Karlsruh, Karlsruh,...

Bild: Imago

Die Fans des VfB Stuttgart und des Karlsruher SC hassen sich abgrundtief. Warum ist das so? Das wissen viele nicht. Hier wird ihnen geholfen.

Sie mögen sich nicht! Badener und Württemberger sind sehr kreativ, wenn es darum geht, sich gegenseitig zu beschimpfen. Aber die Schärfe in der verbalen Auseinandersetzung und die Tiefe, mit der diese antipathische Beziehung selbst in den Köpfen junger Menschen hüben wie drüben verankert ist, verwundern doch sehr. Zumindest jene, die sich ganz anderen Landsmannschaften zugehörig fühlen. 
"Das war schon immer so", heißt es dann oft, wenn die Frage nach den Gründen gestellt wird. Aber wie lange das "immer" in der Historie dieser Feindschaft zurückreicht, das wissen die wenigsten eindeutig zu beantworten. Fest steht jedoch, dass es eben nicht schon immer so war. Man muss in den Geschichtsbüchern gar nicht bis in die Zeit der Völkerwanderung zurückblättern, um zu erfahren, dass sowohl der Landesstolz der Badener als auch der Schwabenstolz, sich nicht auf eine unterschiedliche Herkunft und eine vorgebliche Erbfeindschaft benachbarter Völker gründen. Die Dialektgrenze, die grob und in etwa der heutigen virtuellen Trennlinie zwischen Baden und Württemberg, also dem vermeintlichen "Schwaben", entspricht, mag zu dieser falschen Annahme beigetragen haben. Aber die Geschichte ist viel komplizierter. Das musste auch schon Johann Christoph Pfister 1803 erkennen, als er sich daran machte, als vaterländische Heldentat, die Geschichte der Schwaben aufzuschreiben. Er sichtete alle verfügbaren Quellen und sah schnell, dass "die Geschichte der Schwaben nichts anderes ist als die Geschichte ihrer Ungeschichte", wie er es im Vorwort seines historischen Werkes vermerkte.

Die Badener, die den Württemberger einen Schwaben schimpfen, waren historisch gesehen längst nicht immer Badener und sind auch mal Schwaben gewesen. Und die, die sich stolz die Schwaben nennen und den Badener einen Badenser schimpfen, waren mitnichten immer schon Schwaben, ebenso wenig wie die Badener. Alle zusammen waren sie vor der Völkerwanderung nämlich mal Elbgermanen, aus janz weit weg, im Norden und Osten, von der Elbe. Dann hießen sie, den römischen Chronisten geschuldet, die Alemannen, das ist ein Sammelbegriff für zahlreiche Stämme, darunter auch die Schwaben, die laut einiger Quellen ebenfalls mehrere Stämme bezeichnen, und dazu die Thüringer und Bayern. Alle zog es ins ehemals römische Hoheitsgebiet, vom Limes bis zu den Alpen und vom Burgund bis zum Thüringer Wald. Sie bildeten eine Mischpoke aus ihnen selbst, den dort übrig gebliebenen Kelten, germanisierten Römern und Nachfahren römischer Sklaven aus aller Welt. Ein buntes Völkergemisch. Klingt verwirrend, aber so war es. Vermutlich – sagen die Historiker.

Im frühen Mittelalter entstanden dann im westlich gelegenen, alemannischen Siedlungsgebiet ein wildes Durcheinander und ein Flickenteppich lokaler Machtzentren. Auch die Kirche, Klöster und Raubritter mischten im Machtpoker mit den Stammesfürsten mit – bis es Chlodwig dem Ersten, aus dem benachbarten Frankenreich, zu bunt wurde. Er unterwarf die Alemannen und machte ihr Gebiet im 6. Jahrhundert zum Stammesherzogtum der Franken. Plötzlich waren alle Ostfranken. Kaum zweihundert Jahre später begehrten die Alemannen wieder auf, aber die Franken machten diesmal kurzen Prozess. Sie ermordeten alle, die glaubten vorort etwas zu sagen zu haben, verkleinerten das ehemalige Alemannien zu ihren Gunsten und nannten den Rest dann Herzogtum Schwaben. Das Land der Schwaben war geboren. Es reichte vom Elsass im Westen bis nach Augsburg im Osten und von Cannstatt (Stuttgart gab es noch nicht) bis ins tiefste Südtirol. So gesehen, könnte es ein Heilbronner heute durchaus als Beleidigung verstehen, wenn man ihn einen Schwobaseggl nennt. Die Heilbronner gehörten nie zum Herzogtum Schwaben und sind demnach auch keine. Und Badener, von Freiburg bis in die Ortenau hoch, nach Gengenbach, sollten zukünftig vorsichtig mit ihrer Schwabenschelte sein, denn ihre Vorfahren waren definitiv selbst mal welche. Von Karlsruhe, Pforzheim und gar Mannheim nicht zu reden, denn diese badischen Städte, gab es damals schlicht noch nicht.

Die Familien der Zähringer, Staufer und Welfen dominierten Jahrhunderte das Führungsgeschäft im Herzogtum Schwaben, bis Rudolf von Habsburg 1273 deutscher König wurde und den schwäbischen Städten und Klöstern die Regierungsprivilegien als Reichsfreiheit übertrug. Das war das Ende des Herzogtums Schwaben und genau genommen auch der Geschichte der Schwaben. Doch das Schwabensein lebt bis heute in Württemberg und Bayern innerhalb der Grenzen des ehemaligen Herzogtums kulturell und in Namensgebungen fort. Nur in den westlich von Württemberg gelegenen schwäbischen Regionen, will man heute nicht mehr allzu viel davon wissen. Als Johann Christoph Pfister seine "Geschichte der Schwaben" 1803 aufschrieb, war das noch nicht so. Zu Pfisters Zeit, anfangs des 19. Jahrhunderts, war das Land Baden von Napoleons Gnaden gerade erst als Großherzogtum, mit viel Gebiet ausgestattet, gegründet worden. Zuvor gab es mehrere kleine Fürstentümer von Adligen, die das Wort Baden nur im Namen führten. Nebendran wurde das Herzogtum Württemberg 1806 zum Königreich befördert, ebenfalls von Napoleons Gnaden. Wurden die Badener "nur" mit einem Großherzogtum bedacht, durften die württembergischen Nachbarn nun einen König ihr Eigen nennen. Napoleon kaufte sich so gewissermaßen die Gefolgschaft der zwei Nachbarstaaten und spielte diese geschickt gegeneinander aus. Was ihm nicht schwer fiel, da das katholische Baden und die mehrheitlich protestantischen Württemberger sich zuvor schon nicht so richtig grün waren. Und genau in dieser Zeit liegen die historischen Wurzeln der Streitereien zwischen Baden und Württemberg.

Schimpfworte wie etwa Sauschwob und Schwobaseggl wurden damals noch auf Badener und Württemberger als Schwaben gleichermaßen angewendet und das Wort Badenser wurde keinesfalls als Schimpfwort verstanden, war es doch als Verkürzung des im lateinischen Sprachgebrauch üblichen Badensis oder Badeniensis durchaus üblich. Selbst bei Goethe heißen die Badener Badenser. Was den nordbadischen CDU-Abgeordneten des Baden-Württembergischen Parlamentes Franz Gurk 1954 nicht davon abhielt, ausgerechnet einen Heilbronner Abgeordneten der das Wort Badenser in den Mund nahm, damit zu drohen, ihn zukünftig "Heilbronnser" zu nennen. Was dann, überspitzt betont, zu einem "Bronzer", zu deutsch "Pisser", mutierte. Die hier beschriebene Schärfe der Auseinandersetzung zwischen Badenern und Württembergern erreichte in den Fünfzigerjahren einen Höhepunkt und das hat mit einigen politischen Vorgängen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu tun. Bis Ende des 19. Jahrhunderts und danach, in der Kaiserzeit, bis zum Ende des 1. Weltkrieges herrschte im Südwesten Deutschlands noch traute Einigkeit. Es gab keinen Anlass zu Rivalitäten und sich über regionale Landesgrenzen hinweg zu beschimpfen. Dann kamen entscheidende politische Veränderungen, die das Verhältnis von Badenern zu Württembergern nachhaltig beeinträchtigen sollten. 

Im November 1918 wurde das Großherzogtum Baden zur Republik erklärt und Württemberg zum Freien Volksstaat. Die Ablösung von monarchischen Strukturen durch demokratische Institutionen und die Erfahrungen der Weimarer Republik führten zu einer hohen Identifikation der Bürger mit ihrem Land. Während der Nazi-Zeit von 1933 bis 1945 und während des zweiten Weltkrieges spielte das eine untergeordnete Rolle, doch nach Kriegsende und bei der Neustrukturierung der Länder durch die Befreiungsmächte umso mehr. Amerikaner und Franzosen teilten sich den Südwesten Deutschlands auf sehr pragmatische Weise untereinander auf. Aus Baden, Württemberg und Hohenzollern wurden 1945/46 kurzerhand die drei Länder Baden, Württemberg-Hohenzollern sowie Württemberg-Baden geschnitzt, allesamt in den Grenzen des heutigen Baden-Württembergs gelegen. Auch bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 gab es diese Länder noch. Das neue Grundgesetz sah damals jedoch vor, durch Volksabstimmungen die föderale Neugliederung der Bundesrepublik zu regeln. Und dann nahm das Drama in der Beziehung zwischen Baden und Württemberg seinen Lauf, das bis heute nachwirkt und auch den Fußballderbys zwischen Karlsruhe und Stuttgart die bekannte Brisanz verleiht.

Es war der Abstimmungsmodus bei der Volksabstimmung 1951, den die Badener, die unter allen Umständen eigenständig bleiben wollten, bis heute als großen, von den Württembergern inszenierten Betrug sehen. Das Land hatte keine echte Chance über die eigene Unabhängigkeit abzustimmen und 1952 die Bildung des Südwest-Staates Baden-Württemberg mit der Landeshauptstadt Stuttgart zu verhindern. Die Badener gaben jedoch nicht auf und schließlich stellte das Verfassungsgericht 1956 fest, dass die Abstimmung mit einem neuen, für Baden aussichtsreicheren Auszählmodus zu wiederholen sei. Die württembergische Mehrheit im Land hatte daran naturgemäß kein großes Interesse und schaffte es über Legislaturperioden hinweg, den Termin für eine neue Abstimmung bis ins Jahr 1970 hinauszuzögern. Zu lange, um den badischen Separationswillen auf hohem Niveau zu halten. Die erneute Abstimmung ergab ein eindeutiges Ergebnis zugunsten des gemeinsamen Staates Baden-Württemberg. Doch das Gefühl, irgendwie von "dere zu Stuergert" übers Ohr gehauen worden zu sein, bleibt vermutlich noch lange bei den Badenern erhalten. 

Auch das gegenseitige Beschimpfen wird überdauern, auch wenn es heute schon eher einer Art folkloristischer Tradition gleicht, die nicht ganz ernst gemeint ist, aber umso lieber von badischen und württembergischen Schwaben mit Inbrunst weitergepflegt wird. 

Verwandte Artikel