Den kennt jeder, den Zweitliga-Propheten

Siegerehrung und Laudatio für den großen Zweitliga-Propheten der Saison 18/19: Martin Krieg. Stilecht im gutbürgerlichen Fässle Gerlingen.


"Ach, den Krieg, den kennt au jeder", kommentierte ein Gast im Fässle, als er den Pokal auf dem Tisch sah. Ich war etwas zu früh dran zu unserer kleinen Siegerehrung, darum hatte ich die Trophäe auf den Tisch drapiert, mit dem aufgedruckten Namensschriftzug nach vorn. Martin war noch gar nicht da. Allein sein Name auf dem Pokal reichte aus, um mit den Gästen ins Gespräch zu kommen. Offenbar ist der Zweitliga-Sieger der bunte Hund des Fleckens. Kein schlechter Ort im übrigen. Gerlingen würde das Städteranking der Grundstückspreise in Deutschland anführen. Wenn es nicht zu klein wäre, um es überhaupt in die Liste zu schaffen. Das benachbarte Ditzingen, ein wenig größer als der Nobelflecken mit Panoramastraße, steht dort unter den Top Ten. Doch Martin verrät: Gegenüber Gerlingen sei Ditzingen noch günstig.

Wohnungen für die einfachen Leute gibt's anderswo. Die einfachen Einheimischen sind's zufrieden. Der Wohlstand sitzt mittags im Weinstube Fässle, zelebriert dolce vita auf schwabisch, wozu unbedingt saure Nierle gehören. Es gibt nichts, was man daran kritisieren könnte – und die Nierle gleich gar nicht. In Begleitung des bunten Hundes von Gerlingen fühle ich mich pudelwohl. Auch in unserer Prophetenliga ist Martin Krieg ein Promi. Die Ehrentafel verzeichnet ihn als ersten Prophet der Bundesligasaison 15/16. Krieg ist längst ein fester Bestandteil des ewigen Gedächtnisses des kleinen Tippspiels.

Er hatte sich über die Rückrunde hinweg einen spannenden Dreikampf an der Spitze geliefert. Mit Matthias Wimpff und Christoph Weiß wechselte er sich an der Tabellenspitze ab. Das blieb so bis zum letzten Spieltag. Im Finale wurde der Prophet Weiß komplett auf dem falschen Fuß erwischt. Der Tabellenführer des vorletzten Spieltags stürzte 10 Plätze tiefer und beendete die Saison mit seiner schlechtesten Platzierung während der gesamten Spielzeit. Davon profitierten Matthias Wimpff und Martin Krieg im selbem Maße. Da Krieg zwei Punkte besser lag, konnte er seinen Vorsprung über die Ziellinie retten.

So sassen wir im Fässle und sprachen über die Liga, in der sich zwei VfB-Fans nur ungern auskennen. Angesichts der aktuellen Herausforderung, die Liga für die nächste Saison einzuschätzen, schwebte eine hochbrisante Frage über den sauren Nierle: "Wie prophezeit man bitteschön eine Liga, in der alles möglich erscheint, inklusive eines Durchmarsch von Wehen-Wiesbaden?" Krieg antwortete nüchtern, man müssen sich eben kundig machen. Tatsächlich orientierte er sich an den Vorhersagen einiger Experten, die er im Netz aufgespürt hatte. Weil die sich allerdings an manchen Stellen widersprachen, musste er eben eigenes Bauchgefühl einsetzen, um auf eine plausible Prophezeiung zu kommen. So gewinnt man die Prophetenliga. Nicht, dass jemand behaupten würde, wir würden Wichtiges verschwiegen.

tl_files/propheten_dark/stories/19_7_Blog im Juli/Martin Krieg.jpgApropos Bauchgefühl. Wie schätzt der amtierende Zweitliga-Prophet eigentlich die kommende Saison ein? "Der HSV schafft es wieder nicht", orakelte Krieg spontan, um dann eine längere Kunstpause einzulegen. Offenbar waren die Stimmen aus dem Unterbauch nicht eindeutig. Oder verhinderte das lecker Zigeunerschnitzel die Kommunikation mit der inneren Wahrheit? Tatsächlich scheint die Welt noch in Ordnung, wenn als Tagesessen ein Zigeunerschnitzel serviert wird. Die anderen Achtzigerjahre-Gerichte Serbisches Reisfleisch, Strammer Max und Toast Hawaii stehen erst nächste Woche auf der Fässle-Karte.

"Ha, vielleicht doch der VfB", lauteten die nächsten Worte des großen Zweitliga-Propheten, gefolgt von einer etwas überraschenden Wendung: "Und vielleicht Darmstadt". Irgendwie eine naheliegende Antwort, wenn man den Unterbauch einbezieht. Keine großen Überraschungen sieht Krieg bei den Absteigern. Aue, Greuther Fürth, Dresden und Kiel sieht der große Zweitliga-Prophet um den Klassenerhalt kämpfen. Während wir die Mannschaften der zweite Liga auf Herz und Nieren prüften, waren plötzlich die anderen Gäste verschwunden. Schau an, dachte ich, sie müssen also doch was arbeiten, die braven Gerlinger. Das galt weder für Martin, noch für mich. Zur Feier des Tages gönnten wir uns einen lauen Nachmittag. Schließlich hatte es Martin ob seiner prophetischen Leistung verdient. Und ich? Ich hatte das Vergnügen dabei zu sein.

Lieber Martin: Auf diesem Wege nochmals herzlichen Glückwunsch zum prophetischen Zweitliga-Titel der Saison 18/19. Möge das Glück mit Dir sein. Siegerehrungen in Gerlingen sind ein Hochgenuss.

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