Wann Friehling, VfB?

Reden wir nicht über das, was dem VfB droht. Reden wir besser über das, was uns Hoffnung gibt. VfB-Fans klammern sich verzweifelt an die alte Weisheit von Otto Baric: "Kommt Friehling, kommt VfB." Der Spruch wurde so oft wiederholt, dass jeder und jeder denkt, es müsse was dran sein. Also Faktencheck. Handelt es sich womöglich um einen populären Irrtum?

Baric hat recht!

So viele denkwürdige Spielzeiten in der jüngeren VfB-Geschichte scheinen die gefühlte Wahrheit zu beweisen.

Saison 2000/01: Abstiegsplatz nach der Vorrunde. Unter Felix Magath rettet Krassimir Balakow mit einem Gewaltschuss in der letzten Minute des letzten Spiels die Bundesliga. Klassenerhalt.

Saison 2009/10: Mickrige 16 Punkte holt der VfB im Herbst. Dann kommt Christian Gross. Am Ende wird der VfB souverän Sechster.

Saison 2010/11: Aber Gross kann auch keine Vorrunde. Eine Spielzeit Später steckt der VfB schon wieder auf Platz 17.  Manager Bobic holt im Dezember den „Mann der Zukunft“: Bruno Labbadia. Der visionäre Trainer schlägt ein. Ergebnisfussball hält die Klasse.

Saison 2013/14: Labbadia bleibt lang in Stuttgart. Der Bruch kommt früh in der Vorrunde. Thomas Schneider übernimmt. Trotzdem bewirbt sich Stuttgart für die zweite Liga. Ende Februar muss Huub Stevens ran. Hauptberuf: Feuerwehrmann. Klassenerhalt.

Saison 2014/15: Selbst Meistertrainer Armin Veh kann keine Vorrunde. Nach Spieltag 15 hat Stuttgart die rote Laterne. Einsatz Feuerwehrmann. Stevens wiederholt sein Kunststück. Klassenerhalt.

Saison 2017/18: Als Neuling krebst Stuttgart in der Abstiegszone rum. Trainer Hannes Wolf wird Ende Januar durch Tayfun Korkut ersetzt. Eine 1:0-Siegesserie beginnt. Sie führt fast bis in den Europacup, aber nur fast.

Saison 2021/22: Kaum zu glauben: Der VfB hält am Trainer Pellegrino Matarazzo fest. Trotz Platz 16 in der Vorrunde. Am letzten Spieltag in der 92. Minute erscheint die Rettung: Legendo Wataru Endō.

Baric liegt falsch. Oder doch nicht?

Gut zu wissen: Als Baric seinen Spruch rausgerockt, war es Winter. 1986.  „Kommt Friehling, kommt VfB“ – hat er trotzdem recht?

Barić hat recht! Legt man über alle Bundesligaspielzeiten die 3-Punkte-Regel, holt der VfB in der Vorrunde 1,48 Punkte pro Spiel. In der Rückrunde sind es mehr: 1,51 Punkte pro Spiel. Barić hat noch viel rechter! Barić sagt ja nicht „Rückrunde“, sondern „Friehling“ Also nochmal rechnen. Der meteorologische Frühling beginnt am 1. März. Alle Achtung! Zwischen 1. März und Saisonende beträgt der Schnitt pro Spiel stolze 1,54 Punkte. Also nochmal besser.

Barić muss ein Prophet sein! Zu dem Zeitpunkt, als Barić seine „Friehlingstheorie“ aufgestellt hat, ist sie falsch. Betrachtet man die Spielzeiten vor seinem Amtsantritt beträgt der Punktschnitt ab Frühling genau 1,5. In den bis dahin gespielten Vorrunden ist der Schnitt besser als im Frühling. (3-Punkte-Regel zugrunde gelegt).

Summery: Der Spruch ist eine Ankündigung. Eine große Prophezeiung. Ein paar Tage danach wird Barić gefeuert. Willi Entenmann holt in einem typischen VfB-Frühling 11 Siege aus 14 Spielen. Alles, wie Barić gesagt hatte. Bruno Labbadia benötigt mindestens 4 Siege aus neun Spiele. Holt er einen Punkteschnitt von 1,5 könnte es knapp reichen (für das Relegationsspiel). Labbadia muss also nichts weiter tun, als eine durchschnittliche VfB-Saison spielen. Drunter darf der VfB für die zweite Liga planen. Kommt Sommer, kommt VfB. Vorteil: Labbadia und seine restliche runzlige Entourage sind dann von Bord. 

 

Der Faktencheck stammt aus dem jüngsten Irrtümer-Buch. Als ich den Untertitel "Unberechenbar seit 1893" formulierte, ahnte ich noch nichts von aktuellen Debakel. Das Skript zum Buch wurde im Juni 2022 fertig gestellt. Vielleicht ganz gut so. "VfB Stuttgart – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten" ist im November 2022 im Klartext Verlag erschienen. In allen gut geführten Buchhandlungen erhältlich. Im VfB-Shop eher nicht. Man soll ja das Objekt der Berichterstattung vom Vertrieb sauber trennen. 

 

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