Todesopfer rechtsextremer Gewalt nach der Wiedervereinigung.

Diesen Fonds wollte auch Tennis Borussia Berlin unterstützen. Aber der zuständige NOFV (Nordostdeutscher Fußballverband) verhinderte das. Die Trikotwerbung widerspreche der „satzungsgemäßen politischen und konfessionellen Neutralität des Sportverbandes“. Da muss man erstmal durchatmen.

Als wäre die verstaubte Legende vom unpolitischen Sport nicht schlimm genug, präzisierte der Verband auf Nachfrage: „Es können sich Leute provoziert fühlen [..] weil sie linke Gewalt erleben mussten und die Aufmerksamkeit ebenfalls verdient hätten.“ Was soll man das verstehen? Vielleicht so: Keine Katzen pflegen, ohne die Hunde zu vernachlässigen. Keine Flutopfer unterstützen, ohne die Sturmopfer zu bedenken. Keine Fahrräder reparieren, ohne Autos zu berücksichtigen.

Überall wurde kritisiert, dass der Verband mit seinem fadenscheinigen Verbot ein falsches Signal setze. Das stimmt schon. Aber es ist noch niederträchtiger. Man nennt es unterlassene Hilfeleistung. Aber vor allem: Vorauseilendes Gehorsam gegenüber astreinen Nazis. Der Verband hatte schon vor einem Jahr die Aufschrift „Black Lives Matter“ auf den Trikots von TeBe Berlin verboten. Die Windrichtung ist also längst bekannt. Egal, wie Du Dich drehst: Der NOFV bläst von extrem rechts – und zwar zutiefst politisch.

Ist daran etwas Gutes zu entdecken? Nein, überhaupt nichts. Mit einer winzigen Ausnahme, aus Sicht des NOFV wohl ein Kollateralschaden. Das schwachsinnige Trikotverbot hat die Stiftung in allen Medien gehievt. Das hätte sie mit eigener Pressearbeit niemals erreichen können. Zur Verstärkung dieses Erfolges erhebt sich in diesem Fall auch der diensthabende Prophet: Unterstützt die Amadeu-Antonio-Stiftung! Gewiss eine gute Antwort auf einen extrem politischen Regionalverband.

Das Trikot von Tennis Borussia gibt's hier
Zur Amadeu-Antonio-Stifung hier lang.

Wie häufig an dieser Stelle:
Ein freundlicher Hinweis auf das
www.zeitspiel-magazin.de
Dort erschien der Text zuerst.

 

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