Empfehlung zum Zeitspiel

Die fünfzehnte Ausgabe des Magazins Zeitspiel liegt vor. Sie hat eine uneingeschränkte Lobhudelung verdient.

"Solange wir diesen Sport noch lieben können, wird halt im stetigen Widerspruch gelebt, jubeln wir Twens zu, die im Bentley aufs Trainingsgelände rollen und zum Friseur nach London jetten, während der Fan sein Fahrrad durch die FridaysForFuture-Demo schiebt. Hätte schlimmer kommen können. Als Formel-1-Fan zum Beispiel." Nicht wenige teilen das mulmige Gefühl, das Prophet und Philosoph Tim Bandisch wundervoll beschreibt. Als grundtolerante Menschen gönnen wir zwar Franck Ribéry jedes Blattgoldsteak. Aber es stört uns, dass wir ein Zehntausendstel Salatblatt seines Menues mit unserer Fußballbegeisterung finanziert hatten.

Warum haben wir das eigentlich mitbekommen?

Ribéry postete sein Ribeye in den sozialen Medien – ein gefundenes Fressen für die Berichterstatter des Fußballboulevards. Januar ist Sauregurkenzeit. Da kam das Fleisch gut zur Geltung. Ein omnipräsentes Steak. Null Präsenz erhalten derweil die SG Egelsbach, die SC Fortuna Kiel-Wellsee und der TuS Kaltehardt. Drei von zigtausend Vereinen, die für Fußball in unseren Breitengraden ungleich wichtiger sind als jede Speisekarte in Dubai. Dass wir von ihnen nichts zu lesen bekommen, ist im Grunde total normal. So funktionieren eben Medien, wenigstens die herkömmlichen unter ihnen, also fast alle. Welcher Hahn kräht nach dem FSC Lohfelden? Zählt der FC Oberlausitz Neugersdorf nicht bereits zum fernen Osten? Oder die SpVgg Ludwigsburg 07, die wegfusioniert wurde, die ist doch eh schon tot, was soll man noch schreiben?

Über alle genannten Vereine erfahren wir Wissenswertes in der neuen Ausgabe des Magazins Zeitspiel. Das Magazin für Fußballzeitgeschichte kümmert sich genau um den Teil unserer riesigen Fußballwelt, der in den großen Zusammenhängen stets untergeht. "Kann Spuren von kommerziellem Fußball enthalten", steht als Warnung über dem Heft. Jetzt ist das Magazin, das den Graswurzeln des Spiels näher ist als jede andere Veröffentlichung in Deutschland, bereits in der 15. Ausgabe angelangt. Vor vier Jahren, bei der ersten Ausgabe orakelte ein Brancheninsider, das Blattkonzept würde maximal drei Ausgaben überleben. Jetzt liegt Ausgabe 15 vor. Schwerpunkt: "Überleben im Turbokapitalismus". Der Titel ist nicht wirklich selbstbezüglich. Er beschäftigt sich ausführlich mit den Überlebensstrategien von Vereinen im Mittel- und Unterbau des deutschen Fußballs.

Der Grüne, der mit der Tassensammlung im Schrank.

tl_files/propheten_dark/stories/19_7_Blog im Juli/Tassen.jpgHinter Zeitspiel stecken vor allem Frank Willig und Hardy Grüne. Frank ist vor allem im Norden als Aktivposten im Amateurfußball bekannt, Hardy bundesweit. Es ist keine Übertreibung, wenn Grüne in der FAZ das "Gedächtnis des deutschen Fußballs" genannt wird. Sein Name steht auf weit über 100 Büchern. Die meisten davon stehen im Regal "Fußballhistorik", aber nicht alle. Hardy ist ein vielschreibender Freigeist. Zum Glück! Denn daraus wurde Zeitspiel geboren. Es geschah an einem Wendepunkt der populären Fußballpublizistik. Bis dato verfuhr Hardy nach dem Prinzip "Ich schreibe ein Buch über Schalke, damit finanziere ich ein Buch über Eintracht Trier." Diese Strategie wollte nicht mehr richtig aufgehen. Der Buchmarkt war voller Schalke-Büchern, einige Autoren bedienten sich sogar der verdienstvollen Archivarbeit von Hardy, der nicht wenige Standardwerke der Fußballgeschichte selbst verfasst hatte. Eine andere Vorgehensweise musste her.

tl_files/propheten_dark/stories/19_7_Blog im Juli/Zeitspiel treffen.jpgDarum gingen Grüne und Willig mit der Zeit: Zeitspiel. Dort findet nicht nur Eintracht Trier eine bundesweite Leserschaft, sondern auch Hanau 93, Belenenses Lissabon und der FSV Kali-Werra Tiefenort. Zeitspiel muss man all denjenigen ans Herz legen, die sich abseits des Glamours für die Grasnarbe interessieren – von Fußball in Djibouti bis Kickers Emden. Die aktuelle Ausgabe eignet sich als Einstieg. Sie trägt den Titel der ersten und beschäftigt sich mit dem aktuellen Zustand des Fußballs: vom Profibereich über den Mittelbau bis hinunter in die Kreisklasse. Hardy und seine Kollegen tun das mit besonderer Gründlichkeit. Nichts wird ausgelassen. Jedes Zeitspiel Magazin besitzt die Ausführlichkeit und Detailversessenheit eines Buches. Kein wissenschaftliches Gezwirbel wohlgemerkt. Sondern gehaltvoller Lesestoff und wichtige Grundlageninformationen für jeden geneigten Fußballfan.

Ja, die unverholene Absicht dieses Blogeintrags ist Werbung. Journalistische Neutralität liegt mir fern, was Zeitspiel betrifft. Schließlich sind die Verbindungen so gut, dass auch ein Beitrag dieses Blogs später im Zeitspiel erschienen ist, nämlich dieser hier, den Bernhard verfasste. Darum formuliere ich es unverblümt:

"Kauft Euch dieses Heft – am besten: Abonniert es!"

Natürlich freut sich das Großprojekt Zeitspiel über eine solide finanzielle Grundlage. Das Magazin ist zwar längst etabliert, doch das Zeitbudget, das die Beteiligten in das Projekt stecken können, hat eine Grenze - und die ist jeden Monat schnell erreicht. Es braucht eben andere Jobs, damit man sich die Zeitspielzeit aus den Rippen schnitzen kann. Dabei ist die Arbeit verdienstvoll. Ich verspreche: Ein Abo, womöglich ein Förderabo, ist stets sehr bereichernd für die Leserinnen und Leser und auf jeden Fall bereichernd für das gesamte Projekt. Im größeren Zusammenhang betrachtet, trägt das Abo dazu bei, dass wir wenigstens manchmal über Kali-Werra Tiefenort sprechen und etwas seltener über die Ernährungsgewohnheiten von Franck Ribéry.

 

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Ach, apropos "Spuren von Kommerzfußball". Nächsten Freitag beginnt die zweite Liga. Habt Ihr Eure Prophezeiung bereits eingeloggt?

 

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