Hochmut kommt vor dem Fall

Der VfB-Präsident Wolfgang Dietrich hat sich laut eines Kicker-Berichts trotz gegenteiliger Beteuerungen in den letzten Jahren niemals vollständig aus den Finanzgeschäften mit konkurrierenden Fußballvereinen zurückgezogen. Wir haben mit Benjamin Hofmann vom Kicker gesprochen, natürlich auch selbst recherchiert und bieten hier einen Überblick der Fakten.

Da hat Benjamin Hofmann vom Kicker-Sportmagazin einen guten Riecher gehabt. Er verfolgte eine Spur und sie führte nach Luxemburg. Anlass seiner Recherchen war nicht in unbedingt in erster Linie der VfB-Präsident, sondern die hochverzinsten Kreditgeschäfte eines sogenannten Alternativen Investment Fonds namens Quattrex S.C.A., SICAV-FIS. Noch genauer gesagt, geht es um den dazugehörigen Sub-Fond: "Quattrex German Opportunities Sub Fund" verwaltet vom "General Partner" Quattrex GP S.á.r.l. Im Mittelpunkt stehen dabei die Vereine Union Berlin, der FC Heidenheim, der 1.FC Kaiserslautern und in Österreich Austria Wien. Doch überall wo Quattrex draufsteht, ist auch ein Dietrich drin. Und wenn da heute bei diesen Geschäften noch irgendwo einer mit dem Vornamen Wolfgang auftaucht, kann da im Grunde irgendetwas nicht stimmen.

Warum? Wir erinnern uns zurück, an die VfB-Präsidentenwahl im Oktober 2016. Über Wochen wurde in den Stuttgarter Gazetten im Vorfeld über mögliche Interessenskonflikte berichtet, zu denen sich der Kandidat Wolfgang Dietrich erklären musste. Man kann nicht gleichzeitig Präsident eines Fußballvereins sein und mit dem Freud und Leid der Konkurrenten dieses Vereins Geld verdienen, hieß es. Der Kandidat nahm die Bedenken scheinbar ernst und zog sich aus einer Firma mit dem Namen Quattrex Sports zurück und übergab Anteile an seinen Sohn Christoph und eine weitere Person. Da waren noch diverse andere Firmen im Gespräch aber schließlich galt das Wort des Kandidaten, der sich dazu vorsichtshalber noch einen Persilschein sowohl vom VfB-Aufsichtsrat als auch von der DFL ausstellen ließ.

Das Ganze wurde vor einer Woche im Internetportal sport.de sehr schön zusammengefasst: "Dietrich habe den VfB-Aufsichtsrat noch bevor er sich 2016 zu einer Kandidatur entschieden hatte, über 'alle einzelnen Beteiligungsverhältnisse und frühere operative Aktivitäten in diesem Bereich' informiert, teilte der VfB mit. Anschließend habe der Klub eine 'rechtliche Prüfung einer möglichen Interessenskollision positiv abgeschlossen.' Auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) sah eine Wahl Dietrichs zum VfB-Präsident als 'in Einklang mit den Vorgaben der Liga'."

Ein paar Details müssen den Prüfern bei der DFL damals entgangen sein. Benjamin Hofmann vom Sportmagazin Kicker erklärt: "Zu dem Zeitpunkt der Prüfung war Wolfgang Dietrich nachweislich noch Anteilseigner der Quattrex GP S.á.r.l., einer Gesellschaft, die als General Partner den Fond "Quattrex German Opportunities" aufgelegt hat. Aus diesem Fond haben auch Union Berlin und FC Heidenheim, die ja mit dem VfB in der Relegation konkurrieren könnten, ihre Kreditmillionen bekommen. Wenn er diese Anteile, wie auf Anfrage von ihm schriftlich mitgeteilt, direkt nach der Präsidentenwahl abgegeben hätte, wäre das ja noch als Konsequenz aus der DFL-Prüfung nachzuvollziehen. Er sagt zwar, dass er am 13. Oktober 2016, also vier Tage nach der Wahl, verkauft hätte. Der Vertrag aber ist laut dem Luxemburger Registerauszug auf den 9. Dezember 2016 datiert. Übrigens: Dort hinterlegt wurde das nochmal später, am 21. Dezember 2016. Das kann man ja noch vernachlässigen, da es sich bestimmt mit irgendeinem Zeitverzug erklären lässt. Die Frage, warum so spät, bleibt ja trotzdem bestehen."

Was den DFL-Prüfern offensichtlich auch entweder nicht aufgefallen ist oder für nicht relevant befunden wurde, ist Wolfgang Dietrichs mittelbare Beteiligung an Profiten, die mit den Krediten an Fußballvereinen zu verdienen sind. Dabei spielt die Firma Quattrex Finance GmbH eine zentrale Rolle, die für den kreditgebenden Luxemburger Fond als sogenannter Adviser tätig ist. Kicker-Redakteur Benjamin Hofmann erläutert die Zusammenhänge: "Legt man die aktuellsten Informationen der Handelsregister-Eintragungen zugrunde, ist Wolfgang Dietrich immer noch über die VMM Consulting GmbH als 50-prozentiger Teilhaber an der Quattrex Finance GmbH mittelbar beteiligt. Mittelbar, da nicht er als Person sondern die VMM Consulting GmbH der Teilhaber ist, die aber zu hundert Prozent dem VfB-Präsidenten zuzurechnen ist."

Gegenüber der Stuttgarter Zeitung habe Wolfgang Dietrich laut Benjamin Hofmanns Kicker-Artikel von heute erklärt, "alle fußballbezogenen Beteiligungen verkauft zu haben". Im selben Artikel werden die Stuttgarter Nachrichten zitiert, die es noch genauer wissen: "Die Stuttgarter Nachrichten wiederum datieren den Verkauf der Anteile an der Quattrex Finance GmbH auf Januar 2018." Im Wortlaut stand dort zu lesen:

"Mit seiner VMM Consulting GmbH (Dietrich ist 100-prozentiger Gesellschafter) war er zunächst weiter an der Quattrex Finance GmbH beteiligt, die wiederum Rückzahlungen der Darlehensnehmer kassiert. Seit Ende Juli 2016 ist Dietrich kein Geschäftsführer mehr, seit Januar 2018 nicht mehr Gesellschafter. In der Folgegesellschaft fungieren Dietrichs Sohn Christoph und Tobias Schlauch, einst Vorstand bei den Stuttgarter Kickers, als Gesellschafter. „Ich bin an keiner Firma, die im Fußballbereich tätig ist, mehr beteiligt“, betont Dietrich. Geld kassiert der 70-jährige Unternehmer dennoch." Denn auf die vor seiner Wahl zum Präsidenten erworbenen Ansprüche aus den Darlehens-Verträgen mit Fußballvereinen möchte er dann doch nicht verzichten.

Die Stuttgarter Nachrichten schreiben und zitieren Wolfgang Dietrich im Weiteren dazu: "'Sofern Erträge anfallen, bekomme ich ausschließlich Ausschüttungen aus Verträgen, die vor meiner Amtszeit zwischen der Quattrex und den entsprechenden Vereinen geschlossen wurden. Dieser Sachverhalt war sowohl den Gremien des VfB bekannt als auch gegenüber der DFL transparent dargestellt', sagt Dietrich. Die Ligazugehörigkeit der Clubs spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Jedoch gilt auch: Geht es den Vereinen sportlich wie wirtschaftlich gut, sind die Rückzahlungen gesichert. Auf diese ihm aus früheren Geschäften zustehenden Erträge wolle er, der als Präsident ehrenamtlich tätig ist, nicht verzichten, sagt Dietrich. Seit seinem Einstieg beim VfB, versichert der Clubchef, hätten seine früheren Unternehmen aber keine neuen Verträge mit deutschen Proficlubs mehr geschlossen."

Die Betonung legte Wolfgang Dietrich auf "deutsche Profi-Clubs". Kein Wunder der einzige Vertrag der nach seiner Präsidentenwahl geschlossen wurde, war der mit Austria Wien im Juni 2017. Alle anderen und noch laufenden Kooperationsvereinbarungen mit Union Berlin, FC Heidenheim und dem 1. FC Kaiserslautern wurden davor, im August 2016 abgeschlossen. Und die bringen richtig Geld ein, wie in den "Notes to the financial statements" des Fonds Quattrex S.C.A., SICAV-FIS für jedermann frei verfügbar nachzulesen ist.

Klärungsbedürftig sind zudem die in den Stuttgarter Nachrichten bereits oben zitierten Aussagen Dietrichs: "Seit Januar 2018 (ist Dietrich) nicht mehr Gesellschafter. In der Folgegesellschaft fungieren Dietrichs Sohn Christoph und Tobias Schlauch, einst Vorstand bei den Stuttgarter Kickers, als Gesellschafter. „Ich bin an keiner Firma, die im Fußballbereich tätig ist, mehr beteiligt.“

Benjamin Hofmann vom Kicker fragt sich da mit Fug und Recht: "Warum erst im Januar 2018 - sofern die Informationen der Stuttgarter Nachrichten korrekt sind? Und warum ist das nirgendwo im Handelsregister aufgeführt?"

Man kann ja von den Registergerichten halten was man will, aber, dass diese solche angezeigten Veränderungen nicht umgehend veröffentlichen oder es gar vergessen, oder dass die anzeigenden Personen es gar schlicht und einfach vergessen haben, das dem Registergericht mitzuteilen, ist die unwahrscheinlichste Erklärung einer solchen Differenz zwischen Behauptung und belegbaren Nachweisen. Nachweisen lässt sich immerhin, dass es die oben zitierte Folgegesellschaft namens Quattrex Finance II GmbH nun tatsächlich gibt. Notariell beglaubigt und im Handelsregister belegt, ganz offiziell seit dem 11. März 2019, seit exakt 35 Tagen. Solange die aber nicht ohne Dietrichs VMM Consulting GmbH auch ganz offiziell die Adviser-Funktion im Fond ausübt, hat das sehr wenig Aussagekraft. An dieser Stelle wird doch die Frage erlaubt sein: Was war denn in der Zeit vorher, seit der Präsidentenwahl 2016 das Hindernis, dieses zu tun? Wolfgang Dietrich wird auch auf diese Frage sicherlich bald eine für ihn passende Antwort über die Stuttgarter Medien kund tun. Er wird darlegen, dass diese Verflechtungen von Anfang an bekannt gewesen seien, und das die Darstellung des Kicker-Magazins nur Altbekanntes kolportiere. So einfach kommt er aber aus dieser Nummer nicht raus. Die VfB-Fans und die Anwesenden bei der Mitgliederversammlung zur Ausgliederung werden die Darstellung zu diesem Interessenskonflikt noch gut erinnern. Das Wolfgang Dietrich bis heute, bzw. (offiziell) bis vor kurzem, an diesen Kreditgeschäften partizipierte, gehörte bestimmt nicht dazu.

Soviel zu den verfügbaren Fakten. Wer daran Zweifel hat und Mann oder Frau genug ist, sich durch dröge Geschäftsberichte und Registereinträge zu kämpfen, dem erklären wir auf Anfrage gern, wo und wie das von uns recherchierte Material frei im großen, noch freien und weiten Internet zu bekommen ist.

Eine letzte Anekdote darf an dieser Stelle aber keinesfalls fehlen. 2016, als die potenziellen Interessenskollisionen erstmals diskutiert wurden, argumentierte der Aufsichtsrat des VfB, Wolfgang Dietrichs Expertise in der Finanzierung von Bundesligisten sei doch ein Vorteil, den man sich unbedingt zunutze machen müsse. Ob das die Aufsichtsräte angesichts der heutigen Situation des VfB immer noch so sehen? Sie werden... Word!

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