Das Heft in die Hand genommen: Zeitspiel#17

Zeitspiel #17 mit Schwerpunkt "DDR-Oberliga" liegt vor. Hier unsere Lese-Empfehlung.

Schwerpunkt DDR-Oberliga. Passendes Vorurteil: Das interessiert nur Archivratten. Bestenfalls werden pseudowitzige Vereinsnamen abgefeiert, von wegen Aktivist Schwarze Pumpe, Rotes Banner Trillwillershagen und dergleichen. Waren die eigentlich in der Oberliga dabei? Am Ende aller Vorurteile ist der Schwerpunkt DDR-Oberliga in ZEITSPIEL überfällig und im Grunde hoch aktuell. Mit den Jahrestagen "70 Jahre Oberligagründung" und "30 Jahre Mauerfall" hat es nur vordergründig zu tun. Hintergründig wichtig ist der Schwerpunkt aus einem anderen Grund. Herausgeber Hardy Grüne benennt ihn im Vorwort. Es geht um die Perspektive.

Von vermeintlichen Siegern

"Geschichte wird (...) von Siegern geschrieben. (...) Die Interpretation der deutschen Fußballgeschichte beispielsweise ist geprägt von der bundesrepublikanischen Sicht", hat Grüne im Vorwort uns allen hinter die Ohren geschrieben. Wer den großen Bogen möchte: Auch sowas trägt zum Phänomen bei, dass der Osten immer zu kurz kommt. Dabei wird er sogar an Stellen als rückständig wahrgenommen, an denen es faktisch nicht gerechtfertigt ist. Die von Grüne angeführte "Geschichtsschreibung der Sieger" ist gewiss nicht hilfreich. Wer daran zweifelt, dem sei in Erinnerung gerufen, wie sich anlässlich von "50 Jahre Bundesliga" die Buchregale gefüllt hatten. Sechs Jahre ist das her. Bei "70 Jahre DDR-Oberliga" liest man wenig... außer im Zeitspiel. Übrigens mit großem Gewinn.

Neben der gewohnt vollständigen Oberligageschichte inklusive Dokumentation jeder Saison und jedes Vereines finden sich spannende Einordnungen und Analysen. Zum Auftakt beschreibt Grüne den schwierigen Neuanfang der Liga, nicht ohne den 1933 verbotenen Arbeitersport zu erwähnen, dessen ehemalige Strukturen auch im Osten links liegen gelassen wurden. Unbedingt lesenswert ist die Analyse von Christoph Wagner, der sich den vielbemühten Begriff der Tradition vornimmt und mit wissenschaftlicher Präzisionseziert, dabei halbe und andere gefühlte Wahrheiten schonungslos offen legt. Er beschreibt drei Ebenen der Tradition, die schon deshalb aktuell sind, weil der aktuelle Bundesliga-Herbstmeister - erstmals aus dem Osten - die Traditionsdebatte voran treibt.

Besuch in der Hölle

Auch abseits des Heftschwerpunkts wird Wunderbares publiziert. Die nachdenkliche Begeisterung mit der Herausgeber Grüne durch Albanien radelt, macht Lust auf das anstehende Buch, welches im nächsten Jahr erscheinen wird. Mit Finnland und Bayreuth holt das Heft Standorte aus der Versenkung, die längst eine ausführliche Würdigung verdienten. Abgerundet wird die Ausgabe #17 mit einem Besuch in der Hölle, die wie immer näher liegt, als man vielleicht denkt. Christopher Frank hat "Basler ballert" besucht. Vermutlich war es ein Akt großer Selbstbeherrschung über Deutschlands zweitgrößten Selbstüberschätzer zu schreiben, ohne ihn einmal zu beleidigen. Franks Urteil in Kurzform: "Schäbig!" Heißen eigentlich alle Selbstüberschätzer Mario? (Und nein, liebe VfB-Fans, ich meine damit nicht Mario Gomez)

Tatsächlich gilt meine Kauf- und Aboempfehlung für ZEITSPIEL fast uneingeschränkt. Einzige Ausnahme: Wer sich von Mario Basler bestens unterhalten fühlt, kann getrost auf diese Lektüre verzichten.

(Transparenzhinweis: Der Autor dieser Zeilen ist total befangen. Das geht soweit, dass er selbst einige Zeilen zum Heft beigetragen hat. Gemiensam mit dem Co-Autor dieses Blogs)

www.zeitspiel-magazin.de

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