All football is local

Lassen wir die globale Kritik am Fußball ruhen. Es geht um mehr: um eine deutliche Kaufempfehlung für ein neues Buch mit durchaus prophetischem Tonfall. Prophet/innen! Bitte. Kauft. Dieses. Buch: Fußballheimat Württemberg.

Immer dieses Gemecker. Auch an diesen Stellen, in unseren prophetischen Bulletins schreiben wir mit Vorliebe an gegen das, was wir unter der sogenannten Kommerzialisierung des Fußballs verstehen. Natürlich wissen wir, dass es im Fußball nicht ohne Geld geht. Dass echte Fußballer Amateure sein sollen, die aus lauter Freude gegen den Ball treten und dabei keinen Cent verdienen dürfen, das fordern nicht mal wir von der amateurprophetischen Plattform. Nein, vieles ist schon gut so. In der Bundesliga gibt's zum Beispiel die 50+1-Regel (noch). In diesem Zusammenhang gilt die berechtige Kritik nicht der Regel, sondern ihren Ausnahmen, deren prominenteste nicht zufällig auf den vorderen Plätzen der Bundesliga zu finden sind.

Unsere Bulletins selbst sind auch keine Ausnahmen. Kommerzialisierungskritik im Profifußball ist weit verbreitet. In Presse und sozialen Medien wird sie gerne gegen die guten, alten Zeiten in Stellung gebracht. "Hach, damals...". Man mag dem Soziologen Zygmunt Baumann recht geben, der feststellt, dass die Gegenwart an einer "globalen Nostalgie-Epedemie" leidet, an einer verzweifelten Sehnsucht nach Kontinuität und Stabilität, angesichts einer Welt, die sich immer schneller wandelt und sich raketenartig entfernt von einer Zeit, als der 1.FC Saarbrücken und Rot-Weiß Oberhausen noch in der Bundesliga spielten. Also: Nostalgie aus.

Bleibt eine Frage übrig: Ist der Kommerz wirklich das Problem? Der Ausdruck "Kommerz" wird heute meist in abwertendem Zusammenhang verwendet – im Sinne eines auf Gewinnerzielung gerichteten Interesses. Man könnte einwenden, dass die Gewinne nicht das Problem sind. Sogar Nachhaltigkeitsexperten lehren, dass ohne Gewinne und gefüllte Geldbeutel kein nachhaltiges Wirtschaften möglich ist. Andersrum gewendet: Dauerhafte Strukturen wie die Bundesliga entstehen nicht durch Almosen. Gefestigte Strukturen müssen sich rechnen, wenn sie überleben wollen. Auch der Profifußball gehört dazu. Denkt man an dieser Stelle weiter, liegt das Problem des globalen Kickereibetriebs nicht in seiner Mehrwertorientierung, sondern in seiner Wertelosigkeit. Das offenbart sich gerade dort, wo sich gesellschaftliche Werte weiterentwickeln. In Inklusion und Integration, in Chancengleichheit und Toleranz, in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Spielregeln sind wir in Deutschland in den letzten Jahrzehnten durchaus weiter gekommen. Nur im Fußball nicht im selben Maße. Darüber hinaus kommt hinzu... ach... ich wollte doch nicht meckern, also Schluß damit.

Am Ende zählt im Fußball auf dem Platz. Wer sich die Freude am Spiel erhalten will, sollte sich mein Lamento nicht lange reinziehen, sondern es mit Beckenbauer halten: "Gehtsrausundspuitsfußball". Das Spiel ist letztlich am schönsten, wenn es lokal dargeboten wird. Wenn man es nicht nur sieht, sondern auch riecht und schmeckt, am besten in Form einer Stadionwurst von heimischen Metzger und einem frischen Kaltgetränk im Kreise der Gleichgesinnten. Keine neue Erkenntnis, gewiss nicht.

Damit komme ich gerne zum extrem kommerziellen Hintergrund des heutigen Bulletins: Schließlich habe ich mich in den letzten beiden Jahren nicht nur um die prophetische Plattform gekümmert. Nebenher und manchmal auch hauptsächlich bin ich in meiner eigenen Fußballheimat Württemberg unterwegs gewesen, um in runden hundert Beispielen die uralte Erkenntnis zu unterstreichen, dass jeder Fußball lokal gespielt wird.

Zugegeben... das Buch ist meinem ersten Werk, Heimspiele Baden-Württemberg, nicht ganz unähnlich. Es geht um Fußball, einen Ort und eine Geschichte zum Ort. Und doch: 100 frische Orte der Erinnerung wollen erstmal abgereist, recherchiert und formuliert werden. Und nein: das Buch erzählt zwar Fußballgeschichten von 1865 an. Aber nostalgisch im oben erwähnten soziologischen Sinne ist es gewiss nicht. Und wo doch, bitte ich um Korrekturhinweis.

Ob man es wirklich lesen sollten, darüber kann man möglicherweise geteilter Meinung sein. Als Autor bestehe ich jedoch darauf, dass man es sich sich unbedingt kaufen muss. Demjenigen, der diesen Rat nicht befolgt, drohe ich hiermit mit anhaltendem Gemecker.

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