Rita und Kurt

Die Erste Prophetin der Erstliga-Saison 2018/19, Rita Intili, und der knapp geschlagene Vizeprophet, Kurt Iffland, erhielten in einer feierlichen Zeremonie ihre Pokale überreicht. Höchste Zeit für eine ausführliche Laudatio.

Es war heiß! Sehr heiß, auch im Außenbereich des Stuttgarter Propheten-Festlokals Fischlabor. Der Vizeprophet Kurt Iffland war pünktlich um 18 Uhr zur Stelle, um, wie er glaubhaft versicherte, sich die allererste Auszeichnung seines Lebens, den Pokal des Vizepropheten, abzuholen. Geschniegelt, gebügelt und eventuell sogar rasiert. In der kurzen Schwarzen lief er auf. Er hatte sich ganz in festliches Schwarz gekleidet. Wir mussten seine vorfreudige, rotbackige Ungeduld noch etwas bremsen, da die Erste Prophetin Rita Intili sich, wie es sich für eine Prophetenregentin gehört, etwas verspätet hatte. Es ist ja eine alte Regel, dass sich die wichtigsten Personen bei solch feierlichen Anlässen immer etwas mehr Zeit lassen, um sich die maximale Aufmerksamkeit aller Festgäste zu sichern. Als sie sich dann triumphierenden Schrittes den zahlreich anwesenden Liga-Propheten näherte, erhoben sich diese von den Plätzen und huldigten sie klatschend mit stehenden Ovationen. Ich meine dabei sogar die Worte "Ihro Gnaden", "Durchlaucht" und "Majestät" gehört zu haben.

tl_files/propheten_dark/stories/19_6_Blog im Juni/Prophetenehrung-6.jpgDie Erste Prophetin nahm all das erhobenen Hauptes mit italienischer Grandezza sanft lächelnd hin und genoss sichtlich die offensichtliche Bewunderung des gemeinen Prophetenvolkes. Diese Bewunderung hat Gründe. Rita, zu deutsch die "Perle", Intili hat mit einer nie zuvor dagewesenen Souveränität die letztjährige Prophetenligasaison dominiert. Das lässt sich mit imposanten statistischen Zahlen belegen. Gleich am ersten Spieltag stand sie bereits auf Platz zwei der Prophetenliga. Danach ließ sie sich mit einer fein ausgeklügelten Taktik zunächst einmal ins Niemandsland der Tabelle zurückfallen, um die Konkurrenz noch eine Weile in Sicherheit zu wiegen. Doch das nur, um wie Phönix aus der Asche und drachenblutgebadet quasi unverwundbar am 6. Spieltag in die Top-Ten zurückzukehren. Am 10. Spieltag übernahm sie dann nach kurzem Machtkampf mit ein paar Prophetenbuben das Zepter an der Spitze und gab es nie wieder her.

Also nur,um das zeitlich mal etwas einzuordnen: Wir reden über den 10. Spieltag Anfang November 2018, an dem Rita Intili Freitagsabends voller Entsetzen die 0-3-Niederlage des VfB Stuttgart gegen Frankfurt mitansehen musste. Markus Weinzierl hatte damals zwei Wochen zuvor den unglücklichen Tayfun Korkut abgelöst, Guido Buchwald hatte Michael Reschke kurz vor dem Spiel die größte Pfeife aller Zeiten geschumpfen und der VfB stand mit 5 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz. Der VfB tauchte seitdem aus dieser Versenkung nicht wieder auf und stieg schließlich auch noch in die Zweite ab. Doch die Prophetin aller Propheten, Rita Intili, zeigt seit diesem Spieltag mit welcher Exzellenz sie den Saisonverlauf vorausgesehen hat. Sie blieb die restlichen 24 Spieltage, bis zum letzten, dem 34. Spieltag, auf Platz 1 der Propheten-Liga. Über sieben Monate! Das ist angesichts der sensiblen Arithmetik der Prophetentabelle eine äonenhafte Ewigkeit. Grund genug sie dafür zu adeln und der Profetessa Signora Duchessa di Stoccarda Rita Intili (Wow! Das ist mal ein Titel!) einen Ehrenplatz in der Propheten-Hall-of-Fame zu gewähren.

Und jetzt kommt Kurt! Nennen wir ihn mal titel- und analogerweise Profeta vice di Stoccarda Kurt Iffland, was sich ja auch schon halbwegs adelig anhört. Doch Titel, die hat Kurt mit seinem Nachnamen ja eigentlich nicht nötig. Er könnte bei der berühmten Rateshow "Ich trage einen großen Namen" jederzeit problemlos einsteigen und denen dort gleich bei mehreren Berühmtheiten eine Verwandtschaft vorgaukeln. Er könnte auch für kulturelle Höchstleistungen selbst einen Iffland-Ring stiften, ohne groß Ärger wegen der Namensrechte zu bekommen. Aber unser Vize-Prophet 2018/19, der Punkrock-Gitarrist Kurt Iffland, ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er legt keinen Wert auf solches Titelgedöns. Macht sich auch nicht so gut auf den Stehrängen seines Herzensvereins SSV Ulm. Seinen Iffland-Ring bekämen bestenfalls - one, two, three, four - Punkrocklegenden wie etwa Johnny Rotten für kulturelle Höchstleistungen über den Finger gestreift, der ihn möglicherweise testamentarisch verfügt von Joey Ramone bekommen hätte.

tl_files/propheten_dark/stories/19_6_Blog im Juni/Prophetenehrung-3.jpgDer Stolz, mit dem Kurt nun seinen Vizeprophetenpokal angenommen hat, ist umso höher zu bewerten, wenn man weiß, dass er sich sicherlich schon zu Beginn seiner Musikerkarriere fest dazu entschlossen hat, niemals überhaupt irgendeinen Preis anzunehmen, etwa einen Echo-Preis oder gar einen Fucking Bambi. Dafür liebt ihn die große Fan-Gemeinde seiner Band "Der alte Mann raucht," die genau genommen aus drei rauchenden, alten Männern besteht. Seine prophetischen Künste in der Prophetenliga haben sicherlich auch mit seiner eigentlichen Profession zu tun. Kurt ist ein Mann der Bücher. Sozusagen ein studierter Bücherwurm. Er hat in seiner Berufslaufbahn mehr Bücher gelesen als die komplette aktuelle Teenager-Gemeinde Baden-Württembergs vom Bodensee bis Heilbronn zusammen. Da lernt man das Lesen und Deuten, das zwischen den Zeilen lesen und auch das bibliothekarische Kaffeesatzlesen, welche Neuerscheinung möglicherweise zu einem Bestseller taugt.

Seinen Vizeprophetentitel hat er sich praktisch mit einem Lucky Punch am letzten Spieltag erkämpft, nachdem er die ganze Saison über nicht aus der Deckung gekommen ist und mal hier oben und dann mal wieder da unten war. Unauffällig eben, wie der Philosoph Cassius Clay es einmal ausdrückte: "Float like a butterfly and sting like a bee". Fast hätte er so die Signora Duchessa et cetera noch vom Thron gestoßen, aber gegen die hatte er beim besten Willen keinen Stich.

tl_files/propheten_dark/stories/19_6_Blog im Juni/Prophetenehrung-4.jpgEin anderer Philosoph, namens Erik Meijer, fand mal drastische Worte für das Dilemma: "Nichts ist scheißer als Platz zwei." Das würde unser Vize-Prophet Kurt niemals unterschreiben, denn der allererste Pokal seines Lebens, auch noch mit seinem Namen drauf, in einer silbergerahmten Vitrine prominent platziert, wird immer einen Platz in seinem Leben haben, auch wenn es bei Licht betrachtet nur eine verdammte Kaffeetasse ist.

Das weiß ich aus eigener leidlicher Erfahrung. Der allererste und einzige Pokal in meiner Vitrine, sprich meines Lebens, ist nämlich eine verdammte Spardose, die ich als 6-Jähriger für den dritten Platz beim Ostermalwettbewerb der Dorfsparkasse erhalten habe. Egal, Pokal ist Pokal! Der Erste ist immer der Schwerste! Die anderen kommen dann von allein. Oder auch nicht.

In diesem Sinne, nochmals Hoch die Tassen, auf Rita und Kurt!

Die weiteren Siegerehrungen sind noch nicht fest terminiert, folgen aber so bald wie möglich.

Verwandte Artikel